Normen
BFA-VG 2014 §9
MRK Art8
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021190217.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 20. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 22. August 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit Bescheid vom 25. März 2019 verhängte das BFA gegen den Revisionswerber wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 4 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.
4 Die gegen beide Bescheide erhobenen und zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 Mit Beschluss vom 22. September 2021, E 2825/2021‑7, wies der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Schließlich erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 In ihrer Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision ausschließlich gegen die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG und macht dazu ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht und von jener zur Interessenabwägung geltend. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, das BVwG habe zwar Feststellungen zur Aufenthaltsdauer und Integration des Revisionswerbers getroffen, diese Umstände im Rahmen der Interessenabwägung jedoch nicht berücksichtigt. Stattdessen habe das BVwG seinem Erkenntnis die höchstgerichtliche Judikatur zu Grunde gelegt, wonach einem fünfjährigen Aufenthalt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung zukomme. Ferner habe das BVwG auch auf die Rechtsprechung zur mangelnden Entscheidungsrelevanz einer Einstellungszusage eines Asylwerbers verwiesen und daraus den Schluss gezogen, dass auch die Erwerbstätigkeit des Revisionswerbers nicht besonders stark ins Gewicht falle.
11 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA‑VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA‑VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 15.10.2021, Ra 2021/19/0353, mwN).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel (vgl. erneut VwGH Ra 2021/19/0353, mwN).
13 Das BVwG stellte unter anderem den Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet seit 2014, seinen Freundeskreis in Österreich, Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 und darüber hinaus fest, dass der Revisionswerber seit 2017 über eine Gewerbeberechtigung für die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen verfüge, wobei sein Transportunternehmen drei Angestellte beschäftige. Ferner stellte das BVwG fest, dass gegen den Revisionswerber unter anderem wegen versuchter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Geldstrafe in der Höhe von € 3.500,‑‑ verhängt worden sei und der Revisionswerber Abgabeschulden in der Höhe von mehr als € 13.000,‑‑ habe.
14 Entgegen dem Revisionsvorbringen nahm das BVwG im Rahmen der Interessenabwägung auch auf die Aufenthaltsdauer und die Erwerbstätigkeit des Revisionswerbers ausreichend Bedacht. Es ging aber zutreffend davon aus, dass es bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Fremden im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA‑VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. etwa VwGH 9.6.2022, Ra 2022/19/0105, mwN). Überdies durfte das BVwG auch die ‑ in der Revision völlig ausgeblendeten ‑ Finanzvergehen des Revisionswerbers und seine Abgabeschulden relativierend miteinbeziehen.
15 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die vom BVwG ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ vorgenommene Gewichtung der festgestellten Umstände und das Ergebnis der Interessenabwägung, wonach das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiege, unvertretbar wäre. Daran ändert auch die Bezugnahme des BVwG auf Judikatur zu einer kürzeren als der im vorliegenden Fall gegebenen Aufenthaltsdauer oder zur Bedeutung einer Einstellungszusage für die Interessenabwägung nichts.
16 Die Revision zeigt somit fallbezogen weder die Unvertretbarkeit der Interessenabwägung noch einen Begründungsmangel auf.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. Dezember 2022
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