VwGH Ra 2021/15/0057

VwGHRa 2021/15/005722.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des D K in B, vertreten durch MMag. Mathias Demetz, Dr. Simon Gleirscher, Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Christian Klotz und Mag. Claudia Lantos, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 4 / 3. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 30. März 2021, Zl. RV/1100231/2018, betreffend Einkommensteuer 2014 bis 2015 und Einkommensteuervorauszahlungen 2018, den Beschluss gefasst:

Normen

DBAbk Italien 1985 Art15 Abs1
DBAbk Italien 1985 Art23 Abs3 lita
DBAbk Rußland 2002 Art23 Z1 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150057.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war ‑ nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) ‑ im Streitzeitraum zunächst (von 15. Dezember 2012) bis 4. März 2014 nichtselbständig bei einer russischen Gesellschaft in Moskau beschäftigt. Von 1. Mai 2014 bis 28. Februar 2017 war er sodann bei der X AG mit Sitz in der Schweiz nichtselbständig beschäftigt, wobei er seine Tätigkeit in Italien ausübte. Ab November 2017 war er schließlich als Bauleiter in Dubai tätig, wobei er einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer am 27. September 2017 eingetragenen italienischen Kapitalgesellschaft war, deren Geschäftszweck die Entwicklung von Grundstücken und Gebäuden, Machbarkeitsstudien, Generalplanungen, Projektmanagement, die Errichtung von Bauwerken aller Art und die Erbringung von technischen Dienstleistungen aller Art darstellte und von der er im Jahr 2018 monatliche Geschäftsführerentschädigungen und ein „fringe benefit alloggio“ bezog.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das BFG im Instanzenzug die Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie die Einkommensteuervorauszahlung für 2018 fest. Begründend führte es aus, der Revisionswerber habe in den Streitjahren enge persönliche Bindungen zu Österreich gehabt, wo er (gemeinsam mit seiner Ehefrau) über eine Wohnung in Vorarlberg verfügt habe. Seine Ehe sei in den Streitjahren aufrecht gewesen. Sowohl er als auch seine Ehefrau seien in den Streitjahren über ein gemeinsames Konto bei einer österreichischen Bank zeichnungsberechtigt gewesen. Eine auf den Revisionswerber ausgestellte Kreditkarte sei in den Streitjahren über dieses Konto abgerechnet worden, wobei dieses Konto in den Jahren 2014 und 2015 dessen einzige Bankverbindung gewesen sei. Seine Ehefrau sei auch bis 12. Februar 2019 Zustellungsbevollmächtigte des Revisionswerbers gewesen. Die Eltern des Revisionswerbers lebten in Österreich und seien vom Revisionswerber (insbesondere im Jahr 2018) regelmäßig besucht worden. In den Streitjahren habe er seinen gesamten Urlaub im Ausmaß von jeweils 28 Tagen in Österreich verbracht. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Revisionswerbers sei in den Streitjahren in Österreich gelegen. Dies sei zwischen den Parteien unstrittig (Hinweis auf eine Stellungnahme des Revisionswerbers vom 6. Februar 2020). Ansässigkeitsstaat des Revisionswerbers sei daher ‑ ungeachtet auch anderer Wohnsitze im Ausland ‑ Österreich gewesen.

3 Für die in Russland bezogenen Einkünfte komme Österreich kein Besteuerungsrecht zu (Hinweis auf Art. 15 Abs. 1 DBA Russische Föderation). Da sich der Revisionswerber im Jahr 2014 weniger als 183 Tage in Italien aufgehalten habe und sein Lohn für die in Italien ausgeübte Tätigkeit von einem Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz bezahlt worden sei, komme nur dem Ansässigkeitsstaat Österreich gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA‑Italien das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zu. Im Jahr 2015 habe sich der Revisionswerber hingegen mehr als 183 Tage in Italien aufgehalten, weshalb Art. 15 Abs. 2 DBA‑Italien nicht anwendbar sei. Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA‑Italien komme Italien als Tätigkeitsort das (Quellen‑)Besteuerungsrecht an seinen von seinem Schweizer Arbeitgeber für die nichtselbständige Tätigkeit in Italien bezogenen Einkünften zu. Gemäß Art. 23 Abs. 3 lit. a DBA‑Italien rechne Österreich auf die vom Einkommen einer in Österreich ansässigen Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in Italien gezahlten Steuer vom Einkommen entspreche. Die italienische Steuer sei in Höhe der nachgewiesenen Zahlungen von 93.454,33 € anzurechnen.

4 Auch im Jahr 2018 sei der Revisionswerber angesichts seiner nach wie vor bestehenden persönlichen Beziehungen in Österreich ansässig gewesen. Er habe kein Vorbringen erstattet, das auf eine Änderung der maßgeblichen Umstände gegenüber den Jahren 2014 und 2015 hindeute. Der Revisionswerber habe seine Tätigkeit als Bauleiter über eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Italien abgewickelt und abgerechnet. Im Jahr 2018 habe er ausschließlich Einkünfte von dieser italienischen Kapitalgesellschaft bezogen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er gewesen sei. Nach § 22 Z 2 EStG 1988 seien diese Einkünfte solche aus sonstiger selbständiger Arbeit. Es komme daher Art. 14 DBA‑Italien zur Anwendung. Daran ändere auch die vom Finanzamt geforderte statische Auslegung des DBA‑Italien nichts, weil bei Inkrafttreten des Abkommens im Jahr 1985 die Einkünfte des wesentlich beteiligten Gesellschafter‑Geschäftsführers bereits als solche aus selbständiger Arbeit qualifiziert worden seien (§ 22 EStG idF BGBl. 1981/620). Gemäß Art. 14 DBA‑Italien dürften Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfüge. Die Bezüge des Revisionswerbers seien dieser festen Einrichtung in Italien zuzurechnen. Daher komme Italien das Besteuerungsrecht an ihnen zu. Gemäß Art. 23 Abs. 3 lit a DBA‑Italien rechne Österreich auf die vom Einkommen einer in Österreich ansässigen Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in Italien gezahlten Steuer vom Einkommen entspreche. Vor diesem Hintergrund erscheine aufgrund näher dargestellter rechnerischer Erwägungen die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für 2018 mit 5.000 € sachgerecht.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit bringt die Revision vor, die Entscheidung des BFG weiche in Bezug auf die Anwendung des Art. 4 DBA‑Italien und Art. 4 DBA‑Vereinigte Arabische Emirate und des Art. 15 DBA‑Italien von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Das Verwaltungsgericht habe es zum einen unterlassen zu ermitteln, zu welchem Vertragsstaat der Revisionswerber die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe. Zum anderen entspreche Art. 15 DBA‑Italien dem OECD-Musterabkommen und sehe sohin vor, dass bei kumulativem Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates durchbrochen werde und das Besteuerungsrecht wieder auf den Ansässigkeitsstaat zurückfalle. Wenn die Besteuerung im DBA „nur“ im Tätigkeitsstaat vorgesehen sei, wie dies in Art. 15 Abs. 1 DBA‑Italien der Fall sei, habe dies die Befreiung von der Einkommensteuerpflicht im Ansässigkeitsstaat (unter Progressionsvorbehalt) zur Folge. Davon sei das BFG abgewichen und habe die Einkünfte des Revisionswerbers, welche ausschließlich im Tätigkeitsstaat Italien erzielt worden seien, dem vollen Besteuerungsrecht Österreichs unterworfen und lediglich die in Italien bezahlte Einkommensteuer in Anrechnung gebracht, während es die in der Russischen Föderation erzielten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit von der Besteuerung in Österreich ausgenommen habe.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Soweit die Revision vorbringt, das BFG habe es unterlassen zu ermitteln, zu welchem Vertragsstaat der Revisionswerber die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe, so ist sie auf die ausführliche Beweiswürdigung des BFG zu verwiesen, wo sich das Verwaltungsgericht genau dieser Frage ausführlich widmet. Dass diese Beweiswürdigung unschlüssig wäre (zum Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs vgl. zB VwGH 5.10.2021, Ra 2021/15/0059, mwN), zeigt die Revision nicht auf.

11 Auch mit dem zweiten Zulässigkeitsvorbringen vermag die Revision keine Abweichung von der hg. Rechtsprechung aufzuzeigen, übersieht sie doch offensichtlich, dass in Art. 23 Abs. 3 lit. a DBA‑Italien für Österreich als Ansässigkeitsstaat ‑ anders als in Art. 23 Z 1 lit. a DBA Russland ‑ die Anrechnungsmethode statt der Freistellungsmethode vereinbart ist. Entgegen der Revisionsbehauptung sieht Art. 15 Abs. 1 DBA‑Italien auch kein „ausschließliches“ Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates vor, sondern normiert lediglich ein Quellenbesteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates neben dem Ansässigkeitsstaat mit Anrechnungsverpflichtung durch diesen („Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.“)

12 Soweit die Revision im Übrigen (wenn auch ausschließlich) in den Revisionsgründen darauf hinweist, dass das BFG ‑ entgegen seiner eigenen Feststellungen ‑ zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Revisionswerber sich im Jahr 2014 weniger als 183 Tage in Italien aufgehalten habe, so trifft dieser Vorwurf zwar zu. Allerdings hat das BFG auch (von der Revision unbestritten) festgestellt, dass der Revisionswerber für das Jahr 2014 in Italien keine Steuern entrichtet habe. Es ist daher nicht ersichtlich, wie die fälschliche Annahme eines alleinigen Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaats gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA‑Italien (an Stelle eines Quellenbesteuerungsrechts Italiens gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA‑Italien mit Anrechnung im Ansässigkeitsstaat) den Revisionswerber in Rechten verletzt haben könnte.

13 In der Revision werden sohin im Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. März 2022

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