Normen
B-VG Art135 Abs3
Geschäftsverteilung LVwG NÖ
Geschäftsverteilung LVwG NÖ §5 Abs13
LVwGG NÖ 2014 §4 Abs2
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §28 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050159.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) ‑ soweit im Revisionsverfahren relevant ‑ den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde T. vom 29. Juli 2020, mit dem die Berufung der Revisionswerberin gegen den die nachträgliche Bewilligung der Errichtung eines Wintergartens versagenden Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde T., auf. Es verwies die Angelegenheit in diesem Umfang gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Gleichzeitig sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass es sich bei dem zur Bewilligung eingereichten Objekt um ein bereits errichtetes handle, welches aus einem Stahltragsystem mit aus Glas geschlossenen Flächen sowie einem verglasten Pultdach bestehe. Das Objekt solle als Abstellraum verwendet werden und sei nicht zum längeren Aufenthalt von Personen bestimmt. Es sei statisch vom Wohngebäude getrennt und an drei Seiten geschlossen, während die vierte Seite ‑ Richtung Hausmauer des Wohngebäudes ‑ offen sei.
3 Rechtlich folgerte es, dass es sich bei diesem Objekt um ein eigenes Gebäude, somit um ein Nebengebäude, handeln würde. In dem maßgeblichen Bebauungsplan, der eine maximale Gebäudebreite von zehn Metern vorsehe, werde auf den Begriff Nebengebäude nicht abgestellt. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei das Nebengebäude daher nicht in die maximal zulässige Gebäudebreite einzurechnen. Da weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde eine Prüfung des Projekts auf seine Vereinbarkeit mit sonstigen gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt hätten, würden im gesamten behördlichen Verfahren Ermittlungsschritte zu den Grundlagen der Bewilligungsfähigkeit des Vorhabens, insbesondere dessen Vereinbarkeit mit bautechnischen Vorgaben, zur Gänze fehlen. Auch die Beeinträchtigung von Nachbarrechten müsse geprüft werden. Daher würden die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen und sei die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
4 Der Zuweisung des Aktes an den erkennenden Richter liege die Abnahme des Geschäftsfalles von der zuvor zuständigen Richterin durch eine Verfügung des Personal‑ und Geschäftsverteilungsausschusses zugrunde. Die Zuweisung an den erkennenden Richter sei in sinngemäßer Anwendung des § 10 Abs. 9 der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich erfolgt (Anmerkung: Richter der betreffenden Zuweisungsgruppe mit der geringsten Zuweisungszahl).
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass der erkennende Richter unzuständig gewesen sei. Die zuständige Richterin sei erkrankt und ihr seien sämtliche anhängigen Geschäftsfälle abgenommen worden. Diese hätten nach den allgemeinen Vertretungsregeln verteilt werden müssen, aber nicht an den erkennenden Richter zugeteilt werden dürfen, dem nach den Vertretungsregeln der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes 13 andere Richter vorgegangen wären.
10 Gemäß § 4 Abs. 2 NÖ Landesverwaltungsgerichtsgesetz dürfen einem Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes die ihm nach der Geschäftsverteilung zufallenden Geschäfte nur durch Verfügung des Personal‑ und Geschäftsverteilungsausschusses abgenommen werden, wenn es 1. verhindert ist und dies zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges erforderlich ist oder 2. wegen des Umfangs der Aufgaben und deren Erledigung innerhalb einer angemessen Frist gehindert ist. Diese einfachgesetzliche Regelung findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 135 Abs. 3 B‑VG (vgl. sinngemäß VwGH 18.5.2020, Ra 2019/18/0354, mwN). Die Revisionswerberin bringt selbst vor, dass die zuständige Richterin erkrankt sei. Die Vertretungsregeln einer Geschäftsverteilung greifen regelmäßig für gewöhnliche Verhinderungen, nicht jedoch für eine längere Verhinderung, bei der ein ordnungsgemäßer Geschäftsgang nicht gewährleistet werden kann. Während im ersten Fall keine Aktenabnahme und Neuzuteilung zu erfolgen hat, ist im zweiten Fall die Aktenabnahme durch den Personal‑ und Geschäftsverteilungsausschuss zu verfügen; die Neuzuteilung erfolgt nach § 5 Abs. 13 der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich. Die von der Revisionswerberin angesprochene Neuzuteilung nach den allgemeinen Vertretungsregeln findet in der Geschäftsverteilung keine Deckung.
11 Soweit die Revisionswerberin in ihrer Begründung zur Zulässigkeit der Revision vorbringt, dass das Verwaltungsgericht in der Sache hätte entscheiden müssen, zeigt sie keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Das von der Revisionswerberin angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, besagt zwar, dass die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstelle. Der Verwaltungsgerichtshof führt in dem Erkenntnis jedoch weiter aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen habe, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
12 Die Zulässigkeit der Aufhebung und Zurückverweisung ist auch dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht eine andere Rechtsauffassung als die Verwaltungsbehörde vertritt und sich daraus erst die Notwendigkeit zu Ermittlungen in eine andere Richtung oder zu sonstigen Maßnahmen ergibt (vgl. Köhler in Köhler/Brandtner/Schmelz, VwGVG, § 28 VwGVG Rn. 97, und die dort zitierte hg. Judikatur).
13 Da die zuständige Verwaltungsbehörde ‑ anders als das Verwaltungsgericht, dessen Rechtsansicht vorliegend nicht bekämpft wird ‑ davon ausging, dass der Zubau der maximal zulässigen Gebäudebreite von zehn Metern hinzuzurechnen sei, hat sie, wie oben festgehalten, keinerlei Ermittlungsschritte zur Zulässigkeit des beantragten Bauwerks an sich getätigt. Im konkreten Fall konnte die Revisionswerberin daher kein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzeigen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 B‑VG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. März 2022
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