VwGH Ra 2020/15/0119

VwGHRa 2020/15/011925.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler LL.M, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Linz in Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. September 2020, Zl. RV/5101067/2016, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2011 bis 2014 (mitbeteiligte Partei: S GesbR in L, vertreten durch die Denkmair Hutterer Hüttner Waldl Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Blumauerstraße 3‑5), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z8

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150119.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei erwarb am 2. Oktober 2011 ein Wohngebäude (Zweifamilienhaus) und erzielte in der Folge Einkünfte aus der Vermietung dieses Objekts. Auf Vorhalt teilte die mitbeteiligte Partei dem Finanzamt unter anderem mit, dass als Grundanteil der erworbenen Liegenschaft 20% des Kaufpreises inklusive Nebenkosten ausgeschieden worden sei. Der Restbetrag (Anschaffungskosten des Gebäudes) sei einer Absetzung für Abnutzung von 5% unterworfen worden. Sie legte ein am 8. Februar 2013 unterfertigtes Gutachten zur Ermittlung der Restnutzungsdauer des gegenständlichen Gebäudes vor, demzufolge die Restnutzungsdauer 20 Jahre betrage. In weiterer Folge wurden die Feststellungen von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2011 bis 2014 erklärungsgemäß veranlagt.

2 Im Zuge einer Außenprüfung, die unter anderem die einheitliche Gewinnfeststellung der Jahre 2011 bis 2013 (sowie Nachschauzeitraum 1/2014 bis 9/2014) zum Gegenstand hatte, beanstandete die Betriebsprüfung die Restnutzungsdauer des Gebäudes sowie die Aufteilung der Anschaffungskosten auf Gebäude und Grund und Boden. In diesem Zusammenhang wurde von der Mitbeteiligten betreffend die Aufteilung der Anschaffungskosten ein am 18. April 2015 unterfertigtes „Gutachten über die Kaufpreisaufteilung einer bebauten Liegenschaft in die Wertanteile Grund und Boden und Gebäude“ eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen vorgelegt, demzufolge der Grundanteil der erworbenen Liegenschaft 25% der Anschaffungskosten betrage. In einer Stellungnahme des Bundesweiten Fachbereichs Bewertung und Bodenschätzung wurden beide von der Mitbeteiligten vorgelegte Gutachten in wesentlichen Punkten angezweifelt.

3 Das Finanzamt folgte der Betriebsprüfung, nahm die Verfahren hinsichtlich Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2011 bis 2013 wieder auf und erließ neue Sachbescheide. In dem Bescheid betreffend das Jahr 2014 anerkannte das Finanzamt weder die kürzere Nutzungsdauer noch die Kaufpreisaufteilung auf Grund und Boden.

4 Gegen sämtliche Bescheide erhob die Mitbeteiligte fristgerecht Beschwerden. Die Beschwerden wurden ‑ auf Antrag der Mitbeteiligten ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ‑ dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmen als unbegründet ab und gab den Beschwerden gegen die Feststellungsbescheide hinsichtlich der Nichtanerkennung der kürzeren Restnutzungsdauer Folge. Zur Wiederaufnahme führte es aus, dass mit dem Gutachten zur Kaufpreisaufteilung der belangten Behörde erstmalig den Verkehrswert des Grund und Bodens betreffende Tatsachen zur Kenntnis gebracht worden seien, weshalb ein Wiederaufnahmegrund vorliege.

6 Zu den Sachbescheiden stellte das Bundesfinanzgericht fest, die Anschaffung des Gebäudes sei zum Zweck der Vermietung durch die mitbeteiligte Partei erfolgt. Das sich auf der Liegenschaft befindliche Gebäude sei im Jahr 1922 errichtet, worden; im Jahr 1962 sei ein Zubau erfolgt. Bei dem Gebäude handle es sich um ein zweigeschoßiges Zweifamilienwohnhaus mit jeweils einer Wohnung im Erdgeschoß und einer Wohnung im Obergeschoß. Die sich im Obergeschoß befindliche Wohnung sei bis zum Verkauf an die Mitbeteiligte durch den bisherigen Eigentümer selbst zu Wohnzwecken genutzt worden. Die sich im Erdgeschoß befindliche Wohnung sei vermietet worden. Das Mietverhältnis sei nach dem Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft von der Mitbeteiligten zunächst übernommen und in weiterer Folge aufgelöst worden. Im Jahr 2012 sei eine Generalsanierung des Gebäudes erfolgt. Mit der Generalsanierung seien im Wesentlichen im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Mitbeteiligte vorhandene Baumängel/‑schäden beseitigt worden. So sei im Zuge der Sanierung eine bislang fehlende Dämmung gegen Schall, Wärme und Feuchtigkeit ergänzt worden; zudem seien „mangelhafte Verarbeitung und konstruktive und optische Mängel“ beseitigt worden. Konkret habe die Sanierung folgende Maßnahmen umfasst: Entfernung alter Fußböden und Wandbeläge wie Fliesen und Tapeten; Entfernung Estrich; Abschlagen des Innenputzes; Entfernung der Eternitfassade samt Dämmung; Herstellung von Wärmedämmungen im Bereich der Bodenplatte Erdgeschoss, der Decke über dem Erdgeschoss, der obersten Geschoßdecke (Dachboden); teilweise Erneuerung des Estrichs; Freilegung erdberührter Wohnungsaußenmauer; Flachdach ‑ Erneuerung der Abdichtung und Herstellung einer zeitgemäßen Dämmung; teilweise Erneuerung der Elektro‑, Heizungs- und Sanitärinstallation, sowie Erneuerung der Sanitäreinrichtung; Erneuerung Fußboden‑/Wandbeläge (Fliesen, Parkett); Austausch der Fenster und der Terrassentüren sowie der Wohnungseingangstüren/‑innentüren; Herstellung Wärmedämmverbundsystem statt Eternitfassade mit Dämmung; Erneuerung von Stiegengeländern/Absturzsicherungen; Malerarbeiten. Es seien keine Baumaßnahmen durchgeführt worden, die einer baubehördlichen Anzeige- oder Bewilligungspflicht unterliegen würden. Ab Dezember 2012 bzw. Jänner 2013 sei durch die Mitbeteiligte eine Vermietung der beiden sich in der gegenständlichen Liegenschaft befindlichen Wohnungen erfolgt. Eine Vermietung beider Wohnungen sei bereits im Zeitpunkt der Anschaffung beabsichtigt worden.

7 Hinsichtlich der für das Revisionsverfahren noch strittigen Restnutzungsdauer führte das Bundesfinanzgericht aus, die Befundaufnahme sei im Februar 2013, somit rund 1 Jahr und 4 Monate nach dem Erwerb der Liegenschaft und nach der im Jahr 2012 durchgeführten Sanierung des Gebäudes erfolgt. Die Festlegung der Restnutzungsdauer sei den Ausführungen im Gutachten zufolge im Wesentlichen anhand eines vor der Sanierung gegebenen Bauzustandes sowie auf der Grundlage eines im Jahr 2011 von Baumeister I durchgeführten Lokalaugenscheines erfolgt. Darüber hinaus seien der Bebauungsplan sowie ein unmittelbar vor der Sanierung des Gebäudes im März 2012 erstellter Energieausweis bei der Befundaufnahme berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund sei dem gegenständlichen Gutachten im Hinblick auf das vom Bundesfinanzgericht zu berücksichtigende Beweismaß die Beweiskraft betreffend die im Zeitpunkt der Anschaffung der Liegenschaft im Jahr 2011 anzusetzende Restnutzungsdauer des Gebäudes nicht abzusprechen. Insbesondere erweise sich der Umstand, dass das Gutachten nach einer zwischenzeitig durchgeführten Sanierung des Gebäudes erstellt worden sei, aufgrund der vor der Durchführung der Sanierung erstellten Fotodokumentation und des von einem Mitarbeiter des Gutachters vor der Sanierung durchgeführten Lokalaugenscheins nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht als der Beweiskraft abträglich. Soweit der Bundesweite Fachbereich Bewertung und Bodenschätzung einwende, dass die Restnutzungsdauer zum Stichtag 1. Februar 2013 ermittelt worden sei, sei dem zu entgegnen, dass aus dem Titel des gegenständlichen Gutachtens („Gutachten zur Ermittlung der Restnutzungsdauer vor Sanierung“) sowie aus den im Gutachten erfolgten inhaltlichen Ausführungen deutlich hervorgehe, dass Gegenstand des Gutachtens die Festlegung der Restnutzungsdauer vor der im Jahr 2012 erfolgten Sanierung gewesen sei. Vor dem Hintergrund obiger Erwägungen erscheine das gegenständliche Gutachten schlüssig und erweise sich die gutachterlich festgestellte Restnutzungsdauer von 20 Jahren insbesondere im Hinblick auf das Alter des Gebäudes sowie im Hinblick auf die vom Gutachter festgestellten Baumängel als nachvollziehbar. Vom Bundesfinanzgericht werde somit eine Restnutzungsdauer von 20 Jahren gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen angenommen. Von der einmal gewählten Nutzungsdauer könne in der Folge nur wegen einer Änderung der Nutzung (Verwendung) abgegangen werden, oder wenn die Schätzung der Nutzungsdauer auf irrtümlichen Sachverhaltsannahmen beruht hat und nunmehr eine bessere Einsicht vorliege. Eine Änderung der Nutzung könnte sich im Beschwerdefall allenfalls aus einem Vorliegen nachträglichen Herstellungsaufwandes ergeben. Diesfalls wäre die Restnutzungsdauer neu zu schätzen, wenn sich durch den nachträglichen Herstellungsaufwand die Restnutzungsdauer des Gebäudes insgesamt verlängert. Im Revisionsfall sei allerdings kein Herstellungsaufwand getätigt worden. Vor diesem Hintergrund könne auch eine von der zum Zeitpunkt der Anschaffung festgelegten Nutzungsdauer abweichende Neufestsetzung des AfA‑Satzes ab dem Jahr 2013 nicht mit der im Jahr 2012 durchgeführten Generalsanierung des Gebäudes begründet werden.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das vorgelegte Gutachten zur Restnutzungsdauer sei unschlüssig. Das Bundesfinanzgericht habe sich nicht auf nachvollziehbare Weise mit der Schlüssigkeit des Gutachtens auseinandergesetzt. Das Gutachten sei am 8. Februar 2013 erstellt worden und „vor Sanierung“ tituliert, aber auf den 1. Februar 2013 als Bewertungsstichtag bezogen. Ein Gutachten über die Restnutzungsdauer zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes sei nicht vorgelegt worden. Es fehle ein gutachterlicher Bezug vom Befund zur ermittelten Restnutzungsdauer. Es würden zwar im Gutachten eine Reihe von Baumängeln und Bauschäden ins Treffen geführt, allerdings ohne jedwede sachliche bzw. ziffernhafte begründende Darstellung oder etwaigen schlüssigen Bezug auf ihre Auswirkung auf die Restnutzungsdauer. Das Bundesfinanzgericht hätte sich mit der Frage befassen müssen, ob das Gutachten überhaupt Mängel nachvollziehbar beschreibe, die einen Einfluss auf die Qualität der Bauausführung und folglich die Restnutzungsdauer hätten. Es sei ein Eingehen auf den Gesamtzustand des Gebäudes und insbesondere dessen tragende Teile unumgänglich.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

10 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

11 Nach § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 zählen Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§ 7 und 8) zu den Werbungskosten. Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage als Absetzung für Abnutzung (AfA) geltend gemacht werden.

12 Mit der Vorschrift des § 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988 stellt das Gesetz die Vermutung im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt; die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung mit der Behauptung des Vorliegens einer kürzeren Restnutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen, wobei ein solcher Beweis im Regelfall durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erbringen ist (vgl. VwGH 10.8.2005, 2002/13/0132, mwN).

13 Die voraussichtliche Nutzungsdauer ist ab dem sich aus § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 ergebenden Zeitpunkt (insbesondere dem Zeitpunkt der Anschaffung) zu ermitteln. Ein Gutachten, das von der Nutzungsdauer im Zeitpunkt einer späteren Erstellung des Gutachtens ausgeht, ist daher bereits vom Ansatz her methodisch verfehlt (vgl. VwGH 22.6. 2001, 2000/13/0175). Erfolgt die Befundaufnahme längere Zeit nach dem Bewertungsstichtag, wird der Gutachter daher auch Aussagen darüber zu treffen haben, auf Grund welcher Anhaltspunkte (Vorliegen zeitnaher Dokumentationen, Hinweise auf vorgenommene Erhaltungsarbeiten, Nutzungsintensität) aus dem vorgefundenen Ist-Zustand auf die zum früheren Bewertungsstichtag gegebenen Verhältnisse geschlossen werden konnte (vgl. VwGH 20.12.2006, 2002/13/0112).

14 Die Revision moniert, dass das Gutachten zum Stichtag 1. Februar 2013 und nicht auf den Tag der Anschaffung bezogen wurde. Die Bezeichnung „vor Sanierung“ sei zu ungenau und gebe keinen konkreten Bewertungsstichtag wieder. Das Bundesfinanzgericht ist aufgrund der klaren Bezeichnung des Gutachtens als „vor Sanierung“ und der Heranziehung der Fotodokumentation des Gebäudes vor der Sanierung davon ausgegangen, dass der Stichtag 1. Februar 2013 nur versehentlich angegeben wurde. Auch wenn die Bezeichnung „vor der Sanierung“ keinen konkreten Stichtag bezeichnet, begegnet die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts, dass das Gutachten ‑ auf Basis einer Fotodokumentation vor Sanierung und eines Lokalaugenscheines im Jahr 2011 ‑ auf den Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes bezogen war, keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.

15 Die Revision bringt auch vor, dass dem Gutachten ein nachvollziehbarer gutachterlicher Bezug vom Befund zur ermittelten Restnutzungsdauer fehle.

16 Mit diesem Vorbringen ist die Revision im Recht.

17 Ein vom Steuerpflichtigen zum Nachweis der Nutzungsdauer vorgelegtes Gutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung durch die Behörde. Während für die Gesamtnutzungsdauer eines neu errichteten Wohngebäudes in erster Linie die Bauweise maßgebend ist, hängt die Restnutzungsdauer eines erworbenen Gebäudes vornehmlich auch vom Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbes ab; hierbei ist auch auf Beeinträchtigungen aus verschiedensten Ursachen und auf die Vernachlässigung der notwendigen Erhaltungsarbeiten Bedacht zu nehmen. Als Umstände, auf Grund derer eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes angenommen werden kann, kommen z.B. ein schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme in Betracht (vgl. VwGH 29.3.2007, 2004/15/0006, mwN).

18 Das Bundesfinanzgericht hat ‑ mit Ausnahme von Ausführungen zu dem Stichtag des Gutachtens ‑ keine konkreten Überlegungen zur Folgerichtigkeit des Gutachtens angestellt. Die Auseinandersetzung beschränkt sich auf den nicht weiter begründeten Satz, dass das Gutachten schlüssig sei und sich die festgestellte Restnutzungsdauer von 20 Jahren insbesondere im Hinblick auf das Alter des Gebäudes sowie die festgestellten Baumängel als nachvollziehbar erweise.

19 Das Gutachten erweist sich allerdings in mehrerlei Hinsicht als methodisch verfehlt.

20 Im Gutachten wird tabellarisch ‑ getrennt nach Altbau und Zubau ‑ die technische Lebensdauer der einzelnen Komponenten der Gebäude angegeben. Für den Altbau gibt die Tabelle für die konstruktiven Teile des Gebäudes ‑ also die Fundamente, Mauerarbeiten und Beton- und Stahlbetonarbeiten ‑ eine Restnutzungsdauer von 45 Jahren an; beim Neubau eine solche von 35 bis 50 Jahren. Die nicht konstruktiven Teile des Gebäudes, wie Innenputz, Außenputz, Böden, Fenster, Geländer, Elektro‑, Gas- und Wasserinstallationen, werden mit einer Restnutzungsdauer von 0 bis 15 Jahren angeführt.

21 Das Gutachten nimmt sodann eine Ermittlung der Restnutzungsdauer durch Errechnung eines Durchschnittswertes aus den technischen Nutzungsdauern der einzelnen Gebäudekomponenten, wie etwa auch des Innen- und Außenputzes und der Fenster, vor und kommt dadurch zu einer Restnutzungsdauer des gesamten Gebäudes von 20 Jahren zum Stichtag.

22 Damit entspricht das Gutachten aber nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Nutzungsdauer ist aus dem Bauzustand abzuleiten, der sich aus dem Mauerwerk bzw. den konstruktiven haltbaren Bauteilen ergibt (vgl. VwGH, 23.5.2007, 2004/13/0091, Kirchmayr/Wimmer in Doralt et al, EStG22, § 8 Tz 25, mwN; zum Abstellen auf die Nutzungsdauer des Stahlbetonskeletts siehe VwGH 16.12.2015, 2012/15/0230). Die kürzere Nutzungsdauer einzelner anderer Gebäudebestandteile, wie etwa Innenputz, Außenputz, Böden, Fenster, Geländer, Anstrich, Tapeten, Elektro‑, Gas- und Wasserinstallationen, rechtfertigt es nicht, für ein Haus eine geringere als die sich aus den konstruktiven und haltbaren Bauteilen ergebende technische Gesamtnutzungsdauer abzuleiten (vgl. schon VwGH 11.6.1965, 2011/64).

23 Es lässt sich darüber hinaus auch nicht nachvollziehen, wie die Restnutzungsdauer der konstruktiven haltbaren Gebäudeteile ermittelt wurde. Auf Seite 13 des Gutachtens wird ausgeführt, dass keine Verlängerung der Restnutzungsdauer zu berücksichtigen sei, weil seit der Errichtung bis zum Bewertungsstichtag keine Modernisierungsarbeiten erfolgt seien. Die Restnutzungsdauer sei nach der Gesamtnutzungsdauer abzüglich des Alters des Gebäudes unter Berücksichtigung von Bauschäden und Modernisierungen erfolgt. Ob die Restnutzungsdauer dahingehend ermittelt wurde, dass von der Gesamtnutzungsdauer das Alter des Gebäudes abgezogen wurde, ist ebenso unklar, wie der Umstand, inwieweit die Bauschäden in die Berechnung der Restnutzungsdauer Eingang gefunden haben. Dies ergibt sich auch nicht aus anderen Stellen des Gutachtens. Das Gutachten enthält zu den konstruktiven Elementen lediglich Aussagen wie beispielsweise „normale Unterhaltung mittleren Umfanges“ oder „reparaturbedürftig“. Eine nachvollziehbare Schlussfolgerung aus den festgestellten Schäden bzw. dem Bauzustand auf die verbleibende Restnutzungsdauer lässt sich daraus nicht ableiten.

24 Eine Ermittlung der Restnutzungsdauer durch den Abzug des Alters des Gebäudes von der Gesamtnutzungsdauer ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls nicht zulässig (vgl. VwGH 25.4.2001, 99/13/0221). Es ist vielmehr vom technischen Bauzustand ausgehend die verbleibende Restnutzungsdauer zu schätzen (vgl. VwGH 25.5.2016, 2013/15/0187; 23.5.2007, 2004/13/0091, mwN).

25 Zu Recht weist das Finanzamt auch darauf hin, dass die zeitnah erfolgte Sanierung des Gebäudes nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben kann. Die Restnutzungsdauer eines Gebäudes ist zwar grundsätzlich zum jeweiligen Stichtag und nicht unter Berücksichtigung einer fiktiven Sanierung zu beurteilen. Ist eine Sanierung ‑ gemessen an den Erträgen aus der Vermietung ‑ wirtschaftlich vertretbar, dann kann allerdings unterstellt werden, die erforderlichen Arbeiten würden wie sonst laufende Erhaltungsarbeiten umgehend nachgeholt und wären daher bei der Beurteilung der Restnutzungsdauer schon im Zeitpunkt des Erwerbs des Gebäudes mitzuberücksichtigen (vgl. VwGH 26.6.1984, 84/14/0001; siehe zu einer berücksichtigten Sanierung bei der Restnutzungsdauer 23.5.2007, 2004/13/0052).

26 Das verfahrensgegenständliche Gutachten ist somit methodisch verfehlt. Das Bundesfinanzgericht hat sich mit dem Gutachten nicht inhaltlich auseinandergesetzt und die Behauptung der mitbeteiligten Partei ungeprüft übernommen.

27 Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, hat das Bundesfinanzgericht das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. Mai 2022

Stichworte