VwGH 84/14/0001

VwGH84/14/000126.6.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl , über die Beschwerde des KB und der RB, beide in B, sämtlich vertreten durch Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, Hauptplatz 34/1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat 3, vom 10. November 1983, Zl. B 291-3/81, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1978, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1967 §9 Abs1 Z6 lita;
EStG 1972 §16 Abs1 Z8;
EStG 1972 §7 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984140001.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern zu Handen ihres Vertreters Aufwendungen in der Höhe von S 8.385,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer erwarben 1978 je zur Hälfte ein im Zentrum von R. gelegenes Grundstück samt darauf befindlichem, ungefähr um die Jahrhundertwende erbauten Miethaus um den Kaufpreis von S 600.000,--. In der Erklärung der Einkünfte nicht gewerbesteuerpflichtiger Gemeinschaften für 1978 machten die Beschwerdeführer unter anderem als Werbungskosten Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von S 34.238,-- geltend (S 4.238,-- davon entfallen auf im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittige AfA für Einrichtungsgegenstände).

Im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Streitjahr berücksichtigte das Finanzamt AfA nur in der Höhe von S 13.695,--.

Die Beschwerdeführer beriefen und brachten vor, bei Annahme einer Gesamtnutzungsdauer von 100 Jahren ergebe sich noch eine Restnutzungsdauer von 20 Jahren. Auch von den Vorbesitzern seien keine Reparaturen oder größere Investitionen vorgenommen worden. Samt Nebenkosten habe der Anschaffungspreis S 658.950,-- betragen; nach Abzug der auf Grund und Boden (126 m2) entfallenden Anschaffungskosten verblieben für das Gebäude S 600.000,--, die auf 20 Jahre zu verteilen seien. Im Berufungsverfahren legten die Beschwerdeführer ein Gutachten der Hoch- und Tiefbau Ing. J. Gesellschaft m.b.H. vor, in dem ausgeführt ist, daß die Außen- und Mittelmauern des gegenständlichen Gebäudes infolge Fehlens einer Horizontalisolierung sehr stark durchfeuchtet seien. Feuchte Mauerputzflächen seien auch im Bereich der Außen- und Hoffassaden sichtbar. Der Innenputz sei in einigen Räumen gänzlich abgeschlagen. Die Fußböden seien in den Erdgeschoßräumen teilweise abgetragen, teilweise seien sie schadhaft. Auf Grund dieser Schäden und des Bauzustandes könne mit einer Restnutzungsdauer von 25 Jahren gerechnet werden.

Mit einer Berufungsvorentscheidung, in der der Berufung insofern teilweise stattgegeben worden war, als die Restnutzungsdauer mit 40 Jahren angenommen worden war, waren die Beschwerdeführer nicht einverstanden und beantragten die Vorlage ihrer Berufung an die belangte Behörde als Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde entsprach der Berufung mit dem nun angefochtenen Bescheid im Umfang der Berufungsvorentscheidung. In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Sachverhalt wieder (sie stellte auch fest, daß die von den Beschwerdeführern durchgeführten Reparaturen 1978 S 9.904,--, 1979 S 22.771,--, 1980 S 5.265,-- und 1981 S 266,-- ausgemacht hätten), zitierte die in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften - wobei sie sich auch auf die hg. Rechtsprechung bezog - und führte sodann, soweit das für das verwaltungsgerichtliche Verfahren noch von Bedeutung ist, im wesentlichen aus:

Beim Erwerb eines alten Gebäudes sei im Regelfall davon auszugehen, daß in den zum Zeitpunkt des Erwerbes getätigten Anschaffungskosten die bis dahin eingetretene Wertminderung des Gebäudes schon entsprechend berücksichtigt sei, so daß eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf vor dem Erwerb liegende Zeiten bei der AfA-Berechnung nicht in Betracht komme, daß aber auch das Ausmaß der restlichen Nutzungsdauer nach der konkreten baulichen Beschaffenheit des alten Gebäudes unter Bedachtnahme auf die noch zu gewärtigende Dauer der Nutzung zu ermitteln sei. Dabei sei zu bedenken, daß gerade ältere Objekte bekanntermaßen aufwendiger gebaut worden seien und daher im Einzelfall eine längere Nutzungsdauer hätten als etwa Neubauten mit einer geschätzten Nutzungsdauer von durchschnittlich 75 bis 100 Jahren. Dem vorgelegten Gutachten könne nicht entnommen werden, daß die festgestellten Mängel am Gebäude für die Bausubstanz des Hauses bedrohlich wären. Der Hinweis auf Durchfeuchtungen von Mauerteilen sage noch nichts über die Restnutzungsdauer eines Hauses aus, da moderne technische Einrichtungen eine Trockenlegung feuchter Mauerstellen auf Dauer ermöglichten. Auch seien abgeschlagene Innenputzflächen oder beschädigte Fußböden keine besonderen Schäden, die die Verwendungsdauer eines um die Jahrhundertwende errichteten Altbaues wesentlich verkürzen könnten. Die Unterstellung einer 25-jährigen Restnutzungsdauer könne auch deshalb nicht als allein zutreffende Schätzung der objektiven Nutzungsmöglichkeit angesehen werden, weil kein Mensch - auch ein Sachverständiger nicht - in der Lage sei, mit mathematischer Sicherheit vorauszusagen, ob ein Altgebäude, betrachtet vom Standpunkt seines Erwerbes, noch eine technische Nutzungsdauer von 25 Jahren haben werde. Für die Annahme des Finanzamtes spreche indes, daß seit dem Ankauf des Gebäudes aktenkundig noch keine nennenswerten Reparaturen angefallen seien, welche - zöge man die zivilrechtliche Verpflichtung des bestandgebenden Hauseigentümers auf Behebung ernster Schäden eines Miethauses in Betracht - auf einen nicht standardgemäßen Bauzustand hätten schließen lassen. Die in der Niederschrift vom 11. Mai 1983 "bekanntgegebenen Restaurierungen" würden ausnahmslos geringfügige Instandhaltungsarbeiten betreffen, wie z.B. Malerarbeiten, Dachreparaturen, Reparaturen von Naßeinheiten, u.dgl., wie sie bei jedem älteren Gebäude regelmäßig erforderlich seien. Daraus folgerte die belangte Behörde, die Annahme einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren durch das Finanzamt sei zutreffend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1972 gehört zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch die AfA betreffend das die Einkünfte erbringende Gebäude. Daß im vorliegenden Fall Bemessungsgrundlage für die AfA die Anschaffungskosten sind, ist ebenso unbestritten wie deren maßgebende Höhe. § 7 Abs. 1 leg. cit. normiert, daß die in der AfA bestehende Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes ausgehend von der Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung für ein Wirtschaftsjahr zu bestimmen ist. Bei Gebäuden, die in gebrauchtem Zustand entgeltlich erworben werden, ist die vom Zeitpunkt des Erwerbes an voraussichtlich verbleibende Restnutzungsdauer für die Ermittlung des auf ein Jahr entfallenden Absetzungsbetrages maßgebend, wobei für die Festlegung der Restnutzungsdauer der Bauzustand entscheidend ist (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1972, Zl. 1909/70, Slg. Nr. 4350/F). Die Restnutzungsdauer kann - auch hier befindet sich die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der hg. Judikatur - mathematisch nicht exakt festgestellt werden; Schätzungselemente für ihre Bestimmung sind unvermeidbar (siehe z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1980, Zl. 3133/79, dessen Entscheidungsgründe die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung zum Teil wörtlich wiederholt).

Nun stützt die belangte Behörde ihren Bescheid wesentlich auch darauf, daß bei "älteren Objekten" wegen ihrer aufwendigen Bauweise im Einzelfall eine längere Nutzungsdauer als die bei Neubauten durchschnittlich mit 75 bis 100 Jahren geschätzte Nutzungsdauer erwartet werden kann. Das trifft sicherlich in vielen Fällen zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. November 1972, Zl. 2364/71). Die belangte Behörde verweist jedoch selbst zutreffend auf den "Einzelfall". Allein dadurch, daß die belangte Behörde ohne Ermittlungen darüber, ob das beschwerdegegenständliche Gebäude von so solider Bauweise ist, daß eine 40-jährige Restnutzungsdauer ab 1978 unbedenklich angenommen werden kann, diese Frage bejaht hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet.

Die belangte Behörde ist ferner davon ausgegangen, daß die in dem erwähnten, von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten aufgezählten Mängel zum Teil geringfügig seien, zum Teil durch entsprechende Maßnahmen auf Dauer beseitigt werden könnten (Trockenlegung). Allgemein mag zutreffen, daß Schäden an einem erworbenen Haus dessen Restnutzungsdauer ab dem Zeitpunkt des Erwerbes nicht wesentlich beeinflussen. Das trifft aber nach dem weiter oben zitierten Erkenntnis dann nicht zu, wenn es sich um Schäden handelt, die den für die Restnutzungsdauer ausschlaggebenden Bauzustand betreffen. Ob nun eine dauernde Trockenlegung, wie sie der belangten Behörde vorschwebt, tatsächlich geeignet ist, statt der geschätzten 25-jährigen Restnutzungsdauer die von der belangten Behörde - naturgemäß ebenfalls im Schätzungsweg - angenommene 40-jährige Restnutzungsdauer zu rechtfertigen, hängt nicht nur von der technischen Durchführbarkeit der Trockenlegung, sondern auch von den damit verbundenen Kosten ab. Nur wenn diese in einem - an den wirtschaftlichen Erträgen des Gebäudes gemessen - vertretbaren Ausmaß stehen, kann unterstellt werden, die erforderlichen Arbeiten würden wie sonstige laufende Erhaltungsarbeiten nachgeholt und wären daher bei der Beurteilung des Bauzustandes schon im Zeitpunkt des Erwerbes des Gebäudes gewissermaßen mitzuberücksichtigen. Die belangte Behörde hat, da sie in diesem Punkt von einer falschen Rechtsansicht ausgegangen ist, auch hier die nötigen Ermittlungen unterlassen, nämlich Feststellungen über den im besonderen kostenmäßigen Umfang der Investitionen, die nach ihrer Meinung geeignet wären, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Restnutzungsdauer als angemessen erscheinen zu lassen.

Bereits aus dem Gesagten ergibt sich, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes und mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat. Da der Aufhebungsgrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit vorgeht, war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, ohne daß es notwendig war, auf alle Einzelheiten der Beschwerde einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Danach beträgt der pauschale Schriftsatzaufwand nicht S 10.000,--, sondern S 8.060,--. Stempelgebühren für Beilagen waren nur in dem Umfang zu ersetzen, als solche nach den gesetzlichen Vorschriften zu entrichten waren. Für die auf der Vollmachtsurkunde angebrachten Stempelmarken war kein Ersatz zuzusprechen, da dieser Urkunde zu entnehmen ist, daß sie bereits vor der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde für eine Reihe anderer Verfahren am 29. März 1978 ausgestellt worden ist.

Wien, am 26. Juni 1984

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