VwGH Ra 2020/15/0053

VwGHRa 2020/15/005322.2.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des D G in B, vertreten durch Dr. Bertram Schneider, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 6845 Hohenems, Nibelungengasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Mai 2020, Zl. RV/1100098/2017, betreffend Umsatz‑ und Einkommensteuer 2011 bis 2015, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §22
EStG 1988 §47
GmbHG §15
UStG 1994 §1 Abs1 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150053.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Beim Revisionswerber, einem Unternehmensberater, der den Sitz seines Einzelunternehmens im Juli 2005 nach Liechtenstein und im Oktober 2006 in die Schweiz verlegte, fand eine Außenprüfung statt. Im Gefolge der Prüfung ging das Finanzamt mit der Begründung, die Tätigkeit des Revisionswerbers bestehe darin, die ausschließlich österreichischen Kunden in deren Betrieben zu betreuen und zu begleiten, vom Bestehen einer österreichischen Betriebsstätte aus und rechnete dieser Betriebsstätte 90% der erwirtschafteten Einnahmen zu. Eine dagegen gerichtete Berufung wies der unabhängige Finanzsenat mit Bescheid vom 15. März 2013, RV/0471‑F/10, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2005 bis 2007 und Einkommensteuer 2005 bis 2009, als unbegründet ab. Die Zuordnung der Einkünfte zu den Betriebsstätten wurde auch im Rahmen eines Verständigungsverfahrens bestätigt, das vom Revisionswerber angeregt worden war.

2 Mit Einreichung des Jahresabschlusses 2010 teilte der Revisionswerber dem Finanzamt mit, er habe mit Kaufvertrag vom 30. Juni 2010 seinen Kundenstock um 15.600 € an die X GmbH mit Sitz in der Schweiz, an deren Stammkapital er (1%), seine Ehefrau (34%) und sein Stiefsohn (65%) beteiligt seien, veräußert. Ungeachtet dessen rechnete ihm das Finanzamt auch in den Umsatz‑ und Einkommensteuerbescheiden 2011 bis 2015 die Einkünfte aus der Betreuung der Kunden zu.

3 Begründend führte das Finanzamt aus, der Revisionswerber habe seinen inländischen Kunden um den 1. Juli 2010 herum Werkverträge mit dem Inhalt vorgelegt, dass die unternehmensberatende Leistung ab 1. Juli 2010 nicht mehr von ihm, sondern von der X GmbH in der Schweiz erbracht werde. Gleichzeitig habe er ihnen zugesichert, dass sich am Betreuungsverhältnis nichts ändern werde. Tatsächlich habe er gegenüber seinen inländischen Kunden auch nach dem 1. Juli 2010 die zuvor angebotenen Leistungen erbracht. Die dafür erforderlichen Daten seien von den Kunden an die österreichische E‑Mail‑Adresse des Revisionswerbers übermittelt worden, er sei über eine inländische Telefonnummer erreichbar gewesen und die Honorare der Kunden seien auf ein österreichisches Bankkonto überwiesen worden, auf dem der Revisionswerber zeichnungsberechtigt sei.

4 Die Werkverträge zielten inhaltlich auf mit einem Controlling-Programm erstellte Analysen ab. Der Revisionswerber erstelle ‑ anhand der von den Kunden übermittelten Daten ‑ diese Analysen und bespreche sie mit den Kunden vor Ort. Er verfüge an seinem Wohnort in Österreich über ein häusliches Arbeitszimmer, in dem er die einlangenden Daten verarbeite. Er habe bei einer am 5. Dezember 2016 erfolgten Vorsprache im Finanzamt auch eingeräumt, die Beratungstätigkeit gegenüber den inländischen Kunden allein und eigenverantwortlich erbracht zu haben.

5 Das Finanzamt gehe davon aus, dass alle Chancen und Risiken, die mit der Beratungstätigkeit verbunden seien, beim Revisionswerber lägen. Daher könne der Unternehmenserfolg nur bei ihm persönlich erfasst werden. Die mit der X GmbH abgeschlossenen Werkverträge stellten Hülsen zur Verschleierung der Einkünftezurechnung bzw. zur Verlagerung der Besteuerungsrechte aus der Beratungstätigkeit in die Schweiz dar. Dort unterlägen die Einkünfte einer geringeren Besteuerung und die Verlustvorträge der X GmbH könnten verwertet werden. Auch die abschöpfbaren Einkünfte des Revisionswerbers, über dessen Vermögen im Jänner 2013 ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei, könnten so erheblich reduziert werden.

6 Die für die Tätigkeit eines Unternehmensberaters erforderliche Ausstattung (Schreibtisch, Notebook, E-Mail-Adresse, Telefon, Bankkonto) stünde dem Revisionswerber in Österreich zur Verfügung. Sein Schreibtisch befinde sich im häuslichen Arbeitszimmer. Es werde nicht angezweifelt, dass der Revisionswerber des Öfteren am Sitz der X GmbH in der Schweiz anwesend sei. Dies diene aber nicht seiner Arbeit als Unternehmensberater, weil er die erforderlichen Kundendaten per E-Mail ausschließlich im häuslichen Büro in Österreich empfange oder persönlich im Betrieb abhole. Fallweise würden sie auch von Mitarbeitern der Kunden in den Briefkasten eingeworfen, der sich am österreichischen Wohnsitz des Revisionswerbers befinde.

7 Das Vorbringen, der Revisionswerber habe für seine Leistungen ab dem Jahr 2010 von der X GmbH keine Entlohnung erhalten, ändere nichts daran, dass ihm die mit der Beratungstätigkeit verbundenen Entgelte und Erträge zuzurechnen seien, zumal das Überlassen von Einkünften an die X GmbH eine steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung darstelle.

8 Der Revisionswerber erhob gegen die Umsatz‑ und Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2015 Beschwerde und führte begründend aus, die Umsatzsteuer folge, anders als die Einkommensteuer, dem Zivilrecht. Schuldner der Umsatzsteuer sei grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen auftrete. Ob dieser die Leistung höchstpersönlich erbringe, sei ohne Bedeutung. Selbst bei Treuhandschaften komme es zur Zurechnung der Umsätze an den Treuhänder. Im Revisionsfall sei ‑ auf Basis der abgeschlossenen Beraterverträge ‑ ausschließlich die X GmbH gegenüber den Leistungsempfängern berechtigt und verpflichtet. Eine Zurechnung der Umsätze an den Revisionswerber komme nicht in Betracht.

9 Was die Einkommensteuer betreffe, befänden sich alle vom Revisionswerber betreuten Mandanten in einem Vertragsverhältnis mit der X GmbH. Nur die X GmbH könne die sich aus der Tätigkeit des Revisionswerbers ergebenden Marktchancen nutzen. Der Revisionswerber habe den Kundenstock an die X GmbH übertragen und sei nicht berechtigt, die Kunden auf eigene Rechnung weiter zu betreuen.

10 Dass der Revisionswerber seine Tätigkeit für die X GmbH unentgeltlich erbringe, bewirke keine vom Zivilrecht abweichende Einkünftezurechnung. Eine Zurechnung der Einkünfte an die natürliche Person, die die Leistung physisch erbringe, sei nur bei organschaftlichen Vertretern oder bei Vorliegen höchstpersönlicher Tätigkeiten denkbar. Beides läge im Revisionsfall nicht vor.

11 Mandanten hingen am Berater und machten ihren Verbleib bei der Gesellschaft oft davon abhängig, dass sie von diesem weiterhin betreut würden. Folgte man dem Finanzamt, so müsste man die Einkünfte aus dem Mandat weiterhin dem jeweiligen Berater zuweisen, was in der Praxis nicht geschehe.

12 Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass im Rahmen einer Betriebsnachfolge ein bislang als Einzelunternehmen geführter Betrieb in die GmbH des Nachfolgers eingebracht werde und der Übergeber in der Folge unentgeltlich in der GmbH tätig sei und dort bestimmte Kunden weiter betreue. Niemand käme in einer solchen Konstellation auf die Idee, die Einkünfte dem Übergeber zuzurechnen. Es liege eine dem Nachfolger zuzurechnende Nutzungseinlage in die GmbH vor.

13 Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin der Revisionswerber deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.

14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, der Revisionswerber habe dem Finanzamt bei der Einreichung der Steuererklärungen für das Jahr 2010 mitgeteilt, dass er seinen Kundenstock als Unternehmensberater per 30. Juni 2010 an die X GmbH mit Sitz in der Schweiz verkauft habe, an der er und seine Ehefrau als Gesellschafter beteiligt seien. Gesellschafter und Vorsitzender der Geschäftsführung sei der Stiefsohn des Revisionswerbers und als weiterer Geschäftsführer scheine im Handelsregister ein Schweizer Staatsbürger auf. Der Revisionswerber sei bei der X GmbH nicht angestellt und stehe auch in keinem Werkvertragsverhältnis zu dieser Gesellschaft, deren Unternehmenszweck u.a. die Entwicklung, der Betrieb und die Wartung von Internetplattformen und die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Unternehmens‑, Organisations‑, Marketing‑ und Softwareberatung sei. Der an die X GmbH veräußerte Kundenstock bestehe ausschließlich aus österreichischen Kunden des Revisionswerbers.

15 Strittig sei, ob die im Streitzeitraum erzielten Einkünfte aus Unternehmensberatung dem Revisionswerber oder der X GmbH zuzurechnen seien.

16 Zurechnungssubjekt von Einkünften sei derjenige, der aus der Tätigkeit das Unternehmerrisiko trage, der also die Möglichkeit besitze, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern; die rechtliche Gestaltung sei dabei nur insoweit maßgebend, als sich in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts anderes ergebe.

17 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die tatsächliche, nach außen in Erscheinung tretende Gestaltung der Dinge maßgeblich. Dabei sei für die Beurteilung der Außenwirkung die allgemeine Lebenserfahrung von großer Bedeutung. Trete ein Arbeitnehmer nicht explizit im eigenen Namen auf, seien die Einkünfte dem Arbeitgeber zuzurechnen. Trete eine Gesellschaft nach außen auf, könne deren Existenz nicht verneint werden. Es sei aber zu prüfen, ob die Gesellschaft den vorgegebenen Zwecken diene. Könne die Gesellschaft die vorgegebenen Zwecke nicht erfüllen (z.B. mangels einer entsprechenden Infrastruktur), könnten ihr keine Einkünfte zugerechnet werden.

18 Die Übertragung von Einkünften aus Beratungsleistungen von A auf B sei steuerlich nur anzuerkennen, wenn B tatsächlich nach außen auftrete und die Leistungen erbringe. Trete hingegen A nach außen auf und erfolge nur der Zufluss bei B, seien die Einkünfte weiterhin A zuzurechnen und der Zufluss bei B stelle bloße Einkommensverwendung dar. Bei der Einkünftezurechnung an ausländische Körperschaften sei nach der Judikatur und Verwaltungspraxis zudem das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft erforderlich.

19 Grundlage des hier zu beurteilenden Sachverhalts sei das Vorbringen des Revisionswerbers, er habe seinen (ausschließlich österreichische Kunden umfassenden) Kundenstock im Jahr 2010 an eine Schweizer GmbH, deren Gesellschafter er, seine Gattin und sein Stiefsohn seien, verkauft.

20 Die umfangreichen Ermittlungen des Finanzamts hätten ergeben, dass der Revisionswerber seine im Inland ansässigen Kunden auch nach 2010 ausschließlich persönlich betreut habe, indem er zu Beratungsgesprächen in ihren inländischen Betrieben erschienen sei, für sie telefonisch unter einer österreichischen Nummer erreichbar gewesen sei und die für seine Analysen erforderlichen Daten an seine österreichische E-Mail Adresse übermittelt oder in den Postkasten seiner Wohnung in Österreich, in der er seit jeher ein Büro unterhalten habe, eingeworfen worden seien. Kein Kunde sei jemals im Büro der X GmbH gewesen und keiner habe den Stiefsohn des Revisionswerbers und Geschäftsführer der X GmbH gekannt.

21 Selbst der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers habe eingeräumt, dass sich der an die X GmbH veräußerte Kundenstock ausschließlich aus österreichischen Kunden zusammensetze und dass diese Kunden nach wie vor vom Revisionswerber betreut würden.

22 Die im Zuge der Ermittlungen persönlich befragten Kunden hätten sich nur nach ausdrücklicher Nachfrage an den Abschluss von Werkverträgen mit der X GmbH erinnert, verbunden mit der gleichzeitigen Zusicherung des Revisionswerbers, es werde sich für sie an dem Betreuungsverhältnis nichts ändern.

23 Ein im Akt aufliegender Werkvertrag vom 1. Juli 2010 enthalte u. a. die Vereinbarungen, dass die monatliche Lagebesprechung immer am Firmensitz des Auftraggebers stattfinden werde, dass er monatliche Auswertungen immer in schriftlicher Form erhalten werde, dass die monatlichen zahlbaren Honorare auf das Konto einer österreichischen Bank zu überweisen seien und dass die vom Fachverband Unternehmensberatung und Datenverarbeitung der Bundeswirtschaftskammer Österreich herausgegebenen „Honorarrichtlinien für Unternehmensberater“ gelten würden. Als Gerichtsstand für den Fall eines Rechtsstreites aus der Vereinbarung werde ein österreichisches Gericht festgelegt.

24 In zusammenfassender Würdigung sei es also der Revisionswerber gewesen, der mit einer starken Präsenz nach außen die Marktchancen genützt, die Leistungen erbracht und gesteuert und das Unternehmerrisiko getragen habe. Er sei als dominante Persönlichkeit aufgetreten, die Honorare seien auf ein österreichisches Bankkonto der X GmbH, auf dem er zeichnungsberechtigt gewesen seien, überwiesen worden. Indem er die ihm übergebenen oder übermittelten Daten ausgewertet, Analysen erstellt und Beratungsgespräche in den Betrieben abgehalten habe, habe er über die Leistungserbringung disponiert.

25 Eine geschäftliche Verbindung mit der X GmbH sei im aktiven Bewusstsein der Kunden nicht verankert gewesen. Erst über Nachfrage hätten sich einige von ihnen daran erinnert, im Jahr 2010 einen Werkvertrag mit der X GmbH unterschrieben zu haben. Für sie sei die Vertragsunterfertigung nicht relevant gewesen, weil ihnen der Revisionswerber gleichzeitig zugesichert habe, an dem Betreuungsverhältnis werde sich auch in Zukunft nichts ändern.

26 Die Frage eines explizit im eigenen Namen erfolgenden Auftretens des Revisionswerbers stelle sich nicht, weil für die Kunden ohnehin kein Zweifel daran bestanden habe, dass der Revisionswerber als natürliche Person ihr Vertragspartner sei. Auch hätten sie weder ein in der Schweiz gelegenes Büro der X GmbH, noch deren Geschäftsführer gekannt.

27 Eine Übertragung der Einkünfte aus Beratungsleistungen vom Revisionswerber auf die X GmbH komme nicht in Betracht, weil diese Gesellschaft nach außen nicht in Erscheinung getreten sei und die Beratungshonorare nicht auf ein Schweizer Bankkonto dieser Gesellschaft überwiesen worden seien. Vielmehr sei der Außenauftritt, die gesamte geschäftliche Betreuung und die Vereinnahmung der Honorare auf ein ihm zuzurechnendes inländisches Konto ausschließlich dem Revisionswerber oblegen, weshalb ihm die Einkünfte aus der Tätigkeit als Unternehmensberater zuzurechnen seien.

28 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil die Frage der Zurechnung von Einkünften bereits vielfach Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gewesen sei.

29 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Erkenntnis weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach es für die Umsatzsteuer darauf ankommen, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet sei Auch im Bereich der Einkommensteuer habe sich das Bundesfinanzgericht in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gesetzt, indem es u.a. das „Trennungsprinzip“ zwischen der Gesellschafts‑ und Gesellschaftersphäre missachtet habe.

30 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

32 Die Revision ist zulässig und begründet.

33 Auf dem Gebiet der Umsatzsteuer ist Leistender hinsichtlich der Lieferungen und sonstigen Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, wer die Leistungen im eigenen Namen erbringt (vgl. z.B. VwGH 25.7.2013, 2011/15/0151; und 22.11.2006, 2003/15/0143). Entscheidend ist im Allgemeinen, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 254 und 258).

34 Zurechnungssubjekt von Einkünften ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derjenige, der die Möglichkeit besitzt, die sich ihm bietenden Marktchancen auszunützen, Leistungen zu erbringen oder zu verweigern. Maßgeblich ist in erster Linie die tatsächliche, nach außen in Erscheinung tretende Gestaltung der Dinge. Dabei ist eine rechtliche Gestaltung nur dann unmaßgebend, wenn sie dem wirtschaftlichen Gehalt nicht entspricht (vgl. VwGH 4.9.2014, 2011/15/0149; und 27.8.2008, 2006/15/0013).

35 Für die Zeit nach dem 30. Juni 2010 schloss die X GmbH Werkverträge mit den vormaligen Kunden des Revisionswerbers ab. Die Werkverträge weisen die X GmbH als Leistungserbringerin auf. Die Honorare für die ab 1. Juli 2010 erbrachten Leistungen wurden den Kunden von der X GmbH in Rechnung gestellt und die Kunden haben die jeweils verrechneten Beträge auf ein österreichisches Bankkonto, das auf die X GmbH als Kontoinhaberin lautet, überwiesen. Der Streit geht darüber, ob der Revisionswerber umsatzsteuerlich als Erbringer der ab 1. Juli 2010 verrechneten Leistungen anzusehen ist und ihm die für diese Leistungen verrechneten Honorare ertragsteuerlich zuzurechnen sind.

36 Das Bundesfinanzgericht vertrat im angefochtenen Erkenntnis den Standpunkt, der Revisionswerber sei als Erbringer der verrechneten Leistungen anzusehen, und begründet dies im Wesentlichen damit, dass er seine Kunden auch nach dem 30. Juni 2010 ausschließlich persönlich betreut habe, in den inländischen Betrieben der Kunden erschienen und für diese unter einer österreichischen Telefonnummer und E-Mailadresse erreichbar gewesen sei. Eine geschäftliche Verbindung mit der X GmbH sei im aktiven Bewusstsein der Kunden, die sich erst über Nachfrage an den Abschluss von Werkverträgen mit der X GmbH erinnert hätten, nicht vorhanden gewesen. Kein Kunde sei jemals am Sitz dieser Gesellschaft in der Schweiz gewesen oder habe deren Geschäftsführer gekannt. Ein im Akt aufliegender Werkvertrag vom 1. Juli 2010 enthalte ‑ so das Bundesfinanzgericht weiter ‑ u. a. die Vereinbarungen, dass die monatliche Lagebesprechung immer am Firmensitz des Auftraggebers stattfinden werde, dass dieser monatliche Auswertungen in schriftlicher Form erhalten werde, dass die monatlichen zahlbaren Honorare auf das Konto einer österreichischen Bank zu überweisen seien und die von der Bundeswirtschaftskammer Österreich herausgegebenen „Honorarrichtlinien für Unternehmensberater“ gelten würden. Auch als Gerichtsstand für den Fall eines Rechtsstreites aus der Vereinbarung werde ein österreichisches Gericht festgelegt.

37 Als Leistender gilt auf dem Gebiet der Umsatzsteuer, wer die Leistungen im eigenen Namen erbringt bzw. im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist. Im gegenständlichen Fall wurden die Leistungen ab 1. Juli 2010 aufgrund von Werkverträgen zwischen der X GmbH und den Kunden erbracht. Die Werkverträge weisen ausschließlich die X GmbH als Leistungserbringerin aus. Die Werkverträge regeln dabei die von der X GmbH gegenüber den Kunden zu erbringenden Leistungen samt den dabei einzuhaltenden Modalitäten und setzen das Entgelt fest, welches der X GmbH für ihre Leistungen gebührt. Im jeweiligen Werkvertrag wird eine Bankverbindung der X GmbH angeführt, auf welche das Entgelt zu überweisen ist, und es sind Bestimmungen zu Vertragsdauer und Kündigung enthalten.

38 Dass die X GmbH gegenüber den ehemaligen Kunden des Revisionswerbers nach außen als Unternehmerin aufgetreten ist, ist im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt evident. Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die X GmbH den Kunden Honorare ohne Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt hat („Leistungen gem. § 9 iVm § 10 Z 4 UStG 1994 ‑ Übergang der Steuerschuld gem. § 19 Abs. 1“ UStG 1994, vgl. § 4 des im Verwaltungsakt einliegenden Werkvertrages; auf die Frage einer allfälligen inländischen Betriebsstätte der X GmbH ist hier nicht einzugehen) und diese Honorare auf ein ‑ wenn auch österreichisches ‑ auf die X GmbH lautendes Bankkonto überwiesen wurden. Konkrete Feststellungen dahingehend, dass den Werkverträgen der X GmbH mit den Kunden des Revisionswerbers keine Relevanz zugekommen wäre, weil es sich dabei um Scheingeschäfte handle, traf das Bundesfinanzgericht nicht. Solche Feststellungen wären aber für die Annahme, der Revisionswerber habe die in Rede stehenden Leistungen im eigenen Namen erbracht bzw. er sei im Außenverhältnis zu deren Erbringung verpflichtet gewesen, erforderlich.

39 Genauso wenig hat das Bundesfinanzgericht die Feststellung getroffen, der Revisionswerber habe seine Leistungen an die ‑ im Wesentlichen seinen Angehörigen zuzurechnende ‑ X GmbH gegen eine Entlohnung, also nicht unentgeltlich erbracht. Das Bundesfinanzgericht führt zwar aus, die Honorare seien auf ein dem Revisionswerber „zuzurechnendes inländisches Konto“ geflossen, lässt aber dazu konkrete Feststellungen vermissen. Das Bundesfinanzgericht geht damit auch nicht von einer umsatzsteuerbaren Leistungserbringung des Revisionswerbers an die X GmbH aus.

40 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher, soweit es die Umsatzsteuer betrifft, als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

41 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 4. September 2014, 2011/15/0149, welches die sogenannte Drittanstellung von Geschäftsführern (Erbringung von Geschäftsführungsleistungen über eine weitere GmbH) betraf, u.a. ausgesprochen: „Wenn die Drittanstellung eines Geschäftsführers ernsthaft gewollt ist und dementsprechend durchgeführt wird, sind dem Geschäftsführer die Bezüge seitens der ihn beschäftigenden Gesellschaft und der verleihenden Gesellschaft jene Entgelte zuzurechnen, die ihr für die Gestellung des Geschäftsführers zufließen [...]. Da die steuerliche Betrachtung die Trennung zwischen der Gesellschafts‑ und Geschäftsführersphäre erfordert [...], gilt dies auch, wenn der Geschäftsführer alleiniger Gesellschafter der gestellenden Kapitalgesellschaft ist, es sei denn die Zwischenschaltung erfolgte nur zur Umgehung der sonst anfallenden lohnabhängigen Abgaben (§ 22 f BAO).“

42 Das Bundesfinanzgericht hat die aus den gegenständlichen Leistungen resultierenden Honorare bzw. Einkünfte aus den oben angeführten Gründen auch ertragsteuerlich unmittelbar dem Revisionswerber zugerechnet. Dass der Revisionswerber die Kunden auch nach dem 30. Juni 2010 weiterbetreut hat, rechtfertigt eine solche Zurechnung allerdings nicht, weil diese Betreuung im Namen der X GmbH erfolgt ist. Die Tatsache, dass der Revisionswerber seine abschöpfbaren Einkünfte im 2013 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren erheblich reduziert hat, mag zwar ein Indiz für das allfällige Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung darstellen. Dieses enthebt das Bundesfinanzgericht aber nicht davon, diese Gestaltung aus dem Blickwinkel der §§ 22 f BAO in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Im Übrigen ist das Bundesfinanzgericht auch in Bezug auf Einkommensteuer nicht davon ausgegangen, dass die X GmbH dem Revisionswerber (für von ihm an die X GmbH erbrachte Leistungen) geldwerte Vorteile zugewendet hat. Auf die Frage einer allfälligen Betriebsstätte der X GmbH ist auch hier nicht einzugehen.

43 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher insgesamt als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

44 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Februar 2022

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