VwGH Ra 2020/07/0046

VwGHRa 2020/07/004620.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des F L in G, vertreten durch DI Dr. Peter Benda, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 2/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 4. März 2020, Zl. LVwG 533.28‑1914/2019‑11, betreffend einen Teilungsplan nach dem Steiermärkischen Agrargemeinschaftengesetz 1985 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Agrarbezirksbehörde für Steiermark; mitbeteiligte Parteien: 1. F H, 2. J H und 3. M H, alle in G, 4. D K in G, 5. Ing. Mag. J P in S, 6. H S in G, 7. T S in G, 8. A S in G, 9. J S in G, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Dr. Brigitte Haßlinger & Mag. Christian Planinc, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, 10. I E S und 11. M S, beide in G, und 12. M U in G), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020070046.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 27 KG 66004 D. Nördlich und westlich dieser Liegenschaft ‑ jedoch nicht unmittelbar angrenzend ‑ verläuft ein öffentlicher Weg. Zwischen der Liegenschaft des Revisionswerbers und dem Weggrundstück liegen nördlich das Grundstück Nr. 465/3 und westlich das Grundstück Nr. 465/4. Auf dem GSt. Nr. 465/3 und der Liegenschaft des Revisionswerbers befindet sich grenzüberschreitend ein L‑förmiges Wirtschaftsgebäude.

2 Die mitbeteiligten Parteien sind die Mitglieder der Agrargemeinschaft „B D“. Über ihren Antrag hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. Oktober 2015 das Spezialteilungsverfahren hinsichtlich der Gemeinschaftsliegenschaft dieser Agrargemeinschaft nach den §§ 7 ff Steiermärkisches Agrargemeinschaftengesetz 1985 (StAgrGG 1985) eingeleitet. Nach dem Einleitungsbescheid sind unter anderem die GSt. Nrn. 465/3 und 465/4 Teil dieser Gemeinschaftsliegenschaft.

3 Die belangte Behörde führte am 20. April 2017 eine mündliche Verhandlung im Spezialteilungsverfahren durch. Dabei erhob der Revisionswerber Einwendungen, in denen er näher begründet vorbrachte, seine Rechtsvorgänger hätten das GSt. Nr. 465/3 durch Nutzung des teilweise darauf befindlichen Wirtschaftsgebäudes gutgläubig ersessen.

4 Mit Bescheid vom 19. Juni 2017 wies die belangte Behörde diese Einwendungen mit der Begründung zurück, dass der Revisionswerber kein Mitglied der Agrargemeinschaft sei und daher keine Parteistellung im Spezialteilungsverfahren genieße. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse angesichts der behaupteten Ersitzung habe am Zivilrechtsweg zu erfolgen. Dieser Bescheid wurde über Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 11. September 2017 ersatzlos behoben, weil sich nach § 47 Abs. 3 StAgrGG 1985 die Zuständigkeit der Agrarbehörde im Rahmen eines bescheidmäßig eingeleiteten Teilungsverfahrens auch auf Streitigkeiten über Besitz und Eigentum an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken erstrecke und daher jemandem, der Eigentum an einem solchen Grundstück infolge Ersitzung behauptet, in diesem Umgang Parteistellung zukomme.

5 Daraufhin erließ die belangte Behörde am 24. April 2018 einen Bescheid, mit dem es das beanspruchte Eigentumsrecht durch Ersitzung am GSt. Nr. 465/3 des Revisionswerbers als unbegründet abwies. Dieser Bescheid wurde über Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 25. Februar 2019 ersatzlos behoben, weil § 47 Abs. 2 StAgrGG 1985 die Behörde nicht ermächtige, vor Erlassung eines Teilungsplans über strittige Fragen einen „Zwischenbescheid“ zu erlassen. Vielmehr sei der erst zu erstellende Teilungsplan auch dem Revisionswerber gegenüber zu erlassen.

6 In der Folge erließ die belangte Behörde schließlich den Spezialteilungsplan nach § 29 StAgrGG 1985 vom 12. Juni 2019. Darin werden u.a. die GSt. Nrn. 465/3 und 465/4 im Besitzstandsausweis angeführt und schließlich den 8.- und 9.-mitbeteiligten Parteien gegen Abfindung zugewiesen. Dabei wird die Zuweisung des GSt. Nr. 465/3 angesichts der Einwendungen des Revisionswerbers in einem eigenen Kapitel ausführlich begründet und das Vorliegen der behaupteten Ersitzung verneint, weil der Agrargemeinschaft der Beweis der Unredlichkeit des Besitzes der Rechtsvorgänger des Revisionswerbers im Sinne des § 328 ABGB gelungen sei. So hätten die Rechtsvorgänger das Wirtschaftsgebäude von der Agrargemeinschaft gepachtet, wobei zuletzt für das Jahr 2010 eine Pacht von € 15 gezahlt worden sei. Außerdem ergebe sich aus dem Protokollbuch der Agrargemeinschaft, dass der vorletzte Rechtsvorgänger im Jahr 1996 unter anderem das GSt. Nr. 465/3 um S 15 pro m² von der Agrargemeinschaft habe erwerben wollen, wobei dieser Kauf an der erforderlichen Einstimmigkeit der Agrargemeinschaftsmitglieder gescheitert sei, sodass er weiterhin jährlich Pacht gezahlt habe. Schließlich habe der letzte Rechtsvorgänger im Jahr 2011 im Rahmen einer Grenzbegehung und Festlegung der Grenzpunkte u.a. des GSt. Nr. 465/3 das Grenzverhandlungsprotokoll gemeinsam mit dem Obmann der Agrargemeinschaft unterschrieben, ohne in diesem Zusammenhang Eigentumsansprüche zu erheben.

7 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 4. März 2020 als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision dagegen wurde für nicht zulässig erklärt.

8 Dabei erwog das Verwaltungsgericht, soweit von Relevanz für das Revisionsverfahren, dass die im bekämpften Bescheid erfolgte rechtliche Beurteilung des von der belangten Behörde erhobenen Sachverhaltes betreffend die Unredlichkeit des Besitzes der Rechtsvorgänger des Revisionswerbers stringent sei. Die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe ergeben, dass der Eintrag im Protokollbuch aus dem Jahr 1996 eine Kaufabsicht eines Rechtsvorgängers des Revisionswerbers zeige. Der Revisionswerber habe dagegen lediglich vorgebracht, dass er bei dieser Versammlung nicht anwesend gewesen sei und die Unterschrift des Rechtsvorgängers fehle. Dennoch sei nicht davon auszugehen, dass die Agrargemeinschaft diese Kaufabsicht wahrheitswidrig dokumentiert habe. Es sei im Ergebnis davon auszugehen, dass über sehr lange Zeit ein Pachtverhältnis über die betroffenen Grundflächen bestanden habe.

9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es in vorgreifender Beweiswürdigung die vom Revisionswerber beantragten Zeugen nicht vernommen habe. Dass der Rechtsvorgänger des Revisionswerbers u.a. das GSt. Nr. 465/3 habe kaufen wollen, sei widersprüchlich, weil er dieses ja als sein Eigentum angesehen habe, sodass es sich wohl um einen Schreibfehler im Protokollbuch handeln müsse. Schließlich könne das Erkenntnis keinesfalls auf die Teilfläche des GSt. Nr. 465/4 transformiert werden, weil diesbezüglich weder eine Pacht noch eine Kaufabsicht behauptet worden sei.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 16.2.2022, Ra 2021/09/0262, mwN).

14 Der Revisionswerber hat in der Beschwerde vorgebracht, bereits bei der belangten Behörde die Einvernahme von zehn näher genannten Zeugen zum Beweis dafür beantragt zu haben, dass für das Gebäude keine Pacht bezahlt worden sei, sondern für andere Flächen, nämlich das GSt Nr. 465/2 und Teile des GSt. Nr. 465/1, sowie pauschal am Ende der Beschwerde ausgeführt, dass nochmals diese Zeugen „im Sinne der obigen Ausführungen geführt“ werden. Das Verwaltungsgericht hat die unterbliebene Einvernahme dieser Zeugen im angefochtenen Erkenntnis damit begründet, dass diesbezüglich die Angabe gefehlt habe, welche Wahrnehmungen sie zu einem sie nicht betreffenden Rechtsverhältnis zwischen der Agrargemeinschaft und Rechtsvorgängern des Beschwerdeführers bekunden könnten. Es hat damit im Sinne der dargestellten Rechtsprechung die Eignung der Beweismittel zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes verneint.

15 Indem die Revision diesbezüglich bloß auf das Beschwerdevorbringen verweist und dieses wiederholt, zeigt sie nicht auf, dass das Verwaltungsgericht die Eignung der beantragten Beweismittel zur Klärung des relevanten Sachverhalts in unvertretbarer Weise beurteilt hätte.

16 Im Übrigen bekämpft die Revision lediglich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zur Frage der Redlichkeit des Besitzes der Rechtsvorgänger des Revisionswerbers, die sich neben der Zahlung der Pacht vor allem auf den beabsichtigten Kauf des betreffenden Grundstücks und die Umstände der Grenzvermessung im Jahr 2011 stützt.

17 Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. VwGH 23.7.2018, Ra 2016/07/0080, mwN).

18 Eine solche unvertretbare Beweiswürdigung legt die Revision nicht dar, beruht doch die nun erstmals vorgebrachte Vermutung, bei der Eintragung im Protokollbuch zur Kaufabsicht müsse es sich um einen Schreibfehler handeln, auf der - vom Verwaltungsgericht gerade verneinten - Prämisse, der Rechtsvorgänger des Revisionswerbers hätte das GSt. Nr. 465/3 als sein Eigentum angesehen.

19 Hinsichtlich des in der Revision angesprochenen unbebauten GSt. Nr. 465/4 westlich der Liegenschaft des Revisionswerbers ist festzuhalten, dass dieser weder gegenüber der belangten Behörde noch in der Beschwerde gegen den vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid oder in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Ersitzung (auch) dieses Grundstücks behauptet oder sich darauf ausdrücklich bezogen hat. Dementsprechend befassen sich sowohl die belangte Behörde im bekämpften Bescheid als auch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ausschließlich mit der behaupteten Ersitzung des GSt. Nr. 465/3.

20 Einzig in der Beschwerde gegen den (hier nicht gegenständlichen) Bescheid der belangten Behörde vom 24. April 2018 wurde einleitend ausgeführt: „Richtig ist auch, dass in der Verhandlung vom 20.04.2017 [der Revisionswerber] das Eigentumsrecht an den Gst. 465/3 und 465/4 infolge Ersitzung geltend gemacht hat“, obwohl der dort bekämpfte Bescheid keine solche Aussage enthält. Diese Behauptung ist auch aktenwidrig: Nach den schriftlich formulierten und bei der Verhandlung am 20. April 2017 vorgelegten Einwendungen (Beilage C zur Niederschrift vom 20. April 2017, GZ ABB‑2D‑7/1997‑63) hat der Revisionswerber darin ausschließlich das GSt. Nr. 465/3 als Ersitzungsfläche genannt.

21 Dem in der Revision (implizit) erstatteten Vorbringen, die Rechtsvorgänger des Revisionswerbers hätten auch das GSt. Nr. 465/4 (bzw. eine Teilfläche davon) ersessen, steht damit das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im Revisionsverfahren entgegen. Dieses gilt nämlich auch für solche Rechtsausführungen, deren Richtigkeit nur auf Grund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden kann, die deshalb unterblieben sind, weil im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht diesbezüglich nichts vorgebracht wurde. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. jeweils VwGH 18.2.2020, Ra 2020/07/0006, mwN).

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. Juli 2022

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