VwGH Ra 2020/02/0172

VwGHRa 2020/02/01724.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer‑Kober und Mag. Schindler als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des T in G, vertreten durch Mag. Patrick Onyemaechi Kainz, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 24/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. Mai 2020, LVwG‑S‑12/001‑2020, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §44 Abs1
VwGVG 2014 §44 Abs2
VwGVG 2014 §44 Abs3
VwGVG 2014 §44 Abs4
VwGVG 2014 §44 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020172.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 28. November 2019 wurde der Revisionswerber zweier Übertretungen nach der Arbeitsmittelverordnung und dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz schuldig erkannt, weshalb über ihn zwei Geldstrafen verhängt wurden.

2 In der dagegen erhobenen Beschwerde bot der Revisionswerber seine Einvernahme als Beweismittel an und beantragte ausdrücklich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers insofern statt, als es die von der Behörde festgesetzten Geldstrafen (wie auch die Ersatzfreiheitsstrafen) jeweils reduzierte. Ferner setzte es einen Kostenbeitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig. Die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht nicht.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zu ihrer Zulässigkeit u.a. ausführt, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es trotz Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von einer solchen abgesehen und dies nicht begründet habe.

5 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

7 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG in Verwaltungsstrafsachen grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung ist nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen (vgl. VwGH 14.12.2018, Ra 2018/02/0294, mwN).

8 Da im vorliegenden Fall der Revisionswerber in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt hatte, konnte nur mehr nach § 44 Abs. 4 VwGVG von einer solchen abgesehen werden. Dass eine der dort genannten Voraussetzungen vorgelegen wäre, hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis weder begründet, noch ist dies ersichtlich. Das Verwaltungsgericht wäre daher verpflichtet gewesen, die beantragte öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen und hat durch das unbegründete Absehen von der Verhandlung das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Auf weiteres Revisionsvorbringen muss bei diesem Ergebnis nicht mehr eingegangen werden (vgl. VwGH 26.4.2019, Ra 2018/02/0260, Rz 20).

10 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. März 2022

Stichworte