European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019070030.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt A)/I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (belangte Behörde) vom 3. Jänner 2018 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 12, 38 und 102 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung für Anschüttungen auf einer Fläche von 13.800 m2 um im Mittel 20 cm auf näher genannten Grundstücken der KG R. und damit verbunden die Absenkung einer Fläche von 1.200 m2 um 50 cm sowie Verbreiterung eines Entwässerungsgrabens im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich des A.‑Baches nach Maßgabe näher bezeichneter Projektunterlagen unter Auflagen erteilt.
2 Unter Spruchpunkt A)/III. des Bescheides wurde der Antrag der Revisionswerberin als Eigentümerin näher genannter Grundstücke auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren über den Antrag der mitbeteiligten Partei als unzulässig zurückgewiesen.
3 Über die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung des bereits im Behördenverfahren beteiligten wasserbautechnischen Amtssachverständigen durch. Dabei wurde auch in Bezug habende Vorentscheidungen (betreffend ÖBB‑Bahndammdurchlässe; Bewilligung der ursprünglichen Aufschüttungen für ein Ersatzteillager) Einsicht genommen und diese der Verhandlungsschrift als Beilagen angeschlossen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG wurde der Beschwerde der Revisionswerberin mit der Maßgabe keine Folge gegeben, dass ihr im Bescheid der belangten Behörde unter Spruchpunkt A)/III. ausgeführter Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
5 Das LVwG hielt im angefochtenen Erkenntnis unter anderem fest, die mitbeteiligte Partei betreibe im Betriebsbaugebiet O. in der Gemeinde T. ein Ersatzteillager, wofür bestehende Anschüttungen wasserrechtlich bewilligt worden seien. Nunmehr seien die Erweiterung der Lagerflächen und dazu die das verfahrensgegenständliche Gelände gestaltenden Maßnahmen in Form von Anschüttungen und Absenkungen sowie einer Verbreiterung des Entwässerungsgrabens beabsichtigt. Laut Projekt werde ein Retentionsraumverlust von 550 m2 mit einem neu geschaffenen Retentionsraum von 600 m2 (sogar auf HQ100‑Basis) überkompensiert.
6 Der ÖBB‑Bahndamm der Strecke Passau ‑ Wels bilde eine absolute Barriere für den Hochwasserabfluss in Richtung der Liegenschaften der Revisionswerberin, dieser werde durch drei wasserrechtlich bewilligte und errichtete Durchlässe, Nord, Süd‑alt und Süd‑neu, limitiert. Selbst bei Ausführung des Vorhabens (Anschüttungen) ohne irgendwelche Retentionsmaßnahmen seien keine nachteiligen Auswirkungen auf die Grundstücke der Revisionswerberin denkmöglich. Dies gelte umso mehr bei projektgemäßer Ausführung, wonach das Volumen der Anschüttungen durch das Volumen der Geländeabsenkungen übertroffen werde. Die Grundstücke und auch ein von der Revisionswerberin betriebener Hausbrunnen lägen rund 550 m von möglichen Beeinträchtigungen entfernt und zum Teil im 30‑jährlichen Hochwasserabflussbereich der T, wobei auch der A.‑Bach letztlich in die T münde.
7 Davon ausgehend stellte das LVwG fest, dass eine Berührung der Rechte der Revisionswerberin durch das projektgemäße Vorhaben auf jeden Fall denkunmöglich und ausgeschlossen sei. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das LVwG nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsprechung zur Parteistellung in wasserrechtlichen Verfahren zum Ergebnis, dass der Revisionswerberin keine Parteistellung zukomme.
8 Dem Antrag der Revisionswerberin, ihr eine Frist von zumindest sechs Wochen zur Abgabe einer abschließenden schriftlichen Stellungnahme und zur Vorlage einer gegengutachterlichen Stellungnahme einzuräumen, sei nicht zu entsprechen gewesen, weil aufgrund der langen Verfahrensdauer ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden sei, ein fachliches Gegengutachten erstellen zu können. Überdies ergebe sich (aus näher dargelegten Umständen), dass der Revisionswerberin sehr wohl die Projektumstände der erwähnten Durchlässe hätten bekannt sein müssen und daher ihr Antrag bloß verfahrensverzögernde Wirkung entfaltete.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Revision ‑ in umfangreichen, teilweise wiederholenden Ausführungen ‑ ein Verfahrensmangel geltend gemacht. Dazu wird zunächst auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach „durch das stillschweigende Hinweggehen über das Begehren, dem Beschwerdeführer eine entsprechende, das heißt ausreichende Frist zur Vorlage eines Gegengutachtens einzuräumen und dadurch, dass die Behörde auch die Vorlage dieses Gutachten(s) der Aktenlage nach nicht abwartet, [...] die Behörde nicht nur ihre Entscheidung mit einem Begründungsmangel belastet [hat], sondern auch den Beschwerdeführer in seinem aus § 45 Abs. 3 AVG 1950 ableitbaren Parteirecht verletzt [hat], innerhalb einer sachangemessenen Frist zu den Verfahrensergebnissen entsprechend Stellung zu nehmen.“
14 Gegen diese Rechtsprechung verstoße das LVwG, das der Revisionswerberin diese Möglichkeit trotz ihres entsprechenden Antrages in unvertretbarer Weise nicht eingeräumt habe, was zumindest abstrakt geeignet sei, im Fall der Einräumung der beantragten Möglichkeit zur Stellungnahme und Vorlage eines Gegengutachtens zu einer für die Revisionswerberin günstigen Sachverhaltsgrundlage zu führen.
15 Ferner fehle Judikatur betreffend das im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einzuräumende Parteirecht gemäß § 45 Abs. 3 AVG, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein (ergänzendes) Amtssachverständigengutachten in der Beschwerdeverhandlung erstattet werde und dabei erstmals in das Verfahren neu miteinbezogene Verfahrensergebnisse eines anderen Verfahrens in dem Gutachten des Amtssachverständigen Berücksichtigung fänden, in welchem anderen Verfahren die revisionswerbende Partei keine Parteistellung gehabt habe und ‑ wie dies gegenständlich der Fall sei ‑ seit Beendigung des anderen Verfahrens bereits eine längere Zeit verstrichen sei (hier: mehr als zwei Jahre), sodass auch der Inhalt der Verfahrensergebnisse dieses anderen Verfahrens selbst bei anderweitiger Kenntnisnahme der revisionswerbenden Partei dieser nicht mehr bewusst sein habe können.
16 Dabei stelle sich die Frage, wie das Verwaltungsgericht vorzugehen habe, wenn eine Partei die Einräumung einer Frist zur ergänzenden Stellungnahme nach Einsicht in den dem Beschwerdeverfahren neu einbezogenen Verwaltungsakt und zur Vorlage eines Gegengutachtens beantrage (und im Rahmen eines allenfalls vorher in Auftrag gegebenen Gegengutachtens die neuen Verfahrensergebnisse noch gar nicht berücksichtigt hätten werden können).
17 Es sei ‑ wie in der Zulässigkeitsbegründung näher beschrieben wird ‑ erstmals in der Beschwerdeverhandlung auf ein Verfahren der ÖBB (der diesbezügliche Verfahrensakt sei in der Beschwerdeverhandlung beigeschafft worden) Bezug genommen worden. Die Revisionswerberin habe sich mit den Ergebnissen dieses Verfahrens im Zusammenhalt mit den Ergebnissen des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens nicht inhaltlich auseinandersetzen können. Sie habe in der Beschwerdeverhandlung „naturgemäß keine Möglichkeit“ gehabt, in die umfangreichen Aktenunterlagen Einsicht zu nehmen und geeignete Fragen an den Sachverständigen in Kenntnis des Inhaltes des beigeschafften Verfahrensaktes zu stellen.
18 Letztlich sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden, indem dem Antrag der Revisionswerberin auf Einräumung einer Frist zur Stellungnahme nach Einsicht in die Projektunterlagen des ÖBB‑Verfahrens und auf Einräumung einer Möglichkeit zur Vorlage einer gegengutachterlichen Stellungnahme durch das LVwG keine Folge gegeben worden sei.
19 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
20 Bereits die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (VwGH 18.5.2022, Ro 2021/10/0008, mwN; vgl. zur notwendigen Relevanzdarstellung ferner etwa VwGH 22.1.2018, Ra 2017/05/0114; 26.6.2019, Ra 2019/04/0058, jeweils mwN).
21 Diesem Erfordernis einer konkreten Relevanzdarstellung wird die Revisionswerberin mit ihren Zulässigkeitsausführungen nicht gerecht. Darin wird fallbezogen mit keinem Wort ausgeführt, weshalb ‑ hier: aufgrund welcher konkreter Vorbringen oder konkreter fachlicher Darlegungen in einem allfälligen, von der Revisionswerberin vorzulegenden Privatgutachten ‑ die fachkundigen Ausführungen des beigezogenen Amtssachverständigen in Zweifel gezogen werden würden und sich die darauf gestützte Begründung des LVwG als unvertretbar erwiese, somit in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis (nämlich dahingehend, dass eine Beeinträchtigung wasserrechtlich geschützter Rechte der Revisionswerberin durch das verfahrensgegenständliche Vorhaben nicht ausgeschlossen werden könnte) hätte erzielt werden können.
22 Es kann daher dahinstehen, ob bzw. in welchem Ausmaß die Revisionswerberin bereits während der vom LVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung in Kenntnis der Umstände des Verfahrens betreffend die ÖBB‑Bahndammdurchlässe und der diesbezüglichen Projektunterlagen war.
23 Darüber hinaus wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausgeführt, die Revisionswerberin erachte sich in ihrem subjektiv‑öffentlichen Recht gemäß § 12 Abs. 1 WRG 1959 insoweit beschwert, als „ein aufgrund der wasserrechtlich bewilligten T.‑Rregulierung eingeräumter Hochwasserschutz projektbedingt durch die der mitbeteiligten Partei erteilte wasserrechtliche Bewilligung projektbedingt beeinträchtigt wird, in welchem Zusammenhang sich die Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung stellt, ob der im Zuge einer wasserrechtlich bewilligten Gewässerregulierung eingeräumte Schutz vor Hochwässer als bestehendes Recht im Sinne des § 12 Abs. 1 WRG 1959 zu qualifizieren sind.“
24 Im gegebenen Zusammenhang stelle sich weiter die Rechtsfrage, ob Regulierungsmaßnahmen durch die Bewilligung eines anderen wasserrechtlich relevanten Projektes ‑ hier der mitbeteiligten Partei ‑ überhaupt nachträglich beeinträchtigt werden dürften oder ob dadurch in bestehende Rechte im oben angeführten Sinne eingegriffen werde, die der Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer bedürfe, zu deren Schutz die Gewässerregulierung durchgeführt worden sei.
25 Mit diesem Vorbringen entfernt sich die Revisionswerberin vom festgestellten Sachverhalt, wonach ihr Grundeigentum durch das verfahrensgegenständliche Projekt nicht berührt werden kann. Ein über den Schutz des Grundeigentums hinausgehendes, ihr im Zuge einer Gewässerregulierung eingeräumtes „Recht auf Schutz vor Hochwässer“ nach § 12 Abs. 1 WRG 1959 findet keine Grundlage im Gesetz. Die Verletzung eines anderen, nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 wasserrechtlich geschützten Rechts hat die Revisionswerberin nicht geltend gemacht. Mit dem Vorbringen wird daher ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
26 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2022
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