Normen
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
MRK Art8
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021210036.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ein irakischer Staatsangehöriger. Er stellte nach seiner illegalen Einreise in Österreich am 25. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. Oktober 2017, bestätigt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2019, vollumfänglich abgewiesen wurde. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei.
2 Mit Bescheid des BFA vom 8. Juni 2020 wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie erneut eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei. Außerdem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von 18 Monaten erlassen, einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 BFA‑VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und demzufolge gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.
4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte insbesondere fest, dass der Revisionswerber in Österreich eine Freundin habe, mit der er nicht zusammenlebe. Ein Bruder und zwei Cousins sowie ein Onkel des Revisionswerbers lebten ebenfalls in Österreich. Im Irak lebten seine Eltern und fünf Geschwister. Der Revisionswerber habe einfache Deutschkenntnisse und besitze ein „ÖSD Zertifikat A1“. Er sei von 2. bis 26. Mai 2017 und von 20. bis 30. August 2018 in zwei verschiedenen Unternehmen als Lehrling beschäftigt gewesen. Derzeit gehe er keiner Beschäftigung nach, sondern lebe von der Grundversorgung. Er habe einen großen österreichischen Freundes‑ und Bekanntenkreis.
5 Bei seiner Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG leitete das Bundesverwaltungsgericht aus diesen Feststellungen ab, dass eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat für den Revisionswerber aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK nicht unzumutbar sei. Die Abschiebung sei ‑ auch unter Berücksichtigung der aktuellen COVID‑19‑Situation im Irak im Hinblick insbesondere auf das junge Alter des Revisionswerbers ‑ zulässig. Das Einreiseverbot sei sowohl wegen seiner Verletzung der Ausreiseverpflichtung als auch wegen seiner Mittellosigkeit zu verhängen gewesen.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Eine derartige gesonderte Darstellung der Gründe für ihre Zulässigkeit enthält die vorliegende, nach Ablehnung und Abtretung einer Verfassungsgerichtshofsbeschwerde (Beschlüsse vom 24. November 2020 und 11. Dezember 2020 zu Zl. E 3348/2020) ausgeführte Revision nicht. Vielmehr werden unter der Überschrift „Zulässigkeit und Begründung der Beschwerde“ auf mehr als 28 Seiten weitwendig und ungeordnet verschiedene materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Vorwürfe erhoben, die sich nur teilweise auf das angefochtene Erkenntnis beziehen (so ist etwa auch von der Erlassung einer Wohnsitzauflage und einer „Nicht-Erteilung der Duldung“ die Rede). Die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lässt sich der Revision nicht entnehmen.
10 Im Übrigen war die nach Art. 8 EMRK iVm § 9 BFA‑VG vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung jedenfalls nicht unvertretbar. Angesichts des erst fünfjährigen Aufenthalts des Revisionswerbers in Österreich und einer nur durchschnittlich ausgeprägten Integration sowie wegen der erst neun Monate davor erlassenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung durfte das Bundesverwaltungsgericht sogar vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber abzusehen (vgl. VwGH 14.9.2020, Ra 2020/21/0335, Rn. 13).
11 Was das Einreiseverbot betrifft, so wurde es vom BFA und vom Bundesverwaltungsgericht nicht nur auf die Verletzung der Ausreiseverpflichtung, sondern auch auf den Tatbestand der Z 6 des § 53 Abs. 2 FPG gestützt. Danach ist die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne der genannten Bestimmung indiziert, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, weil aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert. Dabei obliegt es dem Fremden initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt, auf den ein Rechtsanspruch bestehen muss, für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0284, Rn. 12, mwN). Einen derartigen Nachweis hat der Revisionswerber, der in der Beschwerde nur auf Unterstützungen durch seine Freundin und Freunde verwiesen hatte, nicht erbracht. Vor diesem Hintergrund kann auch die Beurteilung, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der Dauer von 18 Monaten erforderlich war, nicht als unvertretbar angesehen werden, selbst wenn die Annahme einer ein Einreiseverbot rechtfertigenden qualifizierten Verletzung der Ausreiseverpflichtung unbegründet gewesen sein mag (vgl. dazu VwGH 27.4.2020, Ra 2019/21/0277, Rn. 14, mwN).
12 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2021
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