European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050039.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Gegenständlich geht es darum, dass mit einem Sattel‑Kfz notifizierungspflichtige Abfälle aus Deutschland nach Österreich gebracht wurden, wobei statt des bescheidmäßig vorgesehenen Grenzüberganges W der Grenzübergang B passiert wurde.
5 Das Verwaltungsgericht führte aus, dass nicht § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002, sondern § 79 Abs. 2 Z 19 AWG 2002 verletzt worden sei. Allerdings sei das bekämpfte Straferkenntnis unabhängig davon zu beheben: Der Mitbeteiligte sei gemäß § 9 Abs. 1 VStG als Verantwortlicher der notifizierenden U. GmbH bestraft worden. Die U. GmbH habe sämtliche gemäß §§ 68 und 69 AWG 2002 erforderlichen Bewilligungen, Zustimmungen und Begleitpapiere eingeholt und sichergestellt, dass das Transportunternehmen (G. GmbH) diese Dokumente mitführe und auch auf Verlangen vorweise. Fahrer des Lkw sei S gewesen. Ein Versagen des internen Kontrollsystems der U. GmbH sei nicht zu erblicken, zumal alle erforderlichen Abfalltransportdokumente vorgelegen seien. Der Lkw‑Fahrer habe eigenmächtig die Wahl des Grenzüberganges geändert. Es sei nicht erkennbar, welche zumutbare oder taugliche Maßnahme der Mitbeteiligte hätte setzen können, um die Verwaltungsübertretung zu verhindern. Dem Mitbeteiligten sei Recht zu geben, dass eine lückenlose Überwachung der Fahrt des vom Transporteur eingesetzten Lkw nicht von ihm bzw. der Notifizierenden verlangt werden könne, insbesondere wenn es sich, wie vorliegend, bei dem Transporteur um eine andere juristische Person handle. Taugliche und zumutbare Maßnahmen könnten sich nur auf den eigenen Wirkungs‑ und Verantwortungsbereich des Beschuldigten erstrecken. Eine darüber hinausgehende Kontrollverpflichtung (und damit einhergehende Verantwortung) des Beschuldigten sei weder handels‑, zivil‑ noch verwaltungsstrafrechtlich gedeckt. Ein Verschulden des Mitbeteiligten sei daher nicht anzunehmen.
6 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird unter umfangreicher zutreffender Zitierung von hg. Judikatur dargelegt, dass die Verantwortung für ein Regel‑ und Kontrollsystem gemäß § 5 iVm § 9 VStG auch bei Beauftragung Dritter gelte, und ebenso enthalten die Revisionszulässigkeitsgründe unter umfangreicher Zitierung von hg. Judikatur Ausführungen zu inhaltlichen Anforderungen an ein Regel‑ und Kontrollsystem gemäß § 5 iVm § 9 VStG. Als zumutbare und taugliche Maßnahmen für ein Kontroll‑ und Überwachungssystem hätte beispielsweise die nachweislich schriftlich bestätigte Übernahme und Kenntnisnahme einer aussagekräftigen Routenbeschreibung inklusive zu benützendem Grenzübergang durch den Transporteur bzw. Lkw‑Fahrer angesehen werden können. Aus der Begründung des Verwaltungsgerichtes sei nicht ersichtlich, dass das Vorliegen eines Kontroll‑ und Überwachungssystems anhand sämtlicher vom Verwaltungsgerichtshof festgelegten Kriterien geprüft worden sei.
7 Die Frage, ob ein konkretes Kontrollsystem eines bestimmten Unternehmens ausreichend wirksam gewesen ist, betrifft nur den Einzelfall und stellt als solche keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2017/05/0286, mwN). Kontrollsysteme gleichen einander in der Regel nicht und unterliegen daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 3.3.2020, Ra 2019/04/0125, mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge daher nur dann vor, wenn die entsprechende Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 26.8.2020, Ra 2020/05/0146, mwN).
8 Dass im vorliegenden Einzelfall, der einen bestimmten Transportweg in Bezug auf den Grenzübergang betrifft, dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 20.2.2020, Ra 2020/05/0017 bis 0018, mwN), kann den Revisionszulässigkeitsgründen nicht hinreichend entnommen werden. Der Frage, ob die Umstände des Einzelfalls gegebenenfalls auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 8.9.2016, Ra 2016/06/0057, mwN).
9 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
10 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, darauf einzugehen, ob, wie in den Revisionszulässigkeitsgründen vorgebracht, der Tatbestand des § 79 Abs. 1 Z 15b AWG 2002 erster Satz erfüllt worden ist.
Wien, am 16. März 2021
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