VwGH Ra 2020/21/0483

VwGHRa 2020/21/048315.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I M, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. November 2020, I414 2235599‑1/4E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210483.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nordmazedoniens, kam nach der Heirat mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten, ebenfalls nordmazedonischen Staatsangehörigen im Jänner 2011 ins Bundesgebiet und hält sich hier seit damals durchgehend rechtmäßig auf. Zuletzt verfügte er über eine bis 12. Jänner 2020 gültige „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“; diesbezüglich hatte er am 10. Jänner 2020 fristgerecht einen Verlängerungsantrag gestellt. Der im Dezember 2016 geschiedenen Ehe entstammt die im März 2013 geborene gemeinsame Tochter. Die Obsorge kommt nunmehr der Mutter alleine zu; der Revisionswerber hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter. In Nordmazedonien lebt noch der Vater des Revisionswerbers, zu dem ein gutes Verhältnis besteht.

2 Nachdem der Revisionswerber im April 2017 wegen Betrugs und Verstrickungsbruchs zu einer Geldstrafe und im Mai 2018 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden war, verhängte das Bezirksgericht St. Pölten mit rechtkräftigem Urteil vom 8. November 2019 über den Revisionswerber neuerlich wegen Betrugs und Verletzung der Unterhaltspflicht eine unbedingte Freiheitsstrafe von vier Monaten.

3 Der Revisionswerber wurde sodann mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 8. Juni 2020 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB zu einer teilbedingten Zusatzfreiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt, die er unter Anrechnung der Untersuchungshaft bis zu seiner bedingten Entlassung am 15. September 2020 verbüßte. Dem Schuldspruch zufolge habe der Revisionswerber gewerbsmäßig und mit Bereicherungsvorsatz im Zeitraum 21. August 2018 bis 12. August 2019 mehrere Personen durch Täuschung über Tatsachen und Verwendung gefälschter Urkunden auf näher beschriebene Weise zu Überweisungen und zu Bargeldübergaben in der Höhe von insgesamt 93.463 € veranlasst. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht das umfassende und reumütige Geständnis als mildernd, als erschwerend hingegen die zwei einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von einem Verbrechen und zwei Vergehen bei den einzelnen Fakten, die Tatbegehung während offener Probezeit sowie das mehrfache Überschreiten der Wertgrenze des § 147 Abs. 2 StGB.

4 Seit 22. Oktober 2020 befindet sich der Revisionswerber entsprechend der ihm mit dem letztangeführten Urteil erteilten gerichtlichen Weisung wegen seiner Spielsucht in psychosozialer Betreuung. Seit Anfang November 2020 steht er in einem bis 31. Jänner 2021 befristeten Arbeitsverhältnis als Küchenhilfe in einem Restaurant.

5 Im Hinblick auf die Straftaten des Revisionswerbers erließ das BFA mit Bescheid vom 27. August 2020 gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach „Mazedonien“ zulässig sei. Schließlich räumte das BFA dem Revisionswerber gemäß § 55 FPG eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise ein.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. November 2020 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde insoweit teilweise Folge, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab. Des Weiteren sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 In dieser Hinsicht wendet sich der Revisionswerber gegen die vom BVwG nach § 9 BFA‑VG vorgenommene Interessenabwägung, ohne jedoch aufzuzeigen, dass deren Ergebnis unvertretbar wäre (siehe zur Maßgeblichkeit dieses Maßstabes für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 9.7.2020, Ra 2020/21/0240, Rn. 9, mwN).

11 Entgegen der Meinung in der Revision können die den strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers zugrundeliegenden Taten, die durch einschlägigen Rückfall, die Steigerung in ihrer Intensität sowie zuletzt durch die sehr hohe Schadenssumme und die gewerbsmäßige Begehung gekennzeichnet sind, nicht als „unbedeutend“ bzw. als „kleinere Vergehen“ angesehen werden. Vielmehr ist der das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indizierende Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG in mehrfacher Weise verwirklicht, nämlich wegen rechtskräftiger Verurteilungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen. Darauf hat das BVwG zutreffend hingewiesen und es ist zu Recht auch davon ausgegangen, für die Annahme eines Wegfalls dieser Gefährdung bedürfe es erst eines längeren Wohlverhaltens des Revisionswerbers in Freiheit (siehe dazu, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich ‑ nach dem Vollzug einer Haftstrafe ‑ in Freiheit wohlverhalten hat, aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 29.9.2020, Ra 2020/21/0064, Rn. 15, mwN). Das gilt im vorliegenden Fall im Besonderen, weil das strafrechtliche Fehlverhalten des Revisionswerbers unbestritten im Zusammenhang mit seiner Spielsucht steht und diesbezüglich erst eine Therapie begonnen wurde (vgl. VwGH 14.6.2012, 2009/21/0058).

12 Entgegen der Meinung in der Revision berücksichtigte das BVwG bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG auch alle für den Revisionswerber sprechenden Umstände, insbesondere seinen relativ langen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, seine sehr guten Deutschkenntnisse, die aktuelle Beschäftigung und den Besuch einer Therapie sowie die Bindungen zu seiner Tochter. Insoweit war es aber nicht unvertretbar, eine durch das Einreiseverbot bewirkte (vorübergehende) Einschränkung im öffentlichen Interesse an der Verhinderung derartiger Betrugsdelikte für gerechtfertigt anzusehen, zumal den Interessen des Revisionswerbers und dem Kindeswohl durch eine angemessene Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes vom BVwG ausreichend Rechnung getragen wurde.

13 Soweit in der Revision in diesem Zusammenhang behauptet wird, der Revisionswerber sei mit der Obsorge seiner Tochter betraut, widerspricht dies im Übrigen der Aktenlage (siehe den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 12. Februar 2018, Seite 345 der Verwaltungsakten, wonach die Mutter mit der alleinigen Obsorge für die Tochter betraut wurde). Den Feststellungen des BVwG zufolge war der Revisionswerber lediglich im Zeitraum 7. März 2012 bis 28. Mai 2014 längerfristig „sozialversicherungspflichtig“ beschäftigt. In vier weiteren Arbeitsverhältnissen sei er jeweils nur für wenige Tage bzw. Wochen, zuletzt bis 9. März 2017, erwerbstätig gewesen, sodass eine „berufliche Verfestigung“ nicht vorliege. Diese Annahmen gründete das BVwG beweiswürdigend auf den eingeholten Auszug aus dem „AJ‑WEB“, dessen Inhalt in der Revision nicht in Frage gestellt wird. Anders als in der Revision unterstellt wird, musste das BVwG daher ‑ auch wenn man die vom BFA noch festgestellte selbständige Erwerbstätigkeit bis 30. November 2017 berücksichtigt ‑ nicht davon ausgehen, der Revisionswerber sei in Österreich „durchgehend“ berufstätig gewesen. Schließlich widerspricht das ‑ offenbar den Angaben des Revisionswerbers in der Niederschrift am 14. Juli 2020 folgende ‑ Vorbringen in der Revision, es bestehe wieder eine aufrechte Lebensgemeinschaft mit seiner geschiedenen Ehefrau, deren erkennbar schon vom BFA für glaubwürdig erachteten gegenteiligen Aussage vom 21. August 2020, wonach weder ein gemeinsamer Haushalt noch sonst eine Beziehung bestehe. Dem trat der Revisionswerber in der Beschwerde nicht konkret entgegen, sodass das BVwG die davon abweichende, noch während der Anhaltung in Strafhaft geäußerte Behauptung des Revisionswerbers ohne Weiteres für widerlegt erachten durfte und sie nicht der Interessenabwägung zugrunde legen musste.

14 In der Begründung der Zulässigkeit der Revision wird dann noch ‑ allerdings ohne Nennung entsprechender Quellen ‑ die katastrophale Versorgungslage für Rückkehrer nach Mazedonien „ohne Familienrückhalt“ angesprochen. Daraus ist aber schon deshalb nichts zu gewinnen, weil der Revisionswerber unbestritten in Form seines Vaters einen familiären Anknüpfungspunkt hat und vor seiner Ausreise nach Absolvierung einer Ausbildung zum „diplomierten Juristen“ mehrere Jahre im Ministerium für Migration in Skopje beschäftigt war, sodass das BVwG zu Recht von der ausreichenden Möglichkeit einer Reintegration ausgegangen ist.

15 Der Revision, die im Übrigen in der weiteren Begründung weitgehend fallbezogen nicht passende, andere Rechtsgebiete betreffende Textbausteine enthält, gelingt es somit nicht, im vorliegenden Fall maßgebliche grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG darzulegen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 15. Februar 2021

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