VwGH Ra 2020/14/0148

VwGHRa 2020/14/014830.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7‑11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2020, W159 2183834‑1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140148.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 13. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 und brachte vor, sein Leben in Afghanistan sei in Gefahr gewesen, denn er sei ein Gefangener des IS gewesen.

2 Mit Bescheid vom 15. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 18. Jänner 2021, E 4344/2020‑5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende Revision führt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst aus, das Bundesverwaltungsgericht habe sich bei der Prüfung der Zuerkennung des Asylstatus nicht mit dem Umstand, „der Revisionswerber habe Alkohol verkauft und welche Folgen dies in Bezug auf die Taliban und seine asylrechtliche Verfolgung habe“, auseinandergesetzt. Ebenso habe es sich bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht ausreichend mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinandergesetzt, insbesondere vor dem Hintergrund, er habe die letzten Jahre im Iran verbracht. Zudem habe sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung „nicht ausreichend zur aktuellen gesundheitlichen Situation wegen der weltweiten Corona Pandemie und ihre Auswirkungen auf das afghanische Gesundheits- und Wirtschaftssystem“ auseinandergesetzt.

9 Werden - wie hier - Feststellungs-, Ermittlungs- und Begründungsmängel und somit Verfahrensfehler als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 5.2.2021, Ra 2021/14/0003, mwN).

10 Eine derartige Relevanzdarstellung ist der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht zu entnehmen. Mit dem bloß kursorischen Vorbringen, es hätte erhoben werden müssen, ob bestimmte Umstände vorlägen, wird über weite Strecken nicht konkret dargetan, welche Feststellungen ‑ allenfalls nach weiteren Erhebungen ‑ hätten getroffen werden können. Soweit anhand des Vorbringens ansatzweise festgemacht werden kann, worauf der Revisionswerber abzielt, ist nicht zu sehen, dass aufgrund der angesprochenen Umstände eine andere rechtliche Beurteilung vorzunehmen gewesen wäre.

11 Soweit sich der Revisionswerber gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidungen nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz vorgenommene Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist (vgl. VwGH 2.2.2021, Ra 2020/14/0488, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte im Rahmen der gemäß § 9 BFA‑VG vorgenommenen Interessenabwägung die fallbezogen entscheidungswesentlichen Umstände. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Interessenabwägung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hätte oder die Gewichtung der einbezogenen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien widerspräche.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2021

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