European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020130002.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist die Erbin des verstorbenen D.V., der einen Großhandel mit Baumaschinen betrieb. Im Jahr 2013 erklärte D.V. einen Aufgabegewinn in Höhe von € 450.000, für den er den Hälftesteuersatz gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 in Anspruch nahm.
2 Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass D.V. am 1. November 2013 seinen Kundenstock an die X GmbH veräußert hatte. Er sei zum 1. Jänner 2014 ein unbefristetes Dienstverhältnis als Geschäftsführer der X GmbH eingegangen und habe daraus 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 4.743,72 sowie Aufwandsentschädigungen in Höhe von € 5.787,88 bezogen. Die Prüferin versagte daher die Begünstigung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 und gewährte den Freibetrag in Höhe von € 7.300.
3 Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren geänderte Umsatz‑ und Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2013.
4 Dagegen erhob D.V. fristgerecht Beschwerde und brachte zur Wiederaufnahme betreffend die Einkommensteuer vor, der Neuerungstatbestand sei nicht erfüllt, da sein Dienstverhältnis erst im Jahr 2014 begonnen habe und für das Jahr 2013 nicht von Relevanz sei. Das EStG 1988 räume der Richtigkeit des Periodengewinnes den Vorrang gegenüber dem richtigen Gesamtgewinn ein; der Periodengewinngrundsatz gebe der Behörde nicht das Recht, eine zugunsten des Abgabepflichtigen allenfalls unterlaufene Gesetzwidrigkeit bei der Besteuerung der Vorperioden in der Folgeperiode zu seinen Lasten zu kompensieren. Das Gleiche ergebe sich aus den zeitlichen Bescheidwirkungen. Ein Abgabenbescheid spreche nur für ein bestimmtes Veranlagungsjahr ab, dessen Rechtskraft erstrecke sich nicht auf andere Steuerperioden. Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens sei daher auch unzulässig.
5 In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt, soweit für das Revisionsverfahren von Belang, aus, es stehe zwar die Aufnahme der Erwerbstätigkeit nach Ablauf eines Jahres nach einer Betriebsveräußerung bzw. ‑aufgabe der Begünstigung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 grundsätzlich nicht entgegen. Sei aber im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung von vorneherein die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt, könne von einer Einstellung nicht gesprochen werden. D.V. habe mit 1. November 2013 seinen Kundenstock an die X GmbH veräußert. Er habe seine Geschäftsführungstätigkeit bei dieser Gesellschaft mit 23. Oktober 2013 begonnen. Zwar sei der Dienstvertrag erst am 10. Jänner 2014 mit Gültigkeit ab 1. Jänner 2014 abgeschlossen worden, aber aufgrund der Geschäftsführungstätigkeit bereits ab Oktober 2013 sei ersichtlich, dass eine zukünftige Erwerbstätigkeit bereits 2013 geplant gewesen und keine Einstellung der Erwerbstätigkeit vorgelegen sei. Dabei handle es sich um eine „neue Tatsache“, weshalb die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens zu Recht erfolgt sei. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.
6 Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und gab der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 teilweise Folge. Es traf die Feststellung, dass die Revisionswerberin die Erbin des mittlerweile verstorbenen D.V. sei. Dieser habe einen Großhandel mit Baumaschinen betrieben und mit Stichtag 1. November 2013 seinen Kundenstock an die X GmbH verkauft. Laut Firmenbuchauszug habe D.V. seit 23. Oktober 2013 die Geschäftsführungsagenden bei der Erwerberin des Kundenstockes wahrgenommen. Datiert mit 10. Jänner 2014 sei er mit dieser ein mit 1. Jänner 2014 beginnendes unbefristetes Dienstverhältnis eingegangen und habe aus dieser Tätigkeit 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 4.743,72 sowie Aufwandsentschädigungen in Höhe von € 5.787,88 erzielt. Im Vorlageantrag sei ein Antrag auf Verteilung des Aufgabegewinnes auf drei Jahre gestellt worden. In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht aus, es liege ein Wiederaufnahmegrund vor, weil der Behörde die Gesamtheit der Umstände der Veräußerung des Kundenstockes und das in unmittelbarer zeitlicher Folge mit der Erwerberin des Kundenstockes eingegangene Beschäftigungsverhältnis als Geschäftsführer nicht bekannt gewesen sei. Diese Feststellungen hätten erst im Zuge der Betriebsprüfung getroffen und der vollständige Sachverhalt aufgedeckt werden können. Bezogen auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt könne festgehalten werden, dass D.V. die erste Voraussetzung, nämlich das Erreichen der Altersgrenze, erfüllt habe, weil er 1945 geboren sei und daher im Veräußerungszeitpunkt das 60. Lebensjahr bereits überschritten habe. Voraussetzung für den Hälftesteuersatz nach § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 sei aber auch, dass ein Steuerpflichtiger „seine Erwerbstätigkeit“, also alle Tätigkeiten, die als „Erwerbstätigkeit“ anzusehen seien, eingestellt habe, was die dauerhafte Aufgabe der gesamten Erwerbstätigkeit im Rahmen eines einheitlichen Vorgangs bedinge. Einstellung sei so zu verstehen, dass in der Folge keine Erwerbstätigkeit unterhalten werde. Unter den Begriff „Erwerbstätigkeit“ fielen alle Tätigkeiten, die sich als aktive Betätigung im Erwerbsleben darstellen. Die Aufnahme einer aktiven Tätigkeit nach erfolgter erstmaliger Einstellung der Erwerbstätigkeit sei nach der in der Literatur vertretenen Auffassung nicht schädlich, wenn sie eine geraume Zeit nach Betriebsveräußerung bzw. ‑aufgabe erfolge und kein innerer Zusammenhang zwischen der Einstellung und der (Wieder)Aufnahme der Tätigkeit bestehe, wobei als geraume Zeit ein Zeitraum von mehr als einem Jahr angesehen werde. Im Revisionsfall liege zwischen der Veräußerung des Kundenstockes und der Aufnahme der nichtselbständigen Beschäftigung bei der Erwerberin des Kundenstockes kein ganzes Jahr. Außerdem sei auf Grund der zeitlichen Nähe und der Tatsache, dass das Dienstverhältnis mit dem Erwerber des Kundenstockes eingegangen worden sei, ein innerer Zusammenhang zwischen der Veräußerung des Kundenstockes und der Aufnahme der Tätigkeit gegeben. Der Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 stehe somit die in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung des Kundenstockes aufgenommene, für die Erwerberin entgeltlich ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit als Geschäftsführer entgegen. Dem Antrag auf Verteilung des Gewinnes auf drei Jahre wurde entsprochen. Die Revision wurde vom Bundesfinanzgericht zugelassen, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in zeitlicher Nähe zur Betriebsaufgabe der begünstigten Besteuerung gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 entgegenstehe.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich insoweit, als der Beschwerde gegen den neuen Einkommensteuerbescheid nur teilweise Folge gegeben wurde, die ordentliche Revision, die zu ihrer Begründung ausführt, das Erkenntnis sei inhaltlich rechtswidrig. Der verstorbene Ehemann der Revisionswerberin habe für seine Geschäftsführertätigkeit im Jahr 2013 kein Entgelt bezogen. Die Wahrnehmung der aus der gesellschaftsrechtlichen Organstellung erfließenden Verpflichtungen begründe keine Erwerbstätigkeit. Dem Gesetz sei kein Zeitraum zu entnehmen, für den die Einstellung der Erwerbstätigkeit wirksam sein müsse. D.V. habe im Jahr 2013 seine Erwerbtätigkeit eingestellt; eine spätere Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit im Jahr 2014 könne auf die Versteuerung im Jahr davor keinen begünstigungsschädlichen Einfluss mehr haben.
8 Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
12 Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Eine bei Einbringung der Revision bestehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung kann nachträglich wegfallen, wenn die Frage in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geklärt wird (vgl. VwGH 23.1.2019, Ro 2016/13/0012, mwN).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. April 2021, Ra 2019/15/0156, ausgesprochen, dass eine Einstellung der Erwerbstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 nur dann vorliegt, wenn diese auf eine gewisse (längerfristige) Dauer über das Veranlagungsjahr hinaus ausgerichtet ist. Zudem darf eine Wiederaufnahme der Tätigkeit nicht von vornherein geplant gewesen sein. Handelt es sich um eine bloße Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, steht der Hälftesteuersatz nicht zu.
14 D.V. hat seinen Kundenstock am 1. November 2013 verkauft. Am 1. Jänner 2014 hat er seine Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen. Die Einstellung der Erwerbstätigkeit erfolgte sohin jedenfalls nicht über eine längere Dauer über das Veranlagungsjahr hinaus. Zudem hat das Bundesfinanzgericht festgestellt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen der Veräußerung des Kundenstockes und der (Wieder)Aufnahme der Tätigkeit gegeben war und somit auch ein Plan des D.V. bestanden hat, die Erwerbstätigkeit nicht einzustellen, sondern lediglich zu unterbrechen. Die Anwendbarkeit des Hälftesteuersatzes des § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 wurde daher zu Recht verneint.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen mehr aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. Mai 2021
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