Normen
BEinstG §8
BEinstG §8 Abs2
BEinstG §8 Abs4
BEinstG §8 Abs4 litb
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110187.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wurde, in Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde vom 28. März 2019, dem Antrag der Stadt Wien (Revisionswerberin), die Zustimmung sowohl zur (am 3. Juli 2017) ausgesprochenen als auch zu einer künftig auszusprechenden Kündigung des Dienstverhältnisses des Mitbeteiligten, eines begünstigten Behinderten, zu erteilen, gemäß § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) nicht stattgegeben.
Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25 Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens als entscheidungsrelevanten Sachverhalt ‑ soweit für die vorliegende Revision von Bedeutung ‑ fest, der im Jahr 1961 geborene Mitbeteiligte stehe seit dem 11. März 1996 in einem Dienstverhältnis zur Revisionswerberin und sei auf der Rechtsgrundlage des Wiener Stadtwerke‑Zuweisungsgesetzes als U‑Bahnfahrer der W GmbH & Co KG dauernd zur Dienstleistung zugewiesen. Er gehöre aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes vom 22. Mai 2018 (mit Wirkung vom 13. Juni 2017) dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 50% an.
3 Der Mitbeteiligte habe sich (u.a.) von 2. Oktober 2012 bis 3. April 2013, vom 9. Juni 2017 bis 31. Dezember 2017 und vom 17. Jänner 2018 bis zum 23. Juni 2018 im Krankenstand befunden und sei seit 24. Juni 2018 bei vollen Bezügen dienstfreigestellt.
4 Nach den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten leide er an einer rezidivierenden Depression, einer Panikstörung, einer Endoprothese des rechten Kniegelenks, einem Schlafapnoesyndrom, an Diabetes Mellitus und an Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks. Er sei in regelmäßiger medizinischer Behandlung und medikamentös gut eingestellt, sodass nach den Gutachten künftig nicht mehr mit über dem Durchschnitt liegenden Krankenständen zu rechnen sei.
5 Seine bisherige Tätigkeit als U‑Bahnfahrer sei ihm nach dem medizinischen Leistungskalkül nicht mehr möglich, er sei aber (unter näher genannten Einschränkungen) in der Lage, am Arbeitsmarkt verwertbare Leistungen zu erbringen (etwa leichte körperliche Belastung, Tätigkeiten an einem Büroarbeitsplatz, wenn es sich nicht um eine dauernde Bildschirmtätigkeit handle, sowie Tätigkeiten mit einem allgemein üblichen Zeitdruck).
6 Die Revisionswerberin habe im Verfahren keinen ausreichenden Nachweis darüber erbracht, dass der Mitbeteiligte nicht an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könne. Insbesondere sei ihm auch nicht angeboten worden, im sogenannten „Leichtdienst“ zu arbeiten, der bei der W GmbH & Co KG zu dem Zweck eingerichtet worden sei, solche Dienstnehmer weiter zu beschäftigen, die ihren ursprünglichen Dienst nicht mehr ausüben können. Vielmehr sei der Mitbeteiligte, wie erwähnt, seit dem Jahr 2018 bei vollen Bezügen dienstfreigestellt, seit diesem Zeitpunkt habe die Revisionswerberin mit dem Mitbeteiligten auch keine Kommunikation bezüglich eines Ersatzarbeitsplatzes geführt.
7 Die belangte Behörde habe daher im eingangs erwähnten Bescheid die Zustimmung zur Kündigung des Mitbeteiligten mit der Begründung versagt, dass die hier einschlägige Bestimmung des § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG nicht erfüllt sei. Zwar sei der Mitbeteiligte unstrittig zur Leistung der im Dienstvertrag vereinbarten Arbeit (U‑Bahnfahrer) unfähig, doch habe die Revisionswerberin nicht nachgewiesen, dass für den Mitbeteiligten, der nach den ärztlichen Gutachten im Rahmen des eingeschränkten Leistungskalküls arbeitsfähig und arbeitsbereit sei, kein geeigneter Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung stehe.
8 Rechtlich stelle die Zustimmung zur Kündigung gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG eine Ermessensentscheidung der Behörde dar, sodass das Verwaltungsgericht gemäß Art. 130 Abs. 3 B‑VG erst dann, wenn die Ermessensentscheidung der belangten Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt sei, zur Entscheidung in der Sache und zur eigenen Ermessensübung befugt sei (Hinweis auf VwGH 1.3.2016, Ra 2015/11/0106).
9 Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere die durchgeführte mündliche Verhandlung, habe die Annahme der belangten Behörde bestätigt, dass der Mitbeteiligte arbeitsfähig und arbeitswillig sei, wohingegen es die Revisionswerberin unterlassen habe, für den begünstigt behinderten Mitbeteiligten ernsthaft einen seinem Leistungskalkül entsprechenden Ersatzarbeitsplatz zu suchen.
10 Dem Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin, sie sei nach der Judikatur des OGH nicht verpflichtet, Ersatzarbeitsplätze außerhalb des Unternehmens anzubieten, entgegnete das Verwaltungsgericht (wenngleich im Rahmen der Beweiswürdigung), dass es die Revisionswerberin unterlassen habe, den Mitbeteiligten als ihren Dienstnehmer über die Möglichkeit aufzuklären, dass er auch wieder im Personalstand der Stadt Wien (anstelle in der W GmbH & Co KG) verwendet („zurückversetzt“) werden könne. Daher wäre die Weiterbeschäftigung des Mitbeteiligten auch auf einem Ersatzarbeitsplatz der Stadt Wien in Betracht zu ziehen gewesen (dazu findet sich die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Stadt Wien der größte Arbeitgeber in Wien sei und einschließlich ihrer Unternehmen rund 65.000 Mitarbeiter beschäftige).
11 Die gegenständliche Versagung der Zustimmung zur Kündigung seitens der belangten Behörde erweise sich daher als im Sinne des Gesetzes (§ 8 Abs. 4 lit. b BEinstG) gelegene Ermessensentscheidung, sodass die Beschwerde gegen den eingangs erwähnten Bescheid vom 28. März 2019 abzuweisen gewesen sei.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa VwGH 30.9.2020, Ra 2020/11/0106, mwN).
16 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2019, Ra 2019/11/0157, mwN).
17 Das Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 32/2018 (BEinstG), lautet auszugsweise:
„Kündigung
§ 8. (1) ...
(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes‑Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. ...
(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.
(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn
...
b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;
...“
18 Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision wendet sich im Wesentlichen gegen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG setze für die Zustimmung zur Kündigung des Dienstverhältnisses in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem der Dienstgeber den Dienstnehmer einem ausgegliederten, rechtlich selbständigen Unternehmen (W GmbH & Co KG) zur Dienstleistung zugewiesen habe, voraus, dass für die Weiterbeschäftigung auch kein Ersatzarbeitsplatz beim Dienstgeber (fallbezogen im gesamten Bereich der Stadt Wien) vorhanden sei. Dem stehe der Beschluss OGH 25.10.2016, 8 ObA 12/16x, entgegen bzw. es fehle hierzu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
19 Abgesehen davon, dass die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG durch die Abweichung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts von einer solchen des Verwaltungsgerichtshofes (und nicht des Obersten Gerichtshofes) begründet wird, ergibt sich auch aus dem zitierten Beschluss des OGH, dass als Ersatzarbeitsplatz für Vertragsbedienstete einer Gebietskörperschaft, die (wie im Revisionsfall der Mitbeteiligte) an einen ausgegliederten Betrieb überlassen wurden, auch Arbeitsplätze im Verwaltungsbereich dieser Gebietskörperschaft als mögliches Einsatzfeld zur Verfügung stehen.
20 Gleiches ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG, der eindeutig auf das Beschäftigungsverhältnis zu einem bestimmten Dienstgeber (fallbezogen: Stadt Wien) und darauf abstellt, ob bei diesem (im Betrieb des Dienstgebers; vgl. etwa VwGH 21.2.2012, 2011/11/0143) ein anderer geeigneter Arbeitsplatz vorhanden ist (vgl. in diesem Zusammenhang und zur diesbezüglichen Beweislast VwGH 20.3.2012, 2011/11/0146; vgl. zum Dienstgeber als maßgeblichem Bezugspunkt auch VwGH 21.3.2006, 2004/11/0082).
21 Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die Ansicht der Revisionswerberin (nach der es ausschließlich auf das Vorhandensein von Ersatzarbeitsplätzen im „zugewiesenen“ Unternehmen ankomme) dazu führen würde, dass sich ein Dienstgeber der Obliegenheit des Anbietens eines anderen geeigneten Arbeitsplatzes iSd. § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG entledigen könnte, indem er begünstigte Behinderte, die er zu kündigen beabsichtigt, solchen Unternehmen (Organisationseinheiten) zur Dienstleistung überlässt bzw. zuweist, in denen von vornherein kein Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung steht.
22 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit weiters aus, die Feststellung betreffend die Gesamtzahl der von der Revisionswerberin beschäftigten (65.000) Arbeitnehmer habe das Verwaltungsgericht durch rechtswidrige Beweisaufnahme außerhalb und nach Schluss der Verhandlung getroffen. Damit wird eine Rechtsfrage, der gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, schon deshalb nicht aufgeworfen, weil die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird (zu diesem Erfordernis vgl. VwGH 11.9.2020, Ra 2020/11/0133, mwN). Das Ergebnis der Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 2 und 4 BEinstG hängt insbesondere nicht von der Zahl der Beschäftigten bei einem Dienstgeber ab. Im Übrigen betrifft die Frage, ob ein Dienstgeber ausreichende Anstrengungen unternommen hat, um für den begünstigten Behinderten einen geeigneten Ersatzarbeitsplatz zu finden, typisch den Einzelfall und begründet keine erhebliche Rechtsfrage (vgl. auch den bereits zitierten Beschluss OGH 8 ObA 12/16x).
23 Ebenso wenig wird in der Revision die Relevanz zur Behauptung, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Einwänden der Revisionswerberin gegen die eingeholten Sachverständigengutachten auseinandergesetzt, dargetan.
24 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Interessenabwägung der belangten Behörde im Rahmen der Ermessensentscheidung gemäß § 8 BEinstG von den Umständen des Einzelfalls abhängt, sodass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, mit der diese Entscheidung bestätigt wird, im Regelfall (so die für die Übung des Ermessens maßgeblichen Umstände ‑ wie gegenständlich ‑ vollständig und frei von Verfahrensmängeln berücksichtigt wurden) nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 26.7.2018, Ra 2017/11/0294).
25 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 11. August 2021
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