Normen
BauO Tir 2018 §53
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018060069.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 9. Oktober 2017 beantragte die T.GmbH (Bauwerberin) die Errichtung eines Partystadels auf einem näher genannten Grundstück der KG G. als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes gemäß § 46 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011; später inhaltsgleich: § 53 TBO 2018) für die Dauer von fünf Jahren. In diesem Antrag wurde unter anderem ausgeführt, dass der Partystadel jeweils von November bis April errichtet und betrieben und in der verbleibenden Zeit demontiert und anderenorts zwischengelagert werde.
2 Der Mitbeteiligte als Eigentümer eines an das Baugrundstück im Westen unmittelbar angrenzenden Grundstücks erhob Einwände und brachte vor, dass das beantragte Bauvorhaben nicht Gegenstand eines Verfahrens nach § 46 TBO 2011 sein könne, weil der Partystadel nach Nutzung und Bestand von dauerhafter Qualität in Sinne der Tiroler Bauordnung sei.
3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G vom 22. November 2017 wurde der T.GmbH die Baubewilligung für die beantragte Errichtung eines Partystadels als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes gemäß § 46 TBO 2011 für die Dauer vom 22. November 2017 bis 30. April 2018 unter der Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Zu den Einwendungen des Mitbeteiligten wurde ausgeführt, dass diese nicht relevant seien, weil das Vorhaben als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes genehmigt werde.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) wurde der vom Mitbeteiligten gegen den Baubewilligungsbescheid erhobenen Beschwerde Folge gegeben und der Antrag der T.GmbH vom 9. Oktober 2017 zur Errichtung eines Partystadels als bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes gemäß § 53 TBO 2018 (LGBl. Nr. 28/2018) abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
5 In seinen Erwägungen hielt das LVwG (nach Darstellung der Nachbarrechte des Mitbeteiligten) fest, das Sonderregime des § 53 Abs. 1 TBO 2018 (vormals: § 46 Abs. 1 TBO 2011) könne nur für solche baulichen Anlagen zur Anwendung gelangen, die aufgrund ihres besonderen Verwendungszweckes nur für einen vorübergehenden Bestand bestimmt seien. Ausnahmebestimmungen seien grundsätzlich eng auszulegen.
6 Aus dem klaren Wortlaut des § 53 Abs. 1 TBO 2018 (vormals § 46 Abs. 1 TBO 2011) müsse sich der vorübergehende Bestand einer konkret zu beurteilenden baulichen Anlage aus deren „besonderen Verwendungszweck“ ergeben. Kein taugliches Indiz für einen vorübergehenden Bestand sei daher die technische Ausführung der baulichen Anlage (Verweis auf zur Vorgängerbestimmung § 33 Abs. 1 TBO 1978 ergangenen Judikatur).
7 Nach Darstellung der historischen Entwicklung dieses baurechtlichen Sonderregimes und der diesbezüglichen Materialien führte das LVwG aus, der Vertreter (Geschäftsführer) der Bauwerberin habe im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass die Bezeichnung der baulichen Anlage tatsächlich „Skihütte“ laute, diese auf einem hohen gastronomischen Niveau geführt werde und daher einen besonderen Mehrwert für die Gemeinde G. darstelle und auch exklusiv zum Anmieten angeboten werde. Da ihm das gegenständliche Baugrundstück vererbt werde - wobei das grundbücherliche Verfahren im Laufen sei - sollte aus wirtschaftlichen Überlegungen bis zur tatsächlichen Nutzung des Grundstückes dieses zunächst einmal vorübergehend einer Verwendung zugeführt werden und sei diesbezüglich mit der Baubehörde Rücksprache gehalten worden.
8 Damit ‑ so das LVwG ‑ habe jedoch von der Bauwerberin nicht entsprechend dargetan werden können, worin der besondere Verwendungszweck der gegenständlichen baulichen Anlage bestehe, aus der sich zwingend nur ein vorübergehender Bestand ergebe.
9 Vielmehr handle es sich bei der gegenständlichen baulichen Anlage mit einem Ausmaß von ca. 7,5 x 10 m (74 m2 samt Lager) mit 40 Sitz- und 40 Stehplätzen im Inneren des Gebäudes sowie zwei außerhalb des Hauptgebäudes befindlichen WC‘s und einer nach Westen hin dem gesamten Gebäude vorgelagerten Terrasse im Ausmaß von 37 m2 um einen Gastronomiebetrieb im Ortsgebiet der touristisch geprägten Gemeinde G. Aufgrund des Verwendungszwecks ergebe sich sohin keinerlei Hinweis darauf, dass diese konkrete bauliche Anlage anders zu beurteilen wäre als sonstige lediglich während der Wintersaison genutzte Gastronomiebetriebe.
10 Selbst wenn ‑ wie vom Geschäftsführer der Bauwerberin vorgebracht ‑ sich der Betrieb vom gastronomischen Angebot anderer Betriebe unterscheide und so eine Bereicherung des Angebots darstelle, habe damit jedoch kein besonderer Verwendungszweck im Sinne des § 53 Abs. 1 TBO 2018 (vormals § 46 Abs. 1 TBO 2011) dargetan werden können. Dies gelte auch für die aus wirtschaftlichen Überlegungen angestrebte vorübergehende Nutzung bis zum Erwerb des Eigentums am Baugrundstück.
11 Auch das Vorbringen des Revisionswerbers, dass sich der vorübergehende Bestand der baulichen Anlage aus der lediglich saisonalen Nutzung und Entfernung nach der Wintersaison ergebe, habe zu keiner gegenteiligen Beurteilung führen können, weil lediglich eine saisonale Nutzung der konkreten baulichen Anlage für sich allein betrachtet nicht als besonderer Verwendungszweck im Sinne des § 53 Abs. 1 TBO 2018 zu qualifizieren sei (Verweis auf VwGH 21.12.1989, 87/06/0049). Eine gegenteilige Auslegung der Bestimmung entspräche auch nicht dem objektiven Sinn und Zweck der Norm.
12 Lediglich der Vollständigkeit halber sei anzumerken, dass auch im allgemeinen Baubewilligungsverfahren nach der Tiroler Bauordnung eine zeitliche Befristung der baurechtlichen Bewilligung gemäß § 34 Abs. 7 TBO 2018 grundsätzlich möglich wäre.
13 Zusammengefasst ergebe sich daher, dass hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage kein besonderer Verwendungszweck gegeben sei, aufgrund dessen diese nur für einen vorübergehenden Bestand bestimmt sei. Es habe diese bauliche Anlage sohin auch nicht dem Anwendungsbereich des § 53 TBO 2018 (vormals § 46 TBO 2011) subsumiert werden können und sei daher der verfahrenseinleitende Antrag der T.GmbH abzuweisen gewesen.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2019/06/0022, mwN).
19 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausgeführt, dass es gerade in Tirol „unzählige derartige bauliche Anlagen“ wie im gegenständlichen Verfahren gebe (es werden Beispiele genannt). Zur Frage der Auslegung (des Begriffs) einer baulichen Anlage vorübergehenden Bestandes im Sinne der Tiroler Bauordnung könne nicht auf einheitliche und gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden. Insbesondere gehe es um die über den Einzelfall hinausgehende Auslegung des § 53 TBO 2018 (vormals § 46 TBO 2011).
20 Mit diesem Vorbringen zeigt der Amtsrevisionswerber für den Revisionsfall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der vom Amtsrevisionswerber genannten Verwaltungsvorschrift (und ihren Vorgängerbestimmungen) befasst. Er hat darin festgehalten, dass die Regelungen betreffend bauliche Anlagen vorübergehenden Bestandes gegenüber den sonstigen (inhaltlich vergleichbaren) Regelungen der TBO ein eigenes Regelungsregime bilden und als Ausnahmetatbestand grundsätzlich restriktiv auszulegen ist (vgl. dazu VwGH 1.7.2020, Ra 2019/06/0002, und die dort zitierten Judikaturverweise; vgl. auch VwGH 26.6.2014, Ro 2014/06/0042). Das Zulässigkeitsvorbringen legt nicht konkret dar, welche spezifische Rechtsfrage der Revisionsfall im Zusammenhang mit der Auslegung des § 53 Abs. 1 TBO 2018 aufwerfen sollte, die in der Rechtsprechung nicht entschieden sei bzw. hinsichtlich welcher das LVwG von den in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Leitlinien abgewichen sei.
21 Darüber hinaus ist eine bloß saisonale Verwendung eines Bauwerks von der Frage zu unterscheiden, ob es auf Dauer oder aufgrund seines besonderen Verwendungszwecks nur für einen vorübergehenden Bestand bestimmt ist.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Oktober 2021
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