Normen
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
NAG 2005 §11 Abs3
NAG 2005 §21 Abs3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220041.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines algerischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) betreffend die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" wegen unzulässiger Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das VwG zunächst - erkennbar unter dem Blickwinkel des § 21 Abs. 3 NAG - eine Interessenabwägung durch und kam zu dem Ergebnis, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber nicht hätte ausreisen können, um den Antrag zu stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten. Anschließend argumentierte das VwG, die Unterhaltsmittel reichten bei weitem nicht aus, um eine Familie mit derzeit einem Kind (die Ehefrau des Revisionswerbers sei wieder schwanger) zu erhalten. Daran folgte neuerlich eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG, in der kein Überwiegen der Interessen des Revisionswerbers festgestellt wurde. 5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision zunächst, das VwG habe sich mit "der Zulässigkeit der Inlandsantragstellung und der gebotenen Interessenabwägung und der Frage, ob trotz Vorliegens des Versagungsgrundes der Inlandsantragstellung ein Aufenthaltstitel im Hinblick auf Art 8 EMRK zu erteilen wäre, gar nicht auseinandergesetzt, sondern hat ausschließlich den Sichtvermerksversagungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes herangezogen und wohl auch eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK durchgeführt, letztlich ist das VwG aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die öffentlichen Interessen überwiegen." Die Interessenabwägung hätte zugunsten des Revisionswerbers ausfallen müssen (Hinweis auf mehrere hg. Erkenntnisse, teilweise ergangen zu Angehörigen von Österreichern, sowie ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes). 6 Der in sich widersprüchlichen Zulässigkeitsbegründung ist zunächst entgegen zu halten, dass das VwG sehr wohl die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung prüfte und zu dem Ergebnis gelangte, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber nicht hätte ausreisen können, um den Antrag zu stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abzuwarten.
7 Zu der vom Revisionswerber gerügten Interessenabwägung brachte der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck, dass die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 23.1.2020, Ra 2019/22/0044, Rn. 10, mwN).
Zum behaupteten Abweichen von der hg. Rechtsprechung ist konkret darzulegen, inwiefern das angefochtene Erkenntnis in welchen entscheidungsrelevanten Punkten nach Ansicht des Revisionswerbers von welcher höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 23.1.2020, Ra 2019/22/0236, Rn. 5, mwN). Ein Zitieren von Erkenntnissen der Zahl nach, ohne auf den konkreten Sachverhalt einzugehen, wird diesen Anforderungen nicht gerecht (vgl. VwGH 27.3.2019, Ra 2019/02/0046, Rn. 6, mwN).
8 Ausgehend von dieser hg. Rechtsprechung entspricht die Zulässigkeitsbegründung nicht den Anforderungen. Die den zitierten hg. Erkenntnissen zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich wesentlich von dem gegenständlich zu beurteilenden (Zulässigkeit der Inlandsantragstellung), sodass damit kein Abweichen von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt wird. Dass die Entscheidung des VwG nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht vorgebracht. Die vom VwG durchgeführte Interessenabwägung kann jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden. 9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
10 Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 2. April 2020
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