VwGH Ra 2019/22/0236

VwGHRa 2019/22/023623.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der N J, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 4. September 2019, VGW-151/094/7785/2019-10, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
NAG 2005 §11 Abs2 Z4
NAG 2005 §11 Abs3
NAG 2005 §11 Abs5
NAG 2005 §46 Abs1 Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220236.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde der Revisionswerberin, einer pakistanischen Staatsangehörigen, betreffend ihren Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Dies begründete das VwG zusammengefasst damit, dass der Zusammenführende (Ehemann der Revisionswerberin) über keine ausreichenden Unterhaltsmittel (monatliches Durchschnittseinkommen von EUR 1.248,05 statt der erforderlichen EUR 1.398,97) gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG verfüge und die Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG nicht zugunsten der Revisionswerberin ausfalle. 5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt die Revisionswerberin zunächst ein Abweichen des VwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Ermittlungspflicht. Das VwG habe fälschlicherweise die Beiträge zur "Krankenversicherung bei der Niederösterreichischen Sozialversicherungsanstalt" in Höhe von EUR 175,00 monatlich als die verfügbaren Unterhaltsmittel mindernd berücksichtigt, obwohl es sich dabei um die Dienstgeberbeiträge für die Mitarbeiter des Zusammenführenden (er betreibe eine Pizzeria) handle. Gleiches gelte für die KFZ-Versicherung, die Telefonkosten, die Kreditraten und die Lebensversicherung; die Kosten für Strom und Gas seien in den Mietkosten bereits berücksichtigt.

Zunächst wird angemerkt, dass zum behaupteten Abweichen von der hg. Rechtsprechung nicht konkret dargelegt wird, inwiefern das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Unterhaltsberechnung nach Ansicht der Revisionswerberin von welcher höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0191, mwN).

Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass dem VwG ein Verfahrensfehler vorzuwerfen wäre. Der Rechtsvertreter der Revisionswerberin teilte mit Urkundenvorlage vom 2. August 2019 dem VwG selbst mit, dass der Zusammenführende neben der Miete regelmäßige Ausgaben von EUR 80,-- für Strom/Gas, § 17,-- für Telefon, EUR 40,-- als Prämie für die Lebensversicherung, EUR 73,--

als Prämie für die KFZ-Versicherung und EUR 100,-- für eine Kreditrückzahlung habe. In der Verhandlung vor dem VwG am 4. September 2019 bestätigte der Zusammenführende monatliche Kreditraten in Höhe von EUR 110,--, wobei auch der anwesende Rechtsvertreter nicht vorbrachte, dass es sich dabei um einen Unternehmenskredit handelte. Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge stellte der Zusammenführende in der Verhandlung klar, dass die Beiträge an die WGKK (EUR 1.078,-- für drei Monate) "für seine Angestellten" seien; die Überweisungen an die "Sozialversicherungsanstalt NÖ" in Höhe von EUR 515,15 im März 2019 und EUR 578,87 im Februar 2019 beträfen seine Versicherung. Aus den vorgelegten Bankunterlagen geht nicht hervor, dass die Sozialversicherungsbeiträge für den Zusammenführenden jedes Monat abgebucht wurden; daher ist davon auszugehen, dass auch diese - wie die Beiträge an die WGKK - jeweils für drei Monate entrichtet wurden. Demnach berücksichtigte das VwG zutreffend monatliche Kosten in Höhe von ca. EUR 175,-- für die Sozialversicherung des Zusammenführenden.

Es ist somit nicht zu erkennen, dass das VwG die Berechnung der dem Zusammenführenden zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel fehlerhaft oder abweichend von der höchstgerichtlichen Judikatur vorgenommen hätte.

Bei den mit der Revision vorgelegten Beilagen ./B (Bestätigung des Steuerberaters vom 7. Oktober 2019) und ./C (PDW Zustellservice Gutschrift 09/2019 in der Höhe von EUR 556,53) handelt es sich um unbeachtliche Neuerungen (§ 41 VwGG). Abgesehen davon legte das VwG die in diesen Beilagen bestätigten Einkommensbestandteile des Zusammenführenden dem angefochtenen Erkenntnis ohnehin zugrunde.

6 Wenn sich die Revision weiter gegen die vom VwG durchgeführte Interessenabwägung wendet, ist dazu auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen, wenn sie - wovon auch hier auszugehen ist - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgte, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0130, Rn. 12, mwN). Auf Basis des festgestellten Sachverhaltes (die Revisionswerberin war noch nie in Österreich, sie lebt in Pakistan im Haus des Zusammenführenden im Kreis ihrer Großfamilie und hat in Österreich - außer ihren Ehemann - keine Anknüpfungspunkte), zu dem in der Zulässigkeitsbegründung nichts Abweichendes vorgebracht wird, kann die vom VwG durchgeführte Interessenabwägung jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

7 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2020

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