VwGH Ra 2020/20/0073

VwGHRa 2020/20/007327.3.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Februar 2020, W105 2221956-1/15E, betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes nach dem FPG (mitbeteiligte Partei: R A M), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200073.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) wurde - soweit für den gegenständlichen Revisionsfall relevant - das mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12. Juli 2019 über den Mitbeteiligten auf die Dauer von zwei Jahren verhängte befristete Einreiseverbot, auf ein Jahr herabgesetzt (Spruchpunkt A II.) und ausgesprochen, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

2 Das BVwG begründete die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes zusammengefasst damit, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) verwirklicht sei, weil der Mitbeteiligte in staatlicher Grundversorgung lebe und den Besitz hinreichender Mittel für seinen Unterhalt nicht nachweisen habe können. Darüber hinaus habe er sich auch der Verletzung von fremden- bzw. unionsrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen schuldig gemacht. Betrachte man aber das vom Mitbeteiligten gesetzte Verhalten in Relation zu anderen der Anzahl und dem Unrechtsgehalt nach massiveren Sachverhalten im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG, so erweise sich die vom BFA gewählte Dauer, welche eine Ausschöpfung von beinahe der Hälfte des zustehenden Ermessens bedeute, als zu lange. Es bliebe in anderen, gravierenderen Fällen kein angemessener Spielraum mehr nach oben offen. Die Dauer des Einreiseverbotes von zwei Jahren stehe daher bei Abwägung aller Umstände nicht in angemessener Relation, zumal der Mitbeteiligte strafrechtlich unbescholten sei. Eine Herabsetzung auf weniger als ein Jahr sei nicht angemessen, weil das persönliche Fehlverhalten des Mitbeteiligten in nicht unbeachtlichen Verstößen gegen rechtliche Vorschriften bestanden habe.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die sich gegen den Spruchpunkt A II. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht berücksichtigt, dass das BFA die Dauer des Einreiseverbotes nicht allein auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt habe, sondern die öffentliche Ordnung und Sicherheit, insbesondere durch den beharrlichen Verbleib des Mitbeteiligten im Bundesgebiet trotz aufrechter Rückkehrentscheidung, gefährdet worden sei und dies nach Art. 11 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie zwingend ein Einreiseverbot nach sich zu ziehen habe.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, mwN). 8 Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das BVwG im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen nicht nur die Mittellosigkeit des Mitbeteiligten im Sinne des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, sondern auch die vom BFA ins Treffen geführte Missachtung der Rückkehrverpflichtung. Dass das BVwG die Bemessung der Dauer des gegen den Mitbeteiligten erlassenen Einreiseverbotes im Hinblick auf die im Einzelfall in Form einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Umstände in unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, zeigt die Revision nicht auf.

9 Daran ändert auch der Hinweis der Revision auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2018, Ra 2018/19/0125, nichts, in dem ausgesprochen wurde, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) regelmäßig nur dann stattzufinden habe, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehe. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich gleichzeitig betont, dass die Festlegung der Dauer des Einreiseverbots stets von den sonstigen Umständen des Einzelfalles abhängig sei, womit nicht ausgeschlossen wurde, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden aufgrund der vom BVwG vorgenommenen Abwägung keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit angenommen wird (vgl. dazu bereits VwGH 6.2.2020, Ra 2020/18/0004). 10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. März 2020

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