VwGH Ra 2020/18/0004

VwGHRa 2020/18/00046.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2019, W246 2172719-3/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: R Y), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180004.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - soweit vorliegend relevant - im Beschwerdeverfahren betreffend einen Folgeantrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz die Dauer des Einreiseverbots, das mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. November 2019 gegen den Mitbeteiligten, einen afghanischen Staatsangehörigen, verhängt worden war, von zwei Jahren auf ein Jahr herab (Spruchpunkt A III.). Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Das BVwG stellte u.a. fest, der seit Oktober 2015 in Österreich aufhältige Mitbeteiligte sei unbescholten und erkennbar um seine Integration bemüht. Er verfüge über gute Deutschkenntnisse, habe bereits mehrere Teilprüfungen für seinen Pflichtschulabschluss abgelegt und sich bei verschiedenen Einrichtungen ehrenamtlich betätigt. Er verfüge zudem über ein sehr aktives Sozialleben, das sich einerseits in den von ihm ausgeübten Freizeitaktivitäten (u.a. Mitwirkung an einem Theaterprojekt der Sommerspiele E) und andererseits in intensiven sozialen Bindungen zu Freunden und Bekannten in Österreich äußere. So leiste er z.B. bei einer befreundeten Familie wichtige Unterstützungstätigkeiten in Form von Haushaltsführung und Pflege eines Mitglieds dieser Familie und er führe auch seit September 2017 eine emotional enge Beziehung zu einer afghanischen Asylwerberin. Mit dieser bestehe seit November 2019 ein gemeinsamer Wohnsitz.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG hinsichtlich der Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots zusammengefasst aus, dem BFA könne nicht entgegengetreten werden, wenn dieses eine vom Mitbeteiligten ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) angenommen und aufgrund der Mittellosigkeit des Mitbeteiligten ein Einreiseverbot gegen ihn verhängt habe. Es werde weiters nicht verkannt, dass gegen den Mitbeteiligten aus Anlass der Abweisung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz bereits eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, der dieser nicht entsprochen habe, und dass er während seines Aufenthalts in Österreich fast durchgehend Mittel der Grundversorgung bezogen habe, er auch in Zukunft aufgrund Fehlens eines Aufenthaltsrechts in Österreich nicht dazu in der Lage sein werde, im Bundesgebiet einer legalen Beschäftigung nachzugehen, und dass er somit die Mittel für seinen Unterhalt nicht selbst werde aufbringen können. Es sei allerdings (vor allem) im Hinblick auf die vom Mitbeteiligten gesetzten Integrationsschritte die Dauer des Einreiseverbots auf ein Jahr herabzusetzen. 4 Gegen Spruchpunkt A III. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit geltend macht, das BVwG habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf Bedacht genommen, dass die Dauer des Einreiseverbotes nicht bloß aufgrund der Mittellosigkeit des Mitbeteiligten gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG festzulegen gewesen sei, sondern in diesem Zusammenhang auch gemäß Art. 11 der Rückführungsrichtlinie dessen beharrlicher Verbleib im Bundesgebiet trotz aufrechter Rückkehrentscheidung und die daraus resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu berücksichtigen gewesen seien.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Das BVwG hat bei Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes den Umstand, dass der Mitbeteiligte unter Missachtung einer bereits rechtskräftigen Rückkehrentscheidung seiner Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist, in seine rechtliche Beurteilung miteinbezogen.

7 Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgeführt, dass die bei der Erlassung eines Einreiseverbotes unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung und Gefährdungsprognose im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgten und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden - nicht revisibel sind (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0111, mwN). Dass das BVwG bei Festlegung der Dauer des gegen den Mitbeteiligten erlassenen Einreiseverbotes im Hinblick auf die im Einzelfall in Form einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigenden Umstände von den Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

8 Daran ändert auch ihr Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2018, Ra 2018/19/0125, nichts, in dem ausgesprochen wurde, dass die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) regelmäßig nur dann stattzufinden habe, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehe. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich gleichzeitig betont, dass die Festlegung der Dauer des Einreiseverbots stets von den sonstigen Umständen des Einzelfalles abhängig sei, womit nicht ausgeschlossen wurde, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden aufgrund der vom BVwG vorgenommenen Abwägung keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit angenommen wird.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Februar 2020

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