VwGH Ra 2020/20/0032

VwGHRa 2020/20/003211.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision

1. des W A und 2. des A O, beide in G, beide vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Schönauerstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. Dezember 2019, 1. W233 2193813-1/8E und 2. W233 2193818-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200032.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Pakistans. Der Erstrevisionswerber ist der Vater des Zweitrevisionswerbers. Der Erstrevisionswerber stellte am 13. August 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, der Zweitrevisionswerber am 22. August 2017. Zu ihren Fluchtgründen gaben sie zusammengefasst an, als Angehörige der Volksgruppe der Ahmadi bedroht worden zu sein.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies die Anträge der Revisionswerber mit Bescheiden vom 5. April 2018 ab. Es erteilte jeweils keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber nach Pakistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte es jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen jeweils erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Dezember 2019 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die vorgenommene Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes und bringt weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Gruppenverfolgung und zu den Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz abgewichen.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0154, mwN). 9 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dem jeweiligen Fluchtvorbringen - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung -

in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden, umfassenden Beweiswürdigung auseinandergesetzt und ist in nicht unvertretbarer Weise zum Ergebnis gelangt, die Revisionswerber hätten keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht.

10 Zum Vorbringen einer möglichen Gruppenverfolgung von Ahmadis in Pakistan ist auszuführen, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit den herangezogenen Berichten zur Lage der Ahmadis auseinandergesetzt und darauf basierend das Vorliegen einer Gruppenverfolgung verneint hat. Dieser Annahme ist vor dem Hintergrund der eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegenzutreten (vgl. VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0396, mwN).

11 Nach der Rechtsprechung ist hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 29.5.2019, Ra 2019/20/0043 bis 0047, mwN). 12 In der Revision wird mit dem bloßen Zitieren von Länderberichten, welche auch im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes Berücksichtigung gefunden haben, nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes zugrunde liegenden Beurteilung, die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet hätte und dass sie unvertretbar erfolgt wäre. 13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Februar 2020

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