VwGH Ra 2020/19/0273

VwGHRa 2020/19/02733.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S O, vertreten durch Mag. Kurt Kulac, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Juni 2020, Zl. L524 2229691‑1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190273.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 29. Oktober 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er im Herkunftsstaat wegen seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit schikaniert und unterdrückt werde. Er wolle zudem seinen Wehrdienst in der Türkei nicht ableisten.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 30. Jänner 2020 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Juni 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG sei von der vom Verwaltungsgerichtshof etablierten einheitlichen Rechtsprechung zu jenen Kriterien abgewichen, die für die Prüfung und Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich seien, indem es sich statt einer eingehenden Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts auf die Bewertung zurückgezogen habe, das fluchtrelevante Vorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubhaft. Dabei habe das BVwG die den Revisionswerber treffende immanente Bedrohung übergangen, der dieser aufgrund seiner kurdischen Zugehörigkeit und der dadurch erfolgten Schikane und Bedrohungssituation durch die staatlichen Behörden ausgesetzt wäre.

6 Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. VwGH 14.5.2020, Ra 2020/19/0130, mwN).

7 Soweit die Revision sich gegen die Beweiswürdigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.11.2019, Ra 2019/01/0348, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung legt die Revision nicht dar. Das BVwG hat sich in seiner Beweiswürdigung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt, eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers aus Gründen der Wehrdienstverweigerung mit näherer Begründung fallbezogen verneint und ist in vertretbarer Weise zu der Beurteilung gelangt, dass der Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgungsgefahr glaubhaft machen konnte sowie keine Gefährdung der Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 2 und 3 EMRK bestehe.

8 Insoweit die Revision einen Begründungsmangel geltend macht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es für die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nicht ausreichend ist, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2018/19/0609, mwN).

9 Eine solche Relevanzdarstellung gelingt der Revision in Hinblick auf das pauschale und unsubstantiierte Vorbringen, die immanente Bedrohung, der der Revisionswerber aufgrund seiner kurdischen Zugehörigkeit ausgesetzt gewesen wäre, sei übergangen worden, nicht. Das BVwG hat sich mit der Situation der kurdischen Bevölkerung anhand der Länderberichte auseinandergesetzt und ist zu der Beurteilung gelangt, dass keine Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit einer eine maßgebliche Intensität erreichenden Verfolgung unterworfen sein würden. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass diese Beurteilung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehlerhaftigkeit leiden würde (vgl. VwGH 16.6.2020, Ra 2020/19/0064).

10 Wenn die Revision unsubstantiiert in den Raum stellt, dass „mittlerweile wohl schon“ ein Haftbefehl gegen den Revisionswerber in der Heimat vorliegen würde, ist einerseits auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot gemäß § 41 VwGG zu verweisen (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147 ), andererseits wird mit diesem Vorbringen auch nicht dargetan, inwieweit ein solcher Haftbefehl eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr für den Revisionswerber begründen würde.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. September 2020

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