Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
StudFG 1992 §3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160064.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber beantragte am 9. April 2019, ihm für seinen am 14. Mai 1996 geborenen Sohn Familienbeihilfe ab April 2019 zu gewähren. Sein Sohn sei als Auszubildender voraussichtlich bis 31. Dezember 2019 im Bildungszentrum St. Pölten.
2 Auf Vorhalt des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg legte der Revisionswerber eine Bestätigung der Landespolizeidirektion Kärnten vor, wonach sein Sohn in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 2019 an der Ergänzungsausbildung im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie St. Pölten teilnehme. Der ebenfalls vorgelegte Sondervertrag gemäß § 36 VBG für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich war auf unbestimmte Zeit mit Beginn 1. September 2016 abgeschlossen.
3 Mit Bescheid vom 9. August 2019 wies das Finanzamt St. Veit Wolfsberg den Antrag für den Zeitraum April bis Dezember 2019 ab.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 20. August 2019 Beschwerde mit der Begründung, aufgrund des bereits sechs Monate nach der Aufnahme (seines Sohnes) erfolgten Einsatzes werde die Ausbildung nunmehr laut Vorgabe fortgesetzt.
5 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. November 2019 als unbegründet ab. Unter Hinweis auf VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203, verneinte das Finanzamt das Vorliegen einer Berufsausbildung.
6 Im dagegen mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2019 eingebrachten Vorlageantrag brachte der Revisionswerber vor, nach der sechsmonatigen Basisausbildung für den fremden- und grenzpolizeilichen Bereich sei sein Sohn während einer Kursunterbrechung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich und unterstützend im sicherheitspolizeilichen Bereich tätig gewesen. Von April bis Dezember 2019 folge die Ergänzungsausbildung nach einem vorgegebenen Lehrplan ausschließlich im Lehrsaal mit Ausnahme des Schieß‑ und Sporttrainings.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
8 Der Sohn des Revisionswerbers sei seit 1. September 2016 mit dem erwähnten Sondervertrag für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden‑ und grenzpolizeilichen Bereich beschäftigt und habe vom September 2016 bis Februar 2017 die sechsmonatige Basisausbildung der Grundausbildung (Grenzdienst) absolviert. Vom März 2017 bis März 2019 habe er den Dienst als Grenzpolizist versehen und ein Normalentgelt bezogen. Vom April bis Dezember 2019 habe der Sohn des Revisionswerbers die neunmonatige Ergänzungsausbildung an der Sicherheitsakademie in St. Pölten absolviert. Er habe aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit im Bundesdienst näher angeführte steuerpflichtige Bezüge, darunter für 2019 den Betrag von 21.856,55 € erhalten.
9 Nach der im Wortlaut wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203) stehe für die Zeit der kursmäßigen Ausbildung an der Sicherheitsakademie Familienbeihilfe nicht zu, weil bereits ein Beruf ausgeübt werde.
10 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
11 Der Revisionswerber erachtet sich im Recht verletzt, für den Zeitraum April bis Dezember 2019 Familienbeihilfe für seinen Sohn zu erhalten.
12 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); Revisionsbeantwortungen langten keine ein.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst vor, in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht einheitlich beantwortet worden, ob die neunmonatige Ergänzungsausbildung, welche die Kursteilnehmer im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich absolvieren, die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe erfüllt.
17 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
18 § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) lautet:
„§ 2 (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) .....
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn .....“
19 Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. etwa VwGH 18.5.2020, Ra 2020/16/0017; VwGH 30.3.2017, Ra 2017/16/0030; VwGH 22.12.2011, 2009/16/0315; VwGH 23.2.2011, 2009/13/0127; und VwGH 15.12.2009, 2007/13/0125).
21 Diese der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten ‑ im Revisionsfall nicht interessierenden ‑ Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. etwa nochmals VwGH 18.5.2020, Ra 2020/16/0017; und VwGH 30.6.2016, Ro 2015/16/0033).
22 Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen die genannten Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, jedenfalls unter den Begriff einer Berufsausbildung iSd § 2 FLAG. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch bei bereits berufstätigen Personen eine Berufsausbildung vorliegen kann (vgl. VwGH 4.11.2020, Ra 2020/16/0039).
23 So ist einerseits die Gewährung der Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt, sondern Familienbeihilfe ist auch (etwa nach Abschluss einer Berufsausbildung) bei einer weiteren Berufsausbildung zu gewähren (vgl. in ständiger Rechtsprechung etwa VwGH 28.2.2017, Ro 2016/16/0005).
24 Andererseits hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass es für die Qualifikation einer Berufsausbildung nicht darauf ankommt, ob eine schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Dies lässt eine Berufsausbildung neben der Ausübung eines Berufes zu (vgl. etwa nochmals VwGH 30.3.2017, Ra 2017/16/0030, mwN).
25 Bei bereits berufstätigen Personen ist demnach zwischen einer Berufsausbildung (für einen anderen als den ausgeübten Beruf) und einer Fortbildung im erlernten Beruf zu unterscheiden.
26 Dienstrechtliche Begriffe im Zusammenhang mit einer Ausbildung sind dabei nicht ausschlaggebend (vgl. auch VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203).
27 Das Bundesfinanzgericht stützt sich darauf, dass der Sohn der Revisionswerberin mit dem Beginn seines Dienstverhältnisses einen Beruf ausgeübt habe, und verweist auf VwGH 18.12.2018, Ra 2018/16/0203.
28 Der Sohn des Revisionswerbers hat nach den unstrittigen Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes im an die „sechsmonatige Basisausbildung der Grundausbildung (Grenzdienst)“ anschließenden Zeitraum vom März 2017 bis zum März 2019 im Rahmen des erwähnten Dienstverhältnisses als Grenzpolizist Dienst versehen und damit den Beruf eines Polizisten ausgeübt. Der Revisionswerber spricht davon, dass bei seinem Sohn in diesem Zeitraum eine „praktische Verwendung“ erfolgte.
29 Dass die daran wieder anschließende “Ergänzungsausbildung“ während des Streitzeitraums eine Ausbildung zu einem anderen Beruf darstelle, behauptet auch der Revisionswerber nicht.
30 Damit handelt es sich bei dieser Ausbildung um eine im bereits ausgeübten Beruf vorgesehene Fort- oder Weiterbildung im erlernten und ausgeübten Beruf, welche dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit b FLAG zu Folge nur dann einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln kann, wenn sie in einer Fachschule erfolgt. Dass es sich beim „Bildungszentrum der Sicherheitsakademie“ um eine solche Fachschule handle, behauptet der Revisionswerber nicht und geht aus den vorgelegten Akten nicht hervor.
31 Der Revisionswerber zeigt somit nicht auf, dass sein Sohn im Streitzeitraum vom April bis Dezember 2019 für einen (anderen als den bereits ausgeübten) Beruf ausgebildet worden wäre, dem Revisionswerber daher Familienbeihilfe zustünde und er im geltend gemachten Recht verletzt wäre.
32 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 4. November 2020
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