VwGH Ra 2020/15/0127

VwGHRa 2020/15/012717.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, den Hofrat Mag. Novak und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der W OEG in O, vertreten durch die Hosp, Hegen Rechtsanwaltspartnerschaft in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 9a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Oktober 2020, Zl. RV/6100389/2020, betreffend Abrechnung gemäß § 216 BAO, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §216 idF 2004/I/180
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150127.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 23. September 2015 beantragte die revisionswerbende OEG, einen Betrag in Höhe von ca. 130.000 €, der von HW, einem Gesellschafter der OEG, für Umsatzsteuer 2006 und 2007 der OEG überwiesen worden sei, auf das persönliche Abgabenkonto des Gesellschafters zu „überweisen“. Die Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 betreffend die OEG seien nicht rechtswirksam zugestellt worden, weshalb auf ihrem Abgabenkonto ein Guthaben in dieser Höhe bestehen müsse.

2 Nach Ergehen eines Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes in einem parallelen Verfahren wurde dieser Antrag als solcher auf Abrechnung nach § 216 BAO gewertet.

3 Mit Bescheid vom 29. Mai 2019 wies das Finanzamt den Antrag vom 23. September 2015 betreffend die Verbuchung der Zahllasten aus den Umsatzsteuerbescheiden für 2006 und 2007 als verspätet zurück (erster Spruchpunkt). Es sprach aus, dass die Überrechnung des Guthabens in Höhe von ca. 130.000 € vom persönlichen Abgabenkonto des HW auf das Abgabenkonto der OEG am 31. Juli bzw. 1. August 2012 aufgrund eines Antrages des HW bzw. der damaligen steuerlichen Vertretung erfolgt und daher rechtmäßig sei (zweiter Spruchpunkt). Weiters sprach es aus, dass die Verrechnung des Betrages in Höhe von ca. 130.000 € am 1. August 2012 mit dem Rückstand am Abgabenkonto der OEG in gleicher Höhe erfolgt und richtig und rechtmäßig sei, da die Verbuchung der Gebarung hinsichtlich des entstandenen Rückstandes ebenfalls richtig erfolgt sei (dritter Spruchpunkt).

4 Begründend führte das Finanzamt insbesondere aus, ein Antrag nach § 216 BAO sei nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres zulässig, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt sei oder hätte erfolgen müssen. Die Verbuchung der Zahllasten aus den Umsatzsteuerbescheiden für 2006 und 2007 (10. März 2008 und 16. September 2009) sei außerhalb dieser Frist erfolgt, sodass der Antrag für diese Buchungsvorgänge als verspätet zu werten sei. Eine antragsgemäße Durchführung einer Überrechnung eines Guthabens könne nicht rechtswidrig oder unrichtig sein. Die Verrechnung sei sodann mit dem Rückstand am Abgabenkonto der OEG erfolgt; der Rückstand sei aus den Zahllasten betreffend Umsatzsteuer für 2006 und 2007 entstanden. Im Übrigen seien die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 rechtswirksam und rechtskräftig. Die Bescheide seien bekämpft worden, wobei der unabhängige Finanzsenat die rechtswirksame Zustellung der Bescheide ausdrücklich festgestellt habe. Dagegen erhobene Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, seien erfolglos geblieben (VwGH 25.4.2013, 2012/15/0161; VfGH 16.9.2013, B 896/2013; VwGH 24.10.2013, 2013/15/0260). Selbst dann, wenn es sich betreffend Umsatzsteuer 2006 und 2007 um Nichtbescheide gehandelt haben sollte, sei zu beachten, dass die Tilgung einer Abgabenschuld nicht die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe voraussetze (Hinweis auf VwGH 88/17/0075).

5 Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 17. Februar 2020, RV/6100654/2019, teilweise statt und änderte den Spruch des Bescheides dahin ab, dass dieser laute:

„Über den Antrag vom 23.9.2015 auf Abrechnungsbescheid gemäß § 216 Bundesabgabenordnung (BAO) wird entschieden:

Die Überrechnung des Guthabens iHv EUR 133.194,60 vom Abgabenkonto des [HW] auf das Abgabenkonto der [revisionswerbenden Partei] am 31.7.2012 bzw 1.8.2012 erfolgte antragsgemäß und daher rechtmäßig [Spruchpunkt 1].

Die Verrechnung des Betrages von EUR 133.194,60 erfolgte am 1.8.2012 mit dem Rückstand am Abgabenkonto der [revisionswerbenden Partei] in gleicher Höhe und ist richtig und rechtmäßig, da die Verbuchung der Gebarung hinsichtlich des entstandenen Rückstandes ebenfalls richtig erfolgte [Spruchpunkt 2].

Soweit der Antrag gemäß § 216 BAO die Rechtmäßigkeit der Zustellung der Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 und damit die Rechtmäßigkeit der Festsetzung bekämpft, wird er als unzulässig zurückgewiesen [Spruchpunkt 3].“

6 Zur Begründung der mit Spruchpunkt drei erfolgten Zurückweisung führte das Bundesfinanzgericht aus, der unabhängige Finanzsenat habe in seiner Entscheidung vom 12. Juli 2013 ausdrücklich dargelegt, dass die mit 16. September 2009 ergangenen Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2006 und 2007 rechtswirksam zugestellt und daher rechtlich existent seien. Sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof hätten die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt. Über die Frage der Wirksamkeit dieser Bescheide könne weder neuerlich bescheidmäßig abgesprochen werden noch bleibe Raum für Meinungsverschiedenheiten. Der vorliegende Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides ‑ soweit darin Feststellungen zur Wirksamkeit der Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 beantragt würden ‑ entbehre daher der gesetzlichen Grundlage und sei als unzulässig zurückzuweisen (Hinweis auf VwGH 12.11.1997, 96/16/0285).

7 Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. Februar 2020, soweit es den dritten Spruchpunkte ‑ und den davon nicht trennbaren zweiten Spruchpunkt ‑ betraf, mit Erkenntnis vom 27. August 2020, Ra 2020/15/0035, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und begründete die Aufhebung wie Folgt:

„Mit seinem dritten Spruchpunkt wies das Bundesfinanzgericht den Antrag auf Abrechnung aus dem Grund zurück, dass ‚über die Rechtmäßigkeit der Zustellung der Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 und damit die Rechtmäßigkeit der Festsetzung‘ nicht (neuerlich) entschieden werden könne. Das Finanzamt hatte hingegen den Antrag auf Abrechnung zu diesem Punkt wegen Verspätung zurückgewiesen. Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund (Verspätung) nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (VwGH 3.4.2019, Ro 2017/15/0046, mwN).“

8 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 29. Oktober 2020, RV/6100389/2020, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamts vom 29. Mai 2019 betreffend Abrechnung gemäß § 216 BAO, insoweit diese Beschwerde nach der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 2020 wieder unerledigt war, ab. Es führte zur Begründung aus, der Antrag vom 23. September 2015 ziele eindeutig darauf ab, dass die Unrechtmäßigkeit der Zustellung der Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 und damit die Unrechtmäßigkeit der Festsetzung festgestellt werden solle. Von der revisionswerbenden OEG sei nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass ein Abrechnungsbescheid in Betracht komme, wenn Meinungsverschiedenheiten über die Frage bestünden, ob ein Leistungsgebot zugestellt worden sei. Die Verbuchung der Lastschriften aus den Umsatzsteuerbescheiden 2006 und 2007, sei am 10. März 2008 und am 16. September 2009 erfolgt. Der Antrag der OEG vom 23. September 2015 sei demnach nicht innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres gestellt worden, in dem die betreffenden Verbuchungen erfolgt seien, und somit verspätet.

9 Gegen das im fortgesetzten Verfahren ergangene Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der revisionswerbenden OEG.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Das Bundesfinanzgericht stütze seine Entscheidung auf überholte Judikatur zu § 216 BAO in dessen Stammfassung. Im Erkenntnis vom 30. März 2017, Ra 2016/16/0032, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass mit einem Abrechnungsbescheid insbesondere auch die Frage beantwortet werden könne, ob die aus einem Abgabenbescheid resultierende Verbuchung deshalb rechtswidrig gewesen sei, weil der Abgabenbescheid gar nicht wirksam erlassen worden sei. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung sei jedoch die Überprüfung, ob Abgabenbescheide überhaupt wirksam erlassen worden seien, im Rahmen eines Abrechnungsbescheides sehr wohl gestattet und sei daher insbesondere der Antrag gemäß § 216 BAO auch hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Zustellung der Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2006 und 2007 und damit die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung nicht als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

14 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt.

15 § 216 der Bundesabgabenordnung (BAO) idF BGBl. I Nr. 180/2004 lautet:

§ 216. Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.“

16 Das Bundesfinanzgericht interpretierte den Antrag vom 23. September 2015 in unbedenklicher Weise dahingehend, dass er darauf gerichtet sei, die Unrechtmäßigkeit der Zustellung der Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 und damit die Unrechtmäßigkeit der entsprechenden Lastschriften festzustellen. Es stellte hierzu ‑ von der Revision unwidersprochen ‑ fest, dass die aus den Umsatzsteuerbescheiden 2006 und 2007 resultierenden Umsatzsteuerzahllasten am 10. März 2008 und am 16. September 2009 auf dem Abgabenkonto der revisionswerbenden OEG verbucht worden sind. Im Hinblick darauf wies es mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 29. Mai 2019 als unbegründet ab, mit welchem die als Antrag auf Abrechnung gemäß § 216 BAO zu wertende Eingabe der OEG vom 23. September 2015 ‑ soweit sie die Verbuchung der Umsatzsteuerzahllasten 2006 und 2007 betraf ‑ als verspätet zurückgewiesen worden ist. Das Bundesfinanzgericht hat die Bestätigung der vom Finanzamt ausgesprochenen Zurückweisung also im nunmehr angefochtenen Erkenntnis darauf gestützt, dass Anträge auf Abrechnung gemäß § 216 BAO nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig sind, und nicht auf die im Zulässigkeitsvorbringen der Revision angesprochene Rechtsfrage.

17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2020

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