VwGH Ra 2020/14/0302

VwGHRa 2020/14/03025.8.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des XY in Z, vertreten durch Mag. Wissam Barbar, Rechtsanwalt in 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 171/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Mai 2020, W192 2185580‑1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140302.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 25. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er unter anderem mit der Konversion zum Christentum begründete.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 8. Jänner 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem behaupteten Religionswechsel des Revisionswerbers in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen und zu Unrecht von der Einvernahme einer weiteren Zeugin abgesehen.

8 Soweit sich die Revision mit ihrem Vorbringen gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0539, mwN). Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 5.11.2018, Ra 2018/14/0166, mwN).

9 Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. zum Ganzen VwGH 25.3.2020, Ra 2019/14/0130, mwN).

10 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte sowie einen Pastor und ein Mitglied einer österreichischen Freikirche als Zeugen zu seinen religiösen Aktivitäten befragte. Es gelangte mit ausführlicher Begründung, in der es auch die Aussagen der einvernommenen Zeugen würdigte, zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Dabei stütze sich das Bundesverwaltungsgericht unter anderem darauf, dass der Revisionswerber seine Motivation für den Glaubenswechsel nicht schlüssig habe darlegen können und außerstande gewesen sei, grundlegende Informationen über den christlichen Glauben und die von ihm besuchte Freikirche anzuführen oder anzugeben, welches sein Lieblingsgebet oder was das erste Fest gewesen sei, das er als getaufter Christ gefeiert habe. Der Revision, die nur einzelne Aspekte der umfangreichen beweiswürdigenden Erwägungen anspricht, gelingt es nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung insgesamt fallbezogen unvertretbar wäre.

11 Wenn in der Revision die unterbliebene Vernehmung einer weiteren Zeugin angesprochen wird, so ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ‑ um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen ‑ in der Revision konkret darzulegen ist, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung aussagen hätte können und welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, mwN). Die Revision enthält in ihrer Zulässigkeitsbegründung keine ausreichende Relevanzdarstellung im soeben dargelegten Sinn. Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht ohnehin von den in der Revision angesprochenen nach außen hin gesetzten religiösen Aktivitäten des Revisionswerbers ausgegangen ist und dem Revisionswerber ein Interesse am Christentum nicht abgesprochen hat. Ein krasser, die Rechtssicherheit beeinträchtigender Verfahrensfehler kann daher nicht erblickt werden.

12 Soweit sich die Revision weiters gegen die Annahme der Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Revisionswerber in der Stadt Mazar‑e Sharif wendet und die Heranziehung veralteter Länderbericht rügt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN).

13 Dies gelingt der Revision nicht. Entgegen dem Revisionsvorbringen traf das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen hinreichend aktuelle Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar‑e Sharif und setzte sich mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinander. Es entspricht in Bezug auf Afghanistan der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einem arbeitsfähigen Asylwerber, der über Schulbildung und Berufserfahrungen verfügt, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist, auch ohne soziale und familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar‑e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2019/14/0394, mwN; zur Lage nach Afghanistan rückkehrender Hazara vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0282). Die Revision greift die der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Feststellungen des Revisionswerbers nur unsubstantiiert an. Es gelingt ihr nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Prüfung von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen und dem Revisionswerber die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative unzumutbar wäre.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. August 2020

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