VwGH Ra 2020/14/0025

VwGHRa 2020/14/00256.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. November 2019, W142 1423345-3/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art7 Abs1
MRK Art8
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140025.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 2. November 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 wies das (damals zuständige) Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), ohne in die Sache einzutreten, als unzulässig zurück und stellte fest, dass Ungarn für die Prüfung des Antrages zuständig sei. Zudem wurde der Revisionswerber aus dem Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des damaligen Asylgerichtshofes vom 25. Jänner 2012 als unbegründet abgewiesen.

3 Am 27. Juni 2012 stellte der Revisionswerber (aus dem Stande der Schubhaft) in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

4 Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 31. Jänner 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und verfügte die Ausweisung des Revisionswerbers nach Afghanistan.

5 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2014 stattgegeben und die Rechtssache zur neuerlichen Feststellung des Sachverhaltes und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. 6 Mit Bescheid vom 3. Juni 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz im zweiten Rechtsgang zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Es legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

7 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die Revision wendet sich in ihrem Vorbringen zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausschließlich gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung. Insbesondere habe das Bundesverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich der Revisionswerber seit rund sieben Jahren und fünf Monaten legal im Bundesgebiet aufhalte und ihn kein Verschulden an der Länge der Verfahrensdauer treffe. Die unzureichende Berücksichtigung dieser Umstände stelle nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Willkür dar. 12 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 12.12.2019, Ra 2019/14/0242, mwN). Die durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0492, mwN).

13 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Interessenabwägung alle entscheidungswesentlichen und auch die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände berücksichtigt, wobei es insbesondere die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich in seine Abwägung einbezogen hat. Die Revision legt nicht dar, dass diese Interessenabwägung fallbezogen unvertretbar wäre oder die Gewichtung dieser Umstände durch das Bundesverwaltungsgericht nicht mit den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien in Einklang stünde.

14 Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass dem Umstand der überlangen Verfahrensdauer lediglich dann Relevanz für den Verfahrensausgang zukäme, wenn sich während der Verfahrensdauer schützenswerte familiäre oder private Interessen herausgebildet hätten (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0122). Derartiges wurde in der Revision nicht behauptet.

15 Darüber hinaus ist der Revisionswerber, insoweit er dem Bundesverwaltungsgericht Willkür vorwirft, darauf zu verweisen, dass es sich hierbei nicht um vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechte handelt (vgl. VwGH 12.9.2017, Ra 2017/01/0267, mwN). Gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG sind Rechtssachen, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen. 16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

17 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichthof abgesehen werden.

Wien, am 6. Februar 2020

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