Normen
FSG-GV 1997 §14 Abs1
FSG-GV 1997 §14 Abs5
VwGG §42 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110101.L00
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Im Verwaltungsakt findet sich der mit 24. September 2019 datierte Antrag der Revisionswerberin auf Ausstellung (Verlängerung) eines Führerscheines („Führerscheinduplikates“) für die Klassen AM und B, in welchem die bisherige ‑ bis 8. Oktober 2019 befristete ‑ Lenkberechtigung angeführt ist.
2 Mit mündlich verkündetem Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 2019 wurde die Lenkberechtigung der Revisionswerberin in der „zeitlichen Gültigkeit durch die Befristung bis 08.10.2020 eingeschränkt“ und gleichzeitig als Auflage (u.a.) die periodische Beibringung einer „Haarprobe auf EtG“ im Abstand von drei Monaten samt amtsärztlicher Nachuntersuchung gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 FSG vorgeschrieben.
3 In der Begründung wurde auf das amtsärztliche Gutachten vom 8. Oktober 2019 über die befristete gesundheitliche Eignung der Revisionswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen verwiesen. Dieses Gutachten erwähne ein Alkoholdelikt der Revisionswerberin und führe aus, die Revisionswerberin „wirke im Allgemeinaspekt und kognitiv durch eine Alkoholkarriere gekennzeichnet“, der aktuelle CDT‑Wert finde sich im „oberen Normbereich“, sodass eine „engmaschige Observanz hinsichtlich der Rückfallprophylaxe“ unbedingt erforderlich erscheine.
4 Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde und machte geltend, dass es sich beim erwähnten Alkoholdelikt um eine bereits im Jahr 2014 erfolgte Alkotestverweigerung handle. Aus dem amtsärztlichen Gutachten könne die eingeschränkte gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen auch deshalb nicht abgeleitet werden, weil die Einschränkung der Lenkberechtigung lediglich empfohlen, aber nicht als unerlässlich bezeichnet worden sei.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 8. Oktober 2019 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides zurück. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
6 In der Begründung wurde (unter „Sachverhalt, Beweiswürdigung“) zunächst ausgeführt, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben können, weil „schon aufgrund der Aktenlage“ feststehe, dass der bekämpfte Bescheid aufzuheben sei. Daran anschließend wird jedoch festgehalten, das Verwaltungsgericht habe eine (mit 18. Februar 2020 datierte) „ergänzende amtsärztliche Stellungnahme“ eingeholt, die ergeben habe, dass bei der Revisionswerberin „Hinweise auf eine Alkoholabhängigkeit oder einen gehäuften Alkoholmissbrauch vorhanden“ seien und dass die Revisionswerberin (gemeint: vor Erstellung der beiden amtsärztlichen Gutachten) nicht zur Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme aufgefordert worden sei.
7 In der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgebenden Rechtsvorschriften des FSG bzw. der FSG‑GV aus:
„Der Amtsarzt kam im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass bei der [Revisionswerberin] Hinweise auf vorangegangenen langjährigen schädlichen Gebrauch von Alkohol gegeben sind, was einem Verdacht eines gehäuften Missbrauches von Alkohol in der Vergangenheit gleich zu setzen ist.
Für diesen Fall verlangt § 14 Abs. 5 FSG‑GV zwingend die Einholung einer fachärztlichen (psychiatrischen) Stellungnahme zur Abklärung der gesundheitlichen Eignung. Diese hat die belangte Behörde jedoch bisher nicht eingeholt. Das amtsärztliche Gutachten, welches ohne Einholung dieser verpflichtend vorgesehenen fachärztlichen Stellungnahme erstellt wurde, ist daher nicht schlüssig und durfte der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.“
8 Davon ausgehend sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts der Bescheid vom 8. Oktober 2019 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Sache an die belangte Behörde zur Einholung der fachärztlichen Stellungnahme zurückzuverweisen gewesen.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
11 Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, das Verwaltungsgericht sei hinsichtlich seiner Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
12 Auch in den Revisionsgründen wird (u.a.) gerügt, die Verhandlung sei rechtswidrig unterblieben, weil das Verwaltungsgericht in für die Revisionswerberin überraschender Weise erstmals einen gehäuften Alkoholmissbrauch der Revisionswerberin angenommen habe.
13 Die Revision ist begründet:
14 Der angefochtene Beschluss beruht auf der Ansicht, bei der Revisionswerberin gäbe es ‑ nach den Ausführungen im ergänzten Gutachten vom 18. Februar 2020 ‑ „Hinweise“ auf vorangegangenen langjährigen schädlichen Gebrauch von Alkohol bzw. den „Verdacht“ eines gehäuften Missbrauches von Alkohol in der Vergangenheit, sodass gemäß § 14 Abs. 5 FSG‑GV die Einholung einer fachärztlichen Stellungnahme erforderlich und daher die Sache zum Zweck der Einholung einer solchen Stellungnahme an die belangte Behörde zurückzuverweisen gewesen sei (vgl. zur Bindung der belangten Behörde an diese Rechtsansicht § 28 Abs. 4 letzter Satz VwGVG).
Der angefochtene Beschluss stützt sich somit auf die vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachtensergänzung, sodass keine Rede davon sein kann, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG habe unterbleiben können, weil sich „schon aufgrund der Aktenlage“ die Notwendigkeit der Aufhebung des Bescheides vom 8. Oktober 2019 zum Zwecke der Einholung der fachärztlichen (psychiatrischen) Stellungnahme ergebe (vgl. zu einem ähnlichen Fall VwGH 23.6.2020, Ra 2019/11/0209).
15 Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage im Revisionsfall auch aus einem weiteren Grund verkannt:
Gemäß § 14 Abs. 5 FSG‑GV ist Personen, die alkohol‑, suchtmittel‑ oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.
Für die Erfüllung des letztgenannten Tatbestandes reichen daher die vom Verwaltungsgericht erwähnten (bloßen) „Hinweise“ auf den schädlichen Gebrauch von Alkohol bzw. der „Verdacht“ eines gehäuften Alkoholmissbrauches durch die Revisionswerberin nicht (anders ‑ in Bezug auf eine aktuelle Abhängigkeit ‑ § 14 Abs. 1 letzter Satz FSG‑GV).
16 Der angefochtene Beschluss war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. Dezember 2020
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