VwGH Ra 2020/08/0136

VwGHRa 2020/08/013628.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer und die Hofrätin Dr. Julcher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der B O in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2020, Zl. W229 2198692‑1/10E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien, Schönbrunner Straße), den Beschluss gefasst:

Normen

AlVG 1977 §50 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080136.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde das Arbeitslosengeld der Revisionswerberin für näher angeführte Zeiträume der Jahre 2016 und 2017 gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG das unberechtigt empfangene Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 9.187,81 rückgefordert. Das Bundesverwaltungsgericht sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG in erster Linie vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es davon ausgegangen sei, dass die Revisionswerberin jedenfalls eine Meldepflicht hinsichtlich der Steigerung ihrer Arbeitszeit getroffen habe, unabhängig davon, ob sie die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze erkennen hätte können.

6 Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts steht allerdings im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Arbeitslose hat nämlich gem. § 50 Abs. 1 AlVG dem Arbeitsmarktservice jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird jedenfalls auch bewirkt, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Arbeitszeiterhöhung erfolgt bzw. die Leistung von Mehrarbeit vereinbart wird. Diese Umstände sind auch dann zu melden, wenn sie nach Auffassung des Arbeitslosen den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermögen (vgl. dazu etwa VwGH 23.5.2012, 2010/08/0119, mwN; vgl. dazu auch VwGH 23.12.2014, Ra 2014/08/0061). Dem Hinweis der Revision, es wäre „Zeitausgleich“ vereinbart worden, ist zu entgegnen, dass dieser hinsichtlich § 5 Abs. 2 ASVG einen fixen Zeitlohn voraussetzen würde, der nach den Feststellungen aber nicht vereinbart war.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs rechtfertigt zudem die Verletzung der Meldepflicht nach § 50 Abs. 1 AlVG die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen (vgl. dazu VwGH 16.2.2011, 2007/08/0150).

8 In der Revision wird zudem vorgebracht, dass der Rückforderungstatbestand der Herbeiführung des Bezugs von Arbeitslosengeld „durch Verschweigung maßgebender Tatsachen“ gem. § 25 Abs. 1 AlVG nicht verwirklicht sei, weil es an der notwendigen subjektiven Komponente, dem ‑ zumindest bedingten ‑ Vorsatz der Revisionswerberin, fehle. Die Meldung sei nämlich „aus unverschuldeter Unkenntnis des wahren Sachverhaltes“ unterblieben.

9 Auch mit diesem Vorbringen gelingt es der Revisionswerberin nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen.

10 Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. VwGH 9.4.2020, Ra 2020/16/0023, mwN). Die Beweiswürdigung ist einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft ‑ so z. B., wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre ‑ erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf (vgl. dazu VwGH 8.6.2015, Ra 2015/08/0005 sowie VwGH 3.9.2019, Ra 2018/15/0035).

11 Eine derart grob fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings im Revisionsfall nicht ersichtlich.

12 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. September 2020

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