VwGH Ra 2015/08/0005

VwGHRa 2015/08/00058.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision der revisionswerbenden Partei A S in Wien, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. April 2014, Zl. VGW- 041/V/057/23162/2014-1, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Verwaltungsstrafsache nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs9;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §33 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art133 Abs9;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Verhandlung am 21. Februar 2014 ab. Nach der wesentlichen Begründung sei der Revisionswerber der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben, sein eingeschrittener Rechtsvertreter habe lediglich mitgeteilt, dass er krank sei, ein diesbezüglicher Nachweis (Vorlage einer ärztlichen Bestätigung) sei weder in der Verhandlung noch späterhin erfolgt. Eine Erkrankung stelle auch nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn sie einen Zustand der fehlenden Dispositionsfähigkeit zur Folge habe und derart plötzlich und schwer auftrete, dass der Erkrankte nicht mehr imstande sei, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen. Aus dem Vorbringen ergebe sich nicht, dass die Dispositionsfähigkeit soweit eingeschränkt gewesen sei, dass eine Krankmeldung nicht an das Gericht übermittelt werden konnte. Das Vorliegen eines unvorhergesehenen Ereignisses sei daher nicht glaubhaft gemacht worden.

Das Verwaltungsgericht sprach im angefochtenen Beschluss aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

In der nunmehr vorliegenden außerordentlichen Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

1. Der Revisionswerber rügt, das Verwaltungsgericht habe über den als Hauptbegehren erhobenen Antrag auf Wiedereröffnung des Beweisverfahrens nicht (abschlägig) entschieden. Es hätte daher - im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - über den bloß als Eventualbegehren gestellten Wiedereinsetzungsantrag gar nicht entscheiden dürfen.

Vorliegend kann aber zwanglos von einer impliziten negativen Erledigung des Primärantrags ausgegangen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2001/02/0128). Dafür spricht, dass das Verwaltungsgericht - wenn es bereits dem Begehren auf Wiedereröffnung der Beweisaufnahme entsprochen hätte -

nicht nur über den Wiedereinsetzungsantrag nicht mehr hätte entscheiden dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. November 2014, Zl. 2013/03/0152 uva.), sondern auch tatsächlich nicht mehr entschieden hätte, wäre doch durch die Wiedereröffnung im Ergebnis bereits das angestrebte Rechtsschutzziel wie bei einer Wiedereinsetzung verwirklicht gewesen.

2. Der Revisionswerber macht geltend, er habe die Ladung zur Verhandlung durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis - nämlich durch die plötzlich am Nachmittag des Vortags aufgetretene und derart schwere ihm die Dispositionsfähigkeit raubende Erkrankung (fieberhafter grippaler Infekt mit notwendiger Bettruhe) - ohne jedes Verschulden nicht wahrnehmen können und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten. Sein Fernbleiben sei durch seinen Rechtsvertreter entschuldigt worden, ein weitergehender Nachweis (Vorlage einer ärztlichen Bestätigung bis zum Verhandlungsbeginn) sei krankheitsbedingt nicht möglich gewesen.

Die Frage, ob im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Versäumung der Verhandlung geführt hat bzw. ob der Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt wurde, unterliegt aber grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.

Eine derartige Fehlbeurteilung ist im Revisionsfall nicht ersichtlich, vielmehr hat sich das Verwaltungsgericht an den vom Verwaltungsgerichtshof zu § 71 AVG entwickelten, auf § 33 VwGVG übertragbaren Grundsätzen orientiert.

3. Der Revisionswerber moniert ferner, das Verwaltungsgericht habe ihn nicht als Partei einvernommen und dadurch wesentliche Verfahrensgrundsätze verletzt. Im Fall seiner Einvernahme hätte er die fehlende Dispositionsfähigkeit schildern können, sodass vom Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes auszugehen gewesen wäre.

Mit diesem Vorbringen wird schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil die vom Revisionswerber begehrte eigene Einvernahme in der Regel eine ärztliche Bescheinigung nicht ersetzen kann. Für die Frage der Unabwendbarkeit eines Hindernisses, bei der Verhandlung zu erscheinen, ist nicht die subjektive Einschätzung der Erkrankung maßgebend, sondern die objektivierbare Gebotenheit aus medizinischer Sicht, der Verhandlung fern zu bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2007/05/0088).

4. Insgesamt war daher die außerordentliche Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Wien, am 8. Juni 2015

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