VwGH Ra 2019/20/0567

VwGHRa 2019/20/056728.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des N R in W, vertreten durch Dr. Malena Stürzenbecher, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Laudongasse 20/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. September 2019, W218 1439085- 2/10E, betreffend Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie rechtlich davon abhängende Aussprüche nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200567.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der aus Afghanistan stammende (im März 1997 geborene) Revisionswerber reiste im Jahr 2012 in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Die Zuerkennung von Asyl blieb ihm versagt. Jedoch wurde dem (zu dieser Zeit bereits volljährigen) Revisionswerber mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 2015 gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine bis zum 17. April 2016 gültige befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2 Über Antrag des Revisionswerbers vom 26. März 2016 verlängerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 8. Mai 2018 die Gültigkeit dieser Aufenthaltsberechtigung bis zum 17. April 2020. Dem Akteninhalt zufolge (Zustellverfügung vom 8. Mai 2018, AS 85) wurde die Zustellung dieses Bescheides an den Revisionswerber mittels RSa-Briefsendung vorgesehen. Ein Nachweis über die Zustellung des Bescheides vom 8. Mai 2018 findet sich in den vorgelegten Akten nicht.

3 Aus einer im Verwaltungsakt erliegenden Stellungnahme des Revisionswerbers vom 22. Mai 2018 ergibt sich, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem (ebenfalls nicht im Akt einliegenden) Schreiben vom 12. April 2018 dem Revisionswerber zur Kenntnis gebracht hatte, dass es beabsichtigte, dem Revisionswerber den ihm im Jahr 2015 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen. In seiner Stellungnahme führt der Revisionswerber (u.a.) aus, es sei nicht nachvollziehbar, dass die Behörde, obwohl sie "mittels Bescheid vom 08.05.2018 bereits festgestellt habe, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung meiner befristeten Aufenthaltsberechtigung als vorliegend betrachtet" worden seien, "zeitgleich" davon ausgehe, die Gründe für die Gewährung von subsidiärem Schutz lägen nicht mehr vor.

4 Nach Durchführung weiterer Ermittlungen sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 29. Juni 2018 aus, dass dem Revisionswerber der ihm mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 2015 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 aberkannt, die ihm mit diesem Erkenntnis erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 4. September 2019 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 9. Oktober 2019, E 3587/2019-10, ablehnte und diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 8. November 2019, E 3587/2019-12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision erweist sich mit Blick auf das zu ihrer Zulässigkeit geltend gemachte Vorbringen, es läge kein seit der mit Bescheid vom 8. Mai 2018 erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geänderter Sachverhalt vor, der die Aberkennung des subsidiären Schutzes rechtfertige, als zulässig und auch berechtigt.

9 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen.

10 Wie zuvor das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete das Bundesverwaltungsgericht die Aberkennung des subsidiären Schutzes im vorliegenden Fall damit, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorlägen und stützte demnach die Aberkennung auf den zweiten Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.

11 In seiner Begründung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, die befristete Aufenthaltsberechtigung des Revisionswerbers sei mit Bescheid vom 8. Mai 2018 bis zum 17. April 2020 erteilt worden.

12 Wie sich aus der weiteren Begründung des Bundesverwaltungsgerichts (an diversen Stellen) ergibt, vertrat es die Auffassung, es habe bei der Prüfung, ob sich die Umstände derart geändert hätten, sodass die Aberkennung des subsidiären Schutzes auszusprechen sei, einen Vergleich der aktuellen Situation mit jener vorzunehmen, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zuerkennung dargeboten habe (vgl. angef. Erk. S. 69: "... eine Änderung des Sachverhalts im Vergleich zur Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts ...", S. 74: "... Lage des Beschwerdeführers im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt(..) geändert hat", S. 79: "... im Gegensatz zur Situation des Beschwerdeführers im Jahr 2012 bzw. 2015 hat der Beschwerdeführer nunmehr ..."). 13 Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeigt somit, dass das Bundesverwaltungsgericht von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist, die Änderung der Umstände ausschließlich im Vergleich mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 17. April 2015, mit dem dem Revisionswerber der Status des subsidiärer Schutzberechtigten zuerkannt worden war, beurteilen zu müssen, während der (vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten) zuletzt erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung am 8. Mai 2018 zu Unrecht keine Beachtung geschenkt worden ist. 14 Schon dies führt zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. zu einem gleichgelagerten Fall VwGH 17.10.2019, 2019/18/0353, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen), sodass auf das übrige Vorbringen in der Revision nicht mehr einzugehen war. 15 Sohin war das angefochtene Erkenntnis - zur Gänze, weil die Beschwerdeabweisung betreffend die übrigen von der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtlich abhängenden Aussprüche ihre Grundlage verliert - wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 16 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4, Z 5 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

17 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 28. Jänner 2020

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