VwGH Ra 2019/11/0139

VwGHRa 2019/11/013928.5.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des D S in A, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 14. Mai 2019, Zl. LVwG‑651424/3/ZO/KA, betreffend Zurückverweisung i.A. Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), den Beschluss gefasst:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z2
FSG-GV 1997 §14 Abs5
FSG-GV 1997 §2 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110139.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit (nach der Aktenlage rechtskräftigem) Mandatsbescheid vom 19. Oktober 2018 wurde der Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 4 FSG zur amtsärztlichen Untersuchung aufgefordert, weil er im August 2018 mit Marihuana und einer „Grasmühle“ angetroffen worden sei und im Zuge der anschließenden Vernehmung angegeben habe, seit etwa einem Jahr regelmäßig Joints zu konsumieren.

2 Laut Aktenvermerk des Amtsarztes vom 11. Dezember 2018 habe der Revisionswerber im Zuge der amtsärztlichen Untersuchung am 5. Dezember 2018 zwar angegeben, „zuletzt 7/2018 verbotene Substanzen konsumiert zu haben“, doch habe er gleichzeitig im Zuge der Untersuchung „probeweise und freiwillig einen auf THC positiven Harn abgegeben“ (Laborbefund Canna‑Messwert > 125 ng/ml bei einem Referenzbereich bis 50 ng/ml), sodass er zu einer zweiten Probe vorgeladen werden müsse.

3 Nach einem aktenkundigen weiteren Laborbefund war der Canna‑Messwert des Revisionswerbers am 18. Jänner 2019 neuerlich > 125 ng/ml.

4 Mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 27. März 2019 wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers gemäß § 25 Abs. 1 und 2 FSG mangels gesundheitlicher Eignung (nach dem damit „vollinhaltlich“ bestätigten Mandatsbescheid: für die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung) entzogen und der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde verfügt. In der Begründung wurde auf das „hoch positive Ergebnis“ der beiden Harnproben des Revisionswerbers auf Cannabinoide verwiesen, welche das Fehlen seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bedinge. Die Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung könne der Revisionswerber durch Drogenabstinenz nachweisen, wobei er dazu, wie vom Amtsarzt verlangt, eine „negative Haarprobe“ beizubringen habe.

5 In der Beschwerde bestritt der Revisionswerber eine Suchtmittelabhängigkeit und einen gehäuften Missbrauch von Suchtmitteln, bekämpfte die als notwendig erachtete „Haarprobe“, weil seines Erachtens zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung als gelinderes Mittel eine „Harnanalyse“ reiche und beantragte, das Verwaltungsgericht möge die Sache an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen oder den Vorstellungsbescheid dahin abändern, dass anstelle der Entziehung der Lenkberechtigung die Einschränkung derselben „durch engmaschige Harnproben ... zum Beleg der Suchtmittelabstinenz“ ausgesprochen werde.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers Folge, behob den genannten Vorstellungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.

7 In der Begründung legte das Verwaltungsgericht sachverhaltsmäßig die beiden „stark positiven“ Harnproben des Revisionswerbers betreffend Cannabinoide zugrunde, die seiner Behauptung über den zuletzt im Juli 2018 erfolgten Konsum verbotener Substanzen entgegen stünden. Diese beiden Harnproben (sowie eine weitere im Beschwerdeverfahren am 26. April 2019 vorgelegte positive Harnanalyse) „legen nahe“, dass der Revisionswerber „in dieser Zeit regelmäßig und in nicht bloß ganz geringen Mengen Cannabis konsumiert hat“, wobei nicht von einem gelegentlichen Konsum, sondern von einem gehäuften Suchtmittelmissbrauch ausgegangen werden müsse.

8 Daher, so die auf das Wesentliche zusammengefasste rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts, sei gegenständlich gemäß § 14 Abs. 1 und 5 FSG‑GV die Einholung einer fachärztlichen (psychiatrischen) Stellungnahme zwingend erforderlich und stelle das wichtigste Beweismittel dar, ohne welches die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers durch den Amtsarzt unvollständig und unschlüssig sei.

9 In einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem die belangte Behörde lediglich ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe, sei ausnahmsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (Hinweis u.a. auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

14 Das Führerscheingesetz (FSG) lautet auszugsweise:

„§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

....“

15 § 14 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG‑GV) lautet auszugsweise:

„Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, daß sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

...

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Mißbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.“

16 § 14 Abs. 5 FSG‑GV gilt nach der hg. Rechtsprechung nicht nur für die (Wieder‑)Erteilung der Lenkberechtigung, sondern auch für den Fall einer bereits bestehenden Lenkberechtigung hinsichtlich ihrer Einschränkung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/11/0088). Ist daher ein gehäufter Suchtmittelmissbrauch in der rezenten Vergangenheit zu bejahen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. Oktober 2016, Ra 2016/11/0109 [mit Verweis auf das letztzitierte Erkenntnis] zum Cannabiskonsum bis 9 Monate vor der Entscheidung über die Einschränkung der Lenkberechtigung), so ist die Belassung der Lenkberechtigung unter der Auflage (näher zu präzisierender) ärztlicher Kontrolluntersuchungen (sowie gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz iVm der Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung) nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme zulässig.

17 Der angefochtene Beschluss beruht zusammengefasst auf der Ansicht, im gegenständlichen Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung müsse, nicht zuletzt als Grundlage für das amtsärztliche Gutachten betreffend die gesundheitliche Eignung des Revisionswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen, gemäß § 14 Abs. 1 bzw. 5 FSG‑GV zwingend eine fachärztliche (psychiatrische) Stellungnahme eingeholt werden, ohne die der Sachverhalt lediglich ansatzweise ermittelt sei, was zur Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde berechtige.

18 Der Revisionsfall gleicht, sowohl was die zwingend erforderliche Einholung einer fachärztlichen (psychiatrischen) Stellungnahme gemäß § 14 FSG‑GV betrifft (das Verwaltungsgericht leitet aus den vom Revisionswerber selbst vorgelegten Harnbefunden mit überhöhten Cannabinoidwerten, zuletzt auch jenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten, vertretbar einen zumindest ‑ nahe liegenden ‑ gehäuften Suchtmittelmissbrauch, also jedenfalls den Verdacht iSd § 14 Abs. 1 zweiter Satz FSG‑GV ab) als auch was die Erfüllung der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG anlangt, dem hg. Beschluss vom 28. Mai 2020, Ra 2019/11/0135, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2020

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte