VwGH Ro 2018/22/0019

VwGHRo 2018/22/001930.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des Landeshauptmanns von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. September 2018, VGW‑151/076/2091/2018‑12, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: L M, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3), zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §64 Abs1 idF 2018/I/056
NAG 2005 §64 Abs1 Z2 idF 2018/I/056
NAGDV 2005 §8 Z8 lita idF 2018/II/229
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018220019.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Die im Jahr 1964 geborene Mitbeteiligte, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 19. Februar 2017 bei der Österreichischen Botschaft Teheran einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende gemäß § 64 Abs. 1 Niederlassungs‑ und Aufenthaltsgesetz (NAG).

1.2. Die Mitbeteiligte hat bereits davor einen „Bescheid“ der Universität Wien vom 11. November 2016 „über Ihren Antrag auf Zulassung zum Studium“ erwirkt, der lautete:

„Aufgrund Ihres Antrags vom 27.06.2016 können Sie zum Bachelorstudium Biologie unter nachstehenden Bedingungen, die Sie VOR der tatsächlichen Zulassung zum ordentlichen Studium erfüllen müssen, zugelassen werden:

- Persönliche Vorlage jener Originaldokumente, die als Zulassungsvoraussetzung für die elektronische Antragstellung [...] angefordert wurden. Bei Nichtvorlage der Originaldokumente oder bei begründetem Zweifel über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit dieser Originaldokumente kann die Zulassung nicht erteilt werden.

- Es ist ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung zum Studium zu absolvieren, das der Vergabe der begrenzt zur Verfügung stehenden Studienplätze für StudienanfängerInnen dient.

- Ergänzungsprüfung Deutsch (Niveau B2/2)

Die zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zulassung geltende Rechtslage ist maßgeblich.“

2.1. Mit Bescheid vom 29. November 2017 wies der (nunmehrige) Revisionswerber den Antrag der Mitbeteiligten ab. Er führte dazu im Wesentlichen aus, im Ermittlungsverfahren seien begründete Zweifel aufgetreten, dass die Mitbeteiligte ein Studium tatsächlich aufnehmen und absolvieren werde. Es bestehe ‑ aus näher erörterten Gründen ‑ der Verdacht, dass die Mitbeteiligte keine Studienabsicht, sondern eine Niederlassungsabsicht habe und eine verdeckte Familienzusammenführung in Österreich anstrebe, wo bereits zwei Söhne aufhältig seien und wohin sie auch vom Ehemann (der zeitgleich eine von ihr als Zusammenführende abgeleitete Aufenthaltsbewilligung Familiengemeinschaft beantragt habe) begleitet werden solle. Es fehle daher an den besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 1 Z 2 NAG, der Antrag sei schon deshalb abzuweisen.

2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde mit dem wesentlichen Vorbringen, sie erfülle sämtliche Voraussetzungen für die beantragte Aufenthaltsbewilligung. Sie sei von Seiten der Universität zum Studium zugelassen worden, der „Bescheid“ vom 11. November 2016 sei als Aufnahmebestätigung zu werten. Sie beabsichtige, das Studium auch tatsächlich aufzunehmen, eine Niederlassungsabsicht bzw. eine Absicht zur Familienzusammenführung liege nicht vor. Die ‑ näher erörterten ‑ Bedenken des Revisionswerbers seien nicht begründet.

2.3. Mit Schreiben vom 15. Mai 2018 teilte die Universität Wien dem Verwaltungsgericht mit, dass die Mitbeteiligte noch nicht ‑ weder als ordentliche Studierende noch als außerordentliche Studierende im Rahmen des Vorstudienlehrgangs ‑ an der Universität Wien zugelassen worden sei.

Mit weiterem Schreiben vom 6. Juli 2018 teilte die Universität Wien mit, dass der Mitbeteiligten zu ihrem Antrag auf Zulassung zum Bachelorstudium Biologie mit 11. November 2016 ein positiver „Bescheid“ ausgestellt worden sei. Die darin genannte Ergänzungsprüfung Deutsch könne die Mitbeteiligte im Rahmen des Vorstudienlehrgangs der Wiener Universitäten als außerordentliche Studierende absolvieren. Was das Schreiben vom 15. Mai 2018 betreffe, so sei die darin erteilte Information zum aktuellen Zulassungsstatus korrekt. Die Mitbeteiligte habe noch nicht persönlich in der Studienzulassung vorgesprochen, um sich auf Grund des „Bescheids“ vom 11. November 2016 zum Studium einzuschreiben, sie sei daher noch keine ordentliche Studierende an der Universität und auch keine außerordentliche Studierende im Rahmen des Vorstudienlehrgangs. Der „Zulassungsbescheid“ sei weiterhin gültig, die Mitbeteiligte könne daher innerhalb der laufenden Zulassungsfrist oder in einer der nächsten Zulassungsfristen zum Studium zugelassen werden.

3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde statt und erteilte der Mitbeteiligten die beantragte Aufenthaltsbewilligung für die Dauer von zwölf Monaten.

3.2. Das Verwaltungsgericht traf eingehende Feststellungen zum Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen.

Weiters hielt es fest, dass der Mitbeteiligten ein positiver „Zulassungsbescheid“ der Universität Wien ausgestellt worden sei. Sie könne die darin vorgesehene Ergänzungsprüfung Deutsch im Rahmen des Vorstudienlehrgangs als ordentliche (offenbar gemeint: außerordentliche) Studierende absolvieren. Da sie noch nicht persönlich in der Studienzulassung vorgesprochen habe, um sich einschreiben zu lassen, sei sie derzeit weder ordentliche noch außerordentliche Studierende. Die Mitbeteiligte habe weiterhin vor, das Studium aufzunehmen.

3.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen seien erfüllt.

Was die besonderen Erteilungsvoraussetzungen betreffe, so komme es auf die vom Revisionswerber geäußerten Zweifel, ob die Mitbeteiligte ein Studium tatsächlich aufnehmen und absolvieren werde, nicht an. Die NAG‑Durchführungsverordnung (NAG‑DV) sehe zum Nachweis der besonderen Erteilungsvoraussetzungen die Vorlage einer Aufnahmebestätigung einer inländischen Universität vor. Vom Vorliegen einer solchen Bestätigung sei hier auszugehen, verfüge doch die Mitbeteiligte über einen aufrechten positiven „Bescheid“ der Universität über die Zulassung zum Studium. Soweit diese Erledigung als Bedingung die positive Ablegung der Ergänzungsprüfung Deutsch vorsehe, könne diese im Rahmen des Vorstudienlehrgangs absolviert werden. Im Hinblick darauf seien auch die besonderen Erteilungsvoraussetzungen erfüllt.

3.4. Das Verwaltungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob ein „Zulassungsbescheid“ einer Universität, der die tatsächliche Zulassung zum ordentlichen Studium unter einer Bedingung (etwa der Absolvierung der Ergänzungsprüfung Deutsch) ausspreche, als Aufnahmebestätigung und damit als Nachweis für die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen qualifiziert werden könne.

4.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die ordentliche (Amts)Revision, in der zur Zulässigkeit (unter anderem) ausgeführt wird, die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits beantwortet worden (Hinweis auf VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0141). Demnach stelle der „Bescheid“ einer Universität, der ‑ wie hier ‑ Bedingungen aufweise, die vor der tatsächlichen Zulassung zum ordentlichen Studium zu erfüllen seien, keine Aufnahmebestätigung und somit keinen Nachweis für die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen dar. Das Verwaltungsgericht sei von dieser Rechtsprechung abgewichen.

4.2. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit einem Zurück‑ bzw. Abweisungsantrag.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat ‑ in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat ‑ erwogen:

Die Revision ist aus dem vom Revisionswerber geltend gemachten Grund zulässig und auch begründet.

6.1. Gemäß § 64 Abs. 1 NAG in der ‑ mit Blick auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts maßgeblichen (vgl. VwGH 13.6.2019, Ra 2018/22/0293) ‑ Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ist Drittstaatsangehörigen eine Aufenthaltsbewilligung als Student auszustellen, wenn sie ‑ unter anderem ‑ ein ordentliches Studium an einer Universität (oder einer anderen aufgezählten Bildungseinrichtung) absolvieren (Z 2 leg. cit.) oder ein außerordentliches Studium im Rahmen eines Universitätslehrgangs gemäß § 56 Universitätsgesetz 2002 (oder eines anderen aufgezählten Lehrgangs) absolvieren, welches auf die in der Zulassungsentscheidung vorgeschriebene Ergänzungsprüfung vorbereitet (Z 4 leg. cit.).

Gemäß § 8 Z 8 lit. a NAG‑DV, in der maßgeblichen Fassung BGBl. II Nr. 229/2018, ist ‑ zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen ‑ einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ eine Aufnahmebestätigung der Universität (oder der jeweiligen anderen Bildungseinrichtung) anzuschließen.

6.2. Die ‑ durch eine dem Antrag anzuschließende Aufnahmebestätigung der Universität nachzuweisende ‑ aufrechte Zulassung an einer Universität (oder einer anderen aufgezählten Bildungseinrichtung) ist somit als eine besondere Erteilungsvoraussetzung für die Aufenthaltsbewilligung „Student“ anzusehen, deren Nichterfüllung zur Abweisung des Antrags führt (vgl. VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0161).

Weder das NAG noch die NAG‑DV enthalten jedoch nähere Regelungen zur angesprochenen Aufnahmebestätigung.

6.3. Vorliegend ist somit die Frage zu klären, ob der zum Antrag der Mitbeteiligten auf Zulassung zum Bachelorstudium Biologie ergangene „Bescheid“ der Universität Wien vom 11. November 2016 als Aufnahmebestätigung, welche die Zulassung der Mitbeteiligten an der Universität im Sinn des Vorgesagten nachweist, erachtet werden kann oder nicht.

7.1. Wie der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend aufzeigt, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der betreffenden Frage bereits auseinandergesetzt.

So billigte der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0141 ‑ in der es um einen „Bescheid“ ebenso der Universität Wien ging, der nach Form und Inhalt nahezu identisch mit der hier zu beurteilenden Erledigung war ‑ die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, wonach darin keine Aufnahmebestätigung zu erblicken sei. Ein derartiger „Bescheid“ sei vielmehr ‑ schon angesichts der darin enthaltenen klaren Formulierungen ‑ als Information dahingehend zu erachten, dass die Antragstellerin unter näher genannten Bedingungen, die sie noch vor der tatsächlichen Zulassung erfüllen müsse, zu einem späteren Zeitpunkt zum Studium zugelassen werden könne, wobei die dann geltende Rechtslage maßgeblich sei (vgl. ebenso VwGH 19.10.2019, Ra 2018/22/0235; 10.12.2019, Ra 2019/22/0220).

7.2. Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ‑ von der abzugehen kein Anlass besteht ‑ ist auch im hier gegenständlichen Fall in der Erledigung vom 11. November 2016, welche mehrere Bedingungen enthält, die vor der tatsächlichen Zulassung zum ordentlichen Studium zu erfüllen sind und die unstrittig noch nicht erfüllt wurden, keine Aufnahmebestätigung und damit kein Nachweis für die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 2 NAG iVm. § 8 Z 8 lit. a NAG‑DV zu erblicken (vgl. in dem Sinn auch VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0073).

8.1. Dieser Beurteilung stehen ‑ entgegen der Argumentation der Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung ‑ auch die Schreiben der Universität Wien vom 15. Mai und 6. Juli 2018 nicht entgegen:

Im erstgenannten Schreiben wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Mitbeteiligte noch gar nicht an der Universität zugelassen worden sei, dies weder als ordentliche Studierende, noch als außerordentliche Studierende im Rahmen eines Vorstudienlehrgangs. Im zweitgenannten Schreiben wurde zwar festgehalten, dass die Mitbeteiligte die Ergänzungsprüfung Deutsch im Rahmen des Vorstudienlehrgangs als außerordentliche Studierende absolvieren könne. Auch diese Mitteilung führt aber nicht dazu, dass vom Vorliegen einer Aufnahmebestätigung, mit der eine Zulassung der Mitbeteiligten als außerordentliche Studierende für den betreffenden Vorstudienlehrgang nachgewiesen würde, ausgegangen werden könnte.

8.2. Ausgehend davon ist jedoch auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Schreiben der Universität (insbesondere jenes vom 6. Juli 2018) eine Aufnahmebestätigung und damit ein Nachweis für die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen im Sinn des § 64 Abs. 1 Z 2 bzw. Z 4 NAG iVm. § 8 Z 8 lit. a NAG‑DV nicht zu erblicken.

9. Die beantragte Aufenthaltsbewilligung war daher mangels Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen zu versagen. Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 30. Dezember 2020

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