Normen
VStG §31 Abs2 Z3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018170192.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die belangte Behörde verhängte mit Straferkenntnis vom 11. Juli 2017 über den Revisionswerber wegen Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSp G) zwei Geldstrafen (samt Ersatzfreiheitsstrafen). Außerdem legte sie ihm gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens auf. Er habe als Betriebsinhaber eines näher bezeichneten Lokals verbotene Ausspielungen mit zwei elektronischen Glücksspielgeräten "in der Zeit von 20.07.2015 bis 20.08.2015" unternehmerisch zugänglich gemacht. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe zweier für das Revisionsverfahren nicht relevanter Änderungen des Spruches. Weiters setzte es einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 1. Die vorliegende Revision erweist sich schon im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen zur Strafbarkeitsverjährung, wonach das angefochtene Erkenntnis im Widerspruch zu näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehe, nach der die Erlassung eines Straferkenntnisses nach dem Eintritt der Strafbarkeitsverjährung unzulässig und ein dennoch erlassenes Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sei, als zulässig; die Revision ist auch berechtigt:
5 2.1. § 31 Abs. 1 und 2 VStG in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:
"(1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:
1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;
2. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, beim Gericht oder bei einer anderen Verwaltungsbehörde geführt wird;
3. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;
4. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union."
6 2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frist des § 31 Abs. 2 VStG nur dann gewahrt, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde (vgl. z.B. VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0050; 13.12.2016, Ra 2016/02/0199, jeweils mwN). 7 Gemäß § 31 Abs. 2 VStG idF BGBl. I Nr. 33/2013 tritt Strafbarkeitsverjährung ein, wenn das Straferkenntnis oder das dieses bestätigende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes erst nach Ablauf von drei Jahren, gerechnet ab dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt (Tatzeit), erlassen wird (vgl. z.B. VwGH 29.7.2014, Ro 2014/02/0074, mwN, sowie erneut VwGH 25.11.2015, Ra 2015/09/0050).
8 2.3. Gemäß § 31 Abs. 2 Z 3 VStG wird die Zeit, während derer das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Durch die Hemmung wird die Verjährungsfrist um so viele Tage verlängert, als der die Hemmung bewirkende Zustand bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Verjährungsfrist restlich weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2017/17/0456, mwN).
9 2.4. Gegenständlich verfügte die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. Oktober 2016, nach der Aktenlage dem Revisionswerber zugestellt am 13. Oktober 2016, gemäß § 38 AVG die Aussetzung des Verwaltungsstrafverfahrens "bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes" (Anm: im Beschwerdeverfahren nach Art. 144 Abs. 1 B-VG, E 945/2016; vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes gemäß § 86a Abs. 2 VfGG, BGBl. I Nr. 57/2016). Das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2016, E 945/216- 24 u.a. (VfSlg. 20101), wurde dem Bundeskanzler am 28. Oktober 2016 zugestellt und am 3. November 2016 im Bundesgesetzblatt kundgemacht (BGBl. I Nr. 91/2016). 10 Es kann im Revisionsfall aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben, ob die im erwähnten Aussetzungsbescheid umschriebene Vorfrage eine solche iSd. § 38 AVG ist und ob damit überhaupt eine Hemmung des Ablaufs der Strafbarkeitsverjährungsfris t nach § 31 Abs. 2 Z 3 VStG eingetreten ist:
11 Wegen der ausdrücklichen Bezugnahme des Aussetzungsbescheids auf die Rechtskraft der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wäre die Hemmung jedenfalls bereits mit der Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes an den Bundeskanzler weggefallen, sodass sich der Hemmungszeitraum nur vom 13. bis zum 28. Oktober 2016 erstreckt hätte. Unter Hinzurechnung dieses Hemmungszeitraumes von 15 Tagen hätte die Frist für die Strafbarkeitsverjährung, die am 20. August 2015 (Ende des Tatzeitraums) zu laufen begonnen hatte, bereits am Dienstag, dem 4. September 2018, geendet (zur Berechnung vgl. neuerlich VwGH 6.9.2018, Ra 2017/17/0456, mwN). Da die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an den Revisionswerber (nach Ausweis der Verfahrensakten) am 10. September 2018 erfolgte, wäre es gegenüber dem Revisionswerber erst nach Eintritt der Strafbarkeitsverjährung erlassen worden.
12 Zu keinem anderen Ergebnis käme man, wenn man davon ausginge, dass es sich bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Aussetzung nicht um eine solche wegen einer Vorfrage iSd. § 31 Abs. 2 Z 3 VStG gehandelt hat und die erwähnte Hemmung des Fristablaufs gar nicht erst eingetreten ist.
13 Die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an den Revisionswerber am 10. September 2018 erfolgte daher nach dem Eintritt der Strafbarkeitsverjährung.
14 2.5. Das angefochtene Erkenntnis ist schon deswegen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
15 Es erübrigt sich daher, auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen.
16 3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. April 2020
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