Normen
AVG §52;
AVG §69 Abs1 Z2;
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z2;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200096.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte am 21. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Er gab an, in seinem Heimatstaat wegen seiner Homosexualität verfolgt zu werden.
2 Mit Bescheid vom 16. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2018 als unbegründet ab.
4 Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2018 begehrte der Revisionswerber beim Bundesverwaltungsgericht die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG. Seinen Antrag begründete er damit, dass es ihm nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz nicht gelungen sei, glaubhaft darzulegen, dass er homosexuell sei. Nunmehr verfüge er aber über ein psychologisches Gutachten (gemeint: die dem Antrag auf Wiederaufnahme beigelegte "Psychologische Stellungnahme"), das ihm erst am 13. Dezember 2018 "zugänglich" gewesen sei. Dieses Gutachten sei fundiert, verweise auf "eindeutige Diagnosen" und widerspreche der "Tatsacheneinschätzung des Bundesverwaltungsgerichts". "Die neuen Tatsachen" müssten die Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalts als zweifelhaft erscheinen lassen. Aufgrund des Gutachtens stehe fest, dass der Revisionswerber homosexuell sei.
5 Das Bundesverwaltungsgericht wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht seiner Pflicht zur Begründung von Entscheidungen insoweit nicht nachgekommen sei, als der von ihm angenommene Widerspruch zwischen dem vorgelegten Gutachten und den Angaben des Revisionswerbers "nicht annähernd ausgeführt" worden sei, weshalb sich die angefochtene Entscheidung einer nachprüfenden Kontrolle entziehe und die Rechtsverfolgung verunmöglicht werde.
10 Die Revision zeigt aber die Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.
11 Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Entscheidungen nicht entgegensteht (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2018/19/0611, mwN)
12 Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung eingeholt wurden, sind nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden und können damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein. Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden haben, erst nach Rechtskraft der Entscheidung "feststellt", können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (vgl. aus der zu § 69 AVG ergangenen und insoweit auf § 32 VwGVG übertragbaren Rechtsprechung VwGH 25.7.2013, 2012/07/0131, mwN).
13 Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die vom Revisionswerber vorgelegte "Psychologische Stellungnahme" überhaupt die an ein Gutachten zu stellenden Anforderungen erfüllt. Der Revisionswerber legt nämlich weder in seinem Antrag auf Wiederaufnahme noch in der Revision dar, welche Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden hätten, ihm erst durch den Inhalt der "Psychologischen Stellungnahme" vom 13. Dezember 2018 bekannt geworden seien.
14 Schon deswegen ist die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme seien nicht gegeben, nicht zu beanstanden. Von der sich auf einen Begründungsmangel beziehenden Rechtsfrage hängt die Revision daher nicht ab. Selbst bei Bestehen eines solchen liegt die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vor.
15 Vor diesem Hintergrund ist aber auch dem - im Übrigen unsubstantiiert gebliebenen - weiteren Vorbringen, es hätte eine Verhandlung durchgeführt werden müssen, weil der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt nicht aus der Aktenlage hätte abgeleitet werden können, der Boden entzogen.
16 Somit werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. März 2019
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