VwGH Ra 2019/19/0110

VwGHRa 2019/19/011017.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S B, vertreten durch Dr. Monika Linder, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Bernardgasse 28/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Februar 2019, W134 2176680-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190110.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 8. August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, er habe mehrere Jahre bei einem Onkel in England gelebt und dort die Schule besucht. Nach seiner Rückkehr in seinen Heimatort in der afghanischen Provinz Maidan Wardak sei sein Lebenswandel in England - er habe etwa Alkohol getrunken, Diskotheken besucht und eine Freundin gehabt - auch den Taliban bekannt geworden, die deshalb nach ihm gesucht hätten.

2 Mit Bescheid vom 15. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, es sei nicht glaubhaft, dass dem Revisionswerber aufgrund seines Lebenswandels in Europa in Afghanistan eine Verfolgung durch die Taliban gedroht habe bzw. in Zukunft drohe. Selbst wenn der Revisionswerber entgegen dieser Annahme von den Taliban in seinem Heimatort gesucht worden sein sollte, stehe ihm - ausgehend von den getroffenen Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage - als gesundem und arbeitsfähigem Mann eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in den afghanischen Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif offen. Auch eine Auseinandersetzung mit den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender führe zu keinem anderen Ergebnis.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe sich mit dem individuellen Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht auseinandergesetzt. Vor diesem Hintergrund erweise sich die Beweiswürdigung als unvertretbar. Hinsichtlich der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif habe sich das BVwG über die UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan hinweggesetzt. Nach diesen Richtlinien scheide Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative wegen der dort vorliegenden prekären Sicherheitslage aus. Hinsichtlich Herat und Mazar-e Sharif habe es das BVwG unterlassen, die nach den Richtlinien erforderliche "sorgfältige Prüfung" vorzunehmen.

9 Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat sich das BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Es ist jedoch - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme des Revisionswerbers - mit näherer Begründung zum Ergebnis gelangt, dass die Angaben des Revisionswerbers nicht glaubhaft seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. jüngst VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0717, mwN). Der Revision gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht, eine derartige Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung darzulegen. 10 Hinsichtlich des weiteren zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Vorbringens ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen haben. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0187; 18.4.2019, Ra 2019/20/0128, jeweils mwN).

11 Hinsichtlich der - für sich allein tragenden - Erwägungen des BVwG, dem Revisionswerber stehe in Herat und Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, wird die Revision, die nicht konkret darlegt, welche weiteren Feststellungen (insbesondere auf Grund der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018) zur Lage in diesen Städten bzw. zu den persönlichen Umständen des Revisionswerbers zu treffen gewesen wären, diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Revision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass die Annahme des BVwG, dem jungen und gesunden Revisionswerber stehe auf Grundlage der getroffenen Feststellungen auch ohne soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar-e Sharif und Herat eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, unvertretbar wäre (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153; 25.6.2019, Ra 2018/19/0644).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 17. Juli 2019

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