VwGH Ra 2019/16/0096

VwGHRa 2019/16/009629.5.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache der I GmbH in F, Deutschland, vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lessingstraße 40, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Jänner 2019, Zl. RV/2200021/2016, betreffend Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160096.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht eine Beschwerde der revisionswerbenden GmbH (Revisionswerberin) vom 19. März 2015 gegen einen Bescheid des Zollamtes Graz vom 7. März 2014 als nicht fristgerecht eingebracht zurück und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Die L. GmbH, eine Spedition, habe am 19. April 2013 als direkte Vertreterin der Empfängerin (der Revisionswerberin) im Wege des Informatikverfahrens eine Anmeldung zur Überführung einer Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr eingebracht. Nach antragsgemäßer Annahme der Anmeldung durch das Zollamt und Überlassung der Ware sei der buchmäßig erfasste Abgabenbetrag dem Zollschuldner (der Revisionswerberin) mitgeteilt worden. 3 Das Zollamt habe der Revisionswerberin mit Bescheid vom 7. März 2014 gemäß Art. 220 des Zollkodex die nachträgliche buchmäßige Erfassung von für die erwähnte Ware entstandenen Eingangsabgaben (Differenzbetrag zu dem früher buchmäßig erfassten Betrag) mitgeteilt.

4 Mit Schriftsatz vom 12. März 2014 habe die L. GmbH eine Beschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht, worin es laute:

"(Revisionswerberin) ... beauftragt, sofort den Rechtsbehelf

der Beschwerde einzubringen. Nähere Daten bzw. die Begründung

werden von der in Auftrag gegebenen Anwaltskanzlei ehestmöglich

nachgereicht und bei der Zollstelle ... eingebracht. Mit

freundlichen Grüßen L. GmbH"

5 Im Gefolge eines der Revisionswerberin vom Zollamt erteilten

Mängelbehebungsauftrages zu diesem Schriftsatz habe die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 19. März 2015, vertreten durch eine RechtsanwaltsgmbH, eine "Beschwerdebegründung zur Beschwerde vom 12.03.2014 Vorlage der Bevollmächtigung der (Revisionswerberin) an L. GmbH" eingebracht.

6 Das Bundesfinanzgericht gelangte zur Ansicht, dass die L. GmbH die Beschwerde vom 12. März 2014 im eigenen Namen eingebracht habe. Aus der Beschwerdeschrift lasse sich zwar ein Hinweis für eine Beauftragung durch die Revisionswerberin, jedoch kein solcher für ein Einschreiten im Namen der Revisionswerberin entnehmen. Bei der Bevollmächtigung sei zwischen Auftrag im Innenverhältnis und Vollmacht im Außenverhältnis zu unterscheiden. Die L. GmbH habe in ihrer Beschwerde vom 12. März 2014 nicht zum Ausdruck gebracht, die Beschwerde im Namen der Revisionswerberin einbringen zu wollen. In dieser Beschwerde sei auch nicht ausgeführt (wie etwa in dem dem Beschluss des VwGH vom 22.10.2018, Ra 2018/16/0102, zugrunde liegenden Fall), dass die L. GmbH die Revisionswerberin vertrete oder den Rechtsbehelf in deren Namen einbringe. Die Beschwerde enthalte keinen Hinweise auf eine Vollmacht. Im Gegenteil sei in der Beschwerde sogar ein Hinweis auf eine beauftragte Anwaltskanzlei enthalten.

7 Da die Beschwerde vom 12. März 2014 im eigenen Namen der L. GmbH eingebracht worden sei, sei durch die Revisionswerberin oder in deren Namen erstmals mit Schreiben vom 19. März 2015 gegen den Bescheid des Zollamtes eingeschritten worden. Diese mit Schreiben vom 19. März 2015 von der Revisionswerberin eingebrachte Beschwerde sei nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht worden. 8 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

9 Die Revisionswerberin erachtet sich in folgenden Rechten verletzt:

"Im Recht darauf, sich als Partei im zu RV/2200015/2016 protokollierten BFG-Verfahren von (L. GmbH) vertreten lassen zu dürfen.

Im Recht auf Zulässigkeit ihres Begehrens.

Im Recht auf Nichtergehen (Unterbleiben) des angefochtenen

Beschlusses vom 11.01.2019."

10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Zur Zulässigkeit ihrer Revision trägt die Revisionswerberin vor, das Bundesfinanzgericht verkenne maßgeblich, "dass es vorliegend europäisches (Zoll‑)Recht in Bezug auf die Vertretung durch die L. GmbH anzuwenden hat. Demgemäß ist die Judikatur zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts und zu diesem selbst - hier insbesondere in Gestalt des Art. 5 ZK - zu beachten." Zu "hier relevanten Themen" fehle "partiell" noch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

13 In Gestalt des Beschwerdeschreibens der L. GmbH vom 12. März 2014 liege eine Willenserklärung über die zollrechtliche Vertretung vor. Dies werde bereits durch die Formulierung "... hat uns unsere Auftraggeber, (die RW) beauftragt, sofort den Rechtsbehelf der Beschwerde einzubringen" deutlich. Zudem weise die L. GmbH auf den betreffenden Bescheid mit dessen Geschäftszahl hin, "in dem" sie als direkter Vertreter der Revisionswerberin aufgetreten sei. Damit verdeutliche sie, auch im Beschwerdeverfahren als Vertreter aufzutreten. Auch das Zollamt habe bei seinem Mängelbehebungsauftrag vom 23. Jänner 2015 die Revisionswerberin als Partei des Verfahrens angesehen. Daher könne das Bundesfinanzgericht nicht auf Grund seines "(Un‑)Verständnisses der hier gegebenen Umstände" eine eigene Auslegung vornehmen oder ermitteln, ob Vertretung und deren Offenlegung tatsächlich erfolgt sei.

14 Eine Revision hängt nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des vom Revisionswerber durch den Revisionspunkt selbst definierten Prozessthemas stellt. Die Prüfung des angefochtenen Beschlusses, auch der Zulässigkeit einer Revision, hat daher im Rahmen des Revisionspunktes zu erfolgen und sich auf das dort geltend gemachte Recht zu beschränken (vgl. etwa VwGH 15.5.2018, Ra 2018/16/0015 bis 0017, und VwGH 25.10.2016, Ra 2016/16/0057).

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. für viele VwGH 26.4.2018, Ra 2018/16/0021).

16 Mit einem "Recht auf Zulässigkeit ihres Begehrens" oder einem "Recht auf Nichtergehen (Unterbleiben) des angefochtenen Beschlusses" wird kein subjektives Recht bestimmt bezeichnet, in welchem die Revisionswerberin verletzt wäre.

17 Somit verbleibt als tauglicher Revisionspunkt das Recht,

"sich als Partei im zu RV ... protokollierten BFG-Verfahren von

(L. GmbH) vertreten lassen zu dürfen". Der angefochtene Beschluss spricht jedoch nicht über eine Möglichkeit oder Befugnis der Revisionswerberin ab, sich - etwa durch die L. GmbH - vertreten zu lassen.

18 Gegenstand des angefochtenen Beschlusses ist die Zurückweisung einer Beschwerde der Revisionswerberin als verspätet, weil das Bundesfinanzgericht den Schriftsatz vom 12. März 2014 als von der L. GmbH im eigenen Namen und nicht als Vertreterin der Revisionswerberin eingebracht angesehen und damit nicht der Revisionswerberin zugerechnet hat. Das Bundesfinanzgericht hat somit der Revisionswerberin nicht das Recht abgesprochen, sich - durch die L. GmbH - vertreten zu lassen, sondern einen Schriftsatz anhand seiner Formulierung so ausgelegt, dass er nicht von der Revisionswerberin durch ihre Vertreterin, sondern von der L. GmbH als im eigenen Namen eingebracht wurde.

19 In dem im Rahmen des Revisionspunktes geltend gemachten subjektiven Recht wäre die Revisionswerberin somit nicht verletzt. Damit bewegt sich die Revisionswerberin mit den Ausführungen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision außerhalb des durch den Revisionspunkt umgrenzten Prozessthemas.

20 Im Übrigen geht eine vertretbare Auslegung eines Antrages in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 7.6.2017, Ra 2017/17/0335, und VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0084). Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinn zu (vgl. etwa VwGH 13.9.2016, Ra 2016/16/0077).

21 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision enthält sohin keine Rechtsfrage, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

22 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2019

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