VwGH Ra 2019/15/0081

VwGHRa 2019/15/00813.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision 1. des F J in D und 2. des M J in B, beide vertreten durch die Eger/Gründl Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Elisabethstraße 22, gegen die Erledigung des Bundesfinanzgerichtes vom 14. Dezember 2018, Zl. RV/4100455/2011, betreffend u. a. Umsatzsteuer 2005 bis 2009, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §284
BAO §85
BAO §85a
BAO §86
BAO §86a

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150081.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die beiden Revisionswerber erwarben im Jahr 2005 ein Appartement in einer Ferienanlage, die im Rahmen eines Investmentprojektes von einer "Betreiber-GmbH" zu touristischen Zwecken vermietet wurde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der Revisionswerber betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften der Jahre 2005 bis 2009 Folge gegeben. Weiters wurde der Bescheid des Finanzamtes betreffend die Begrenzung der Gültigkeit der UID-Nummer ersatzlos aufgehoben. Schließlich informierte das Bundesfinanzgericht darüber, dass eine "Beschwerde" gegen die Bescheide betreffend die Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 mangels Vorliegens einer Eingabe nicht behandelt werde.

3 Die Revisionswerber hätten gegen Bescheide des Finanzamtes betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften der Jahre 2005 bis 2007 und ab 2008 sowie gegen den Bescheid betreffend die Begrenzung der UID-Nummer mit Schreiben vom 17. August 2011 (ohne Begründung) Berufung erhoben. Mit E-Mail vom 24. August 2011 - persönlich an den zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts, Mag. X, adressiert - sei die Begründung nachgereicht und erstmals auch Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen die "Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer" für die Jahre 2005 bis 2007 und ab 2008 erhoben worden. Eine postalische Übermittlung der E-Mail Eingabe vom 24. August 2011 sei beim Finanzamt nicht eingelangt.

4 Der Verwaltungsgerichtshof habe im (das Verfahren anderer Eigentümer des gegenständlichen Ferienparks abschließenden) Beschluss vom 27. April 2017, Ra 2015/15/0007, u.a. festgehalten, dass einem E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zukomme, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handle. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löse weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtige es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig sei, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig sei. Die Abgabenbehörde sei nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einem solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handle.

5 Um dem Erfordernis einer Eingabe bzw. eines Anbringens zu entsprechen, wäre die Beschwerde betreffend die Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer schriftlich beim Finanzamt einzubringen gewesen. Dies sei nach den - im angefochtenen Erkenntnis näher begründeten -

Feststellungen des Bundesfinanzgerichts nicht erfolgt. Die Revisionswerber würden daher nur formlos davon in Kenntnis gesetzt, dass hinsichtlich der Bescheide betreffend Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer 2005 bis 2009 keine Beschwerde vorliege und eine solche daher auch nicht behandelt werden könne.

6 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil die Frage der Einbringung der Beschwerde betreffend Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer per E-Mail durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2017, Ra 2015/15/0007, der zu einem gleichgelagerten Verfahren ergangen sei, eindeutig geklärt sei. Die nach Ergehen des angeführten Beschlusses angestellten weiteren Ermittlungen und ihre Ergebnisse hätten die Tatsachenebene betroffen. Die rechtliche Konsequenz des Fehlens eines Nachweises für den Eingang einer postalisch übermittelten Beschwerde beim Finanzamt sei durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (Hinweis auf VwGH 28.6.2001, 2000/16/0645).

7 Die Revisionswerber erhoben gegen diese Erledigung zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 13. März 2019, E 375/2019-5, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus:

"Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer folgt aus der Zulässigkeit der Einreichung von Anbringen unter Verwendung eines Telefaxgerätes (vgl. § 1 der VO BGBl. 494/1991 idF BGBl. II 395/2002) für den Verordnungsgeber kein verfassungsrechtliches Gebot, für das Abgabenverfahren neben der Einreichung von Anbringen in automationsunterstützter Form im Rahmen der FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006, BGBl. II 97/2006 idF BGBl. II 82/2011, Eingaben per E-Mail für zulässig zu erklären."

8 Die nunmehr erhobene außerordentliche Revision wendet sich gegen die angefochtene Erledigung insofern als darin ausgesprochen werde, "dass eine Beschwerde betreffend die Nichtveranlagung zur USt 2005 bis 2009 nicht vorliege und eine solche daher vom BFG auch nicht behandelt werden könne".

9 Die Revision sei zulässig, weil sich der vorliegende Sachverhalt von jenen unterscheide, die der Verwaltungsgerichtshof bisher zu entscheiden gehabt habe. Im vorliegenden Fall habe die Behörde nicht nur die Eingabe per E-Mail akzeptiert und die Berufung der nächsten Instanz vorgelegt, sondern sogar die Revisionswerber (bzw. deren steuerliche Vertretung) über diese Tatsache informiert, sodass die Revisionswerber davon hätten ausgehen können, dass ihre Berufung von der nächsten Instanz behandelt werde. Im Vertrauen darauf habe der steuerliche Vertreter auch nicht überprüft, ob die Berufung auch postalisch übermittelt und beim Finanzamt eingelangt sei. Weiters sei zu berücksichtigen, dass die Berufung von der Behörde ausgedruckt und dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden sei, sodass diese dem Bundesfinanzgericht tatsächlich physisch vorgelegen sei. Die Revisionswerber gingen davon aus, dass im Revisionsfall "aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Anspruch auf eine inhaltliche Behandlung eines per E-Mail eingebrachten Rechtsmittels besteht".

10 Auch die Frage, ob die Weiterleitung eines ausgedruckten E-Mail-Anhanges von der Abgabenbehörde an das Bundesfinanzgericht nicht ohnehin zu einer beachtlichen Eingabe führe, werde von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig beantwortet. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Mai 2004, 2001/20/0195, zur Parallelbestimmung für das allgemeine Verwaltungsverfahren (§ 13 AVG) zu verweisen. In dieser Entscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass, wenn über ein Anbringen ein Schriftstück entstehe, die Beteiligung der Behörde an dieser Entstehung kein Grund für die Abstandnahme von seiner inhaltlichen Behandlung wäre. Daraus könne abgeleitet werden, dass dann, wenn eine E-Mail-Eingabe von der Behörde selbst ausgedruckt und zum Akt genommen werde, die nach § 85 Abs. 1 BAO geforderte Schriftlichkeit in Bezug auf diese Eingabe gewahrt sei.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

12 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die Revision ist nicht zulässig.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 27. April 2017, Ra 2015/15/0007, ausgeführt, dass einem E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zukommt, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einem solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt.

16 Dem (das Verfahren anderer Eigentümer des gegenständlichen Ferienparks abschließenden) Beschluss Ra 2015/15/0007 lag - worauf in der angefochtenen Erledigung zutreffend hingewiesen wird - ein Sachverhalt zugrunde, der dem hier vorliegenden entspricht. Da wie dort hat das Finanzamt die "Eingabe" per E-Mail akzeptiert, die Berufung der nächsten Instanz vorgelegt und die Revisionswerber (bzw. deren steuerliche Vertretung) über diese Tatsache in Kenntnis gesetzt. Mit dem Vorbringen, dass sich der vorliegende Sachverhalt von jenen unterscheide, die der Verwaltungsgerichtshof bisher zu entscheiden gehabt habe, wird demnach keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

17 Im Beschluss Ra 2015/15/0007 hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen zeitigen kann, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. für viele VwGH vom 22. März 2010, 2007/15/0256, VwSlg. 8528/F, mwN). Ein derartiger Vollzugsspielraum besteht im Revisionsfall nicht. Da § 85 und § 86a BAO und die auf Grund des § 86a BAO ergangenen Verordnungen die Einbringung von Vorbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einem E-Mail die Eigenschaft einer Eingabe auch dann nicht zu, wenn das Finanzamt derartige Vorbringen (zunächst) in Bearbeitung nimmt (vgl. dazu auch VwGH 27.9.2012, 2012/16/0082).

18 Dass die Frage, ob die Weiterleitung eines ausgedruckten E-Mail-Anhanges von der Abgabenbehörde an das Bundesfinanzgericht nicht ohnehin zu einer beachtlichen Eingabe führe, von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig beantwortet werde, trifft für den Geltungsbereich der BAO nicht zu. Dazu genügt es auf den Beschluss vom 27. April 2017 und die dort angeführte Rechtsprechung zu verweisen, sowie darauf, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Mai 2004, 2001/20/0195, zum AVG ergangen und im Revisionsfall nicht einschlägig ist. Nach der BAO gelten "Vorbringen", die der Abgabenbehörde auf einem für sie nicht zugelassenen Weg zugeleitet werden, als nicht eingebracht, weshalb sie auch keine Entscheidungspflicht auslösen können (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO9, § 86a Anm 9).

19 Bei diesem Ergebnis ist nicht darauf einzugehen, ob es sich bei dem angefochtenen Ausspruch des Bundesfinanzgerichtes um eine an sich durch Revision bekämpfbare Entscheidung handelt.

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 3. September 2019

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