VwGH Ra 2019/14/0374

VwGHRa 2019/14/037415.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder sowie die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache der X Y in Z, vertreten durch Dr. Peter Pullez, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. Juli 2019, W211 2163546-1/14E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140374.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist eine Staatsangehörige Somalias und gehört dem Clan der Madhibaan an. Sie stellte am 30. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihr Ehegatte von der Al Shabaab entführt worden sei. Aus Angst davor, ebenfalls entführt zu werden, habe sie Somalia verlassen. Aufgrund der unterschiedlichen Clanzugehörigkeit habe es zwischen ihrer Familie und der ihres Mannes Streitigkeiten gegeben. Die Familie ihres Mannes habe ihr die Kinder weggenommen, jedoch seien die Kinder nunmehr bei der Mutter der Revisionswerberin.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag, soweit damit von der Revisionswerberin die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begehrt wurde, mit Bescheid vom 1. Juni 2017 ab. Jedoch erkannte ihr die Behörde mit demselben Bescheid den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 1. Juni 2018.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis vom 5. Juli 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Versagung der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gerichtete Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren maßgeblich und auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dass die von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Fluchtgeschichte, wonach sie aufgrund einer akuten Furcht, ebenfalls von der Miliz belangt zu werden, geflohen sei, nicht glaubwürdig sei. Da die Revisionswerberin nicht als schutzlos und alleinstehend anzusehen sei, weil sie Schutz und Unterstützung durch ihre Verwandten in Anspruch nehmen könne, könne eine aktuelle und maßgeblich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen, die einer besonderen Gefahr der Verfolgung ausgesetzt wären, nicht angenommen werden. Eine Gefährdung der Revisionswerberin durch die Familie ihres Mannes wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Mahidaan liege nicht vor.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei einer Kumulation von Fluchtgründen die verschiedenen Gefährdungsmomente im Rahmen einer globalen Bewertung zu beurteilen seien. Die Revisionswerberin sei Angehörige eines Minderheitenclans, führe eine Mischehe und sei als alleinstehende Frau anzusehen, die keine Unterstützung durch die "Schwiegerfamilie" erhalte. Es sei nicht geklärt, ob die Revisionswerberin tatsächlich bei ihren Schwestern Zuflucht nehmen könnte. Zudem sei die Revisionswerberin körperlich beeinträchtigt. Das BVwG habe die von der Revisionswerberin im Laufe des Beschwerdeverfahrens übermittelte Stellungnahme samt in dieser angeführte Länderberichte nicht berücksichtigt und gehe von falschen Umständen aus.

9 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG im Zusammenhang mit dem Bestehen eines familiären Netzwerkes und die dadurch bestehenden Schutzmöglichkeiten wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2018/14/0317, mwN). 10 Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht dargelegt. Das BVwG ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in einer nicht als unschlüssig zu bezeichnenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, dass die Revisionswerberin in Somalia noch über familiäre Bindungen verfügt und von ihren beiden verheirateten Schwestern und deren Familien Schutz und Unterstützung erhalten könne. Dass die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt sei, zeigt die Revision fallbezogen nicht auf. 11 Wenn die Revision daher von einer alleinstehenden Frau ohne jeglichen Schutz und familiärer Unterstützung ausgeht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. VwGH 15.3.2018, Ra 2018/20/0090, mwN).

12 Soweit die Revision Verfahrensmängel im Zusammenhang mit Länderberichten geltend macht, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0187, mwN). Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/14/0178, 0179, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen, das sich auf die bloße Behauptung von Verfahrensfehlern beschränkt, jedoch nicht entnehmen.

13 Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie, wie vorliegend, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 16.2.2016, Ra 2014/20/0165, mwN). Der Revision gelingt es mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass die auf den getroffenen Feststellungen zu den allgemeinen Gegebenheiten in Somalia und den bei der Revisionswerberin vorliegenden persönlichen Umständen fußende rechtliche Beurteilung des BVwG, diese sei bei einer Rückkehr keiner aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt, grob fehlerhaft ist.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 15. November 2019

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