European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140306.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 22. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er werde in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert. Seine Frau gehöre einem anderen Clan an und ihre Familie sei mit der Heirat nicht einverstanden gewesen. Der Revisionswerber sei zu seiner Tante gezogen. Eines Tages seien Mitglieder von Al Shabaab gekommen und hätten seinen Onkel und dessen Sohn festgenommen.
2 Mit Bescheid vom 27. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe Länderberichte herangezogen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr aktuell gewesen seien. Die humanitäre Lage in Somalia habe sich bis zum Entscheidungszeitpunkt stark verschlechtert.
8 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/14/0122; 31.1.2019, Ra 2018/14/0300, mwN). Mit den allgemeinen Ausführungen im Zulassungsvorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe jüngere, äußerst anerkannte Quellen, wie ein Bericht von OCHA, wonach in Somalia eine Dürre ab sofort zu erwarten sei, sich die humanitäre Lage bis zum Entscheidungszeitpunkt stark verschlechtert und sich dies bereits seit Dezember 2018 angedeutet habe, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.
9 In ihrer Zulässigkeit bringt die Revision weiters vor, eine neuerliche mündliche Verhandlung sei zwingend durchzuführen, wenn sich der Sachverhalt geändert habe. Vorliegend habe der Revisionswerber seit der ersten mündlichen Verhandlung zwischenzeitig den Pflichtschulabschluss gemacht und rasche und wichtige Fortschritte in seiner Integration gesetzt. Damit seien die Voraussetzungen für eine neuerliche Verhandlung vorgelegen und habe das Bundesverwaltungsgericht eine Verletzung der Verhandlungspflicht zu verantworten.
10 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass seit der mündlichen Verhandlung seitens des Revisionswerbers kein weiteres Vorbringen mehr erstattet wurde. Dass sich der maßgebliche entscheidungsrelevante Sachverhalt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers geändert hätte, wird mit den Ausführungen in der Revision nicht aufgezeigt und damit nicht dargelegt, weshalb eine weitere Verhandlung fallbezogen gesetzlich geboten gewesen wäre.
11 Soweit die Revision mit dem Hinweis auf weitere Integrationsschritte letztlich die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 29.5.2019, Ra 2018/14/0176, mwN). Es gelingt der Revision nicht darzulegen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene und auf die Umstände im Einzelfall ausreichend Bedacht nehmende Interessenabwägung unvertretbar erfolgt wäre und selbst die Berücksichtigung des zwischenzeitig erworbenen Pflichtschulabschlusses eine andere Beurteilung nach sich gezogen hätte.
12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Juli 2019
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