VwGH Ra 2019/14/0195

VwGHRa 2019/14/01959.5.2019

 Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Mag. Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2018, W182 1315471-3/3E, betreffend Aberkennung des faktischen Abschiebschutzes nach dem AsylG 2005 und dem BFA-VG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140195.L00

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22. Februar 2016 wurde dem Revisionswerber, einem aus Tschetschenien stammenden russischen Staatsangehörigen, der wegen der Begehung von Hehlerei und von Suchtgifthandel rechtskräftig verurteilt worden war, der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt. Weiters sprach die Behörde aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und des Weiteren gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Zudem erkannte die Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

2 Mit dem (nach Abweisung der Berufung durch das Oberlandesgericht Innsbruck) rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 27. Februar 2017 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB sowie des Verbrechens der Ausbildung für terroristische Zwecke gemäß § 278e Abs. 2 StGB (unter Bedachtnahme auf eine vorangegangene Verurteilung) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Weiters weist der Revisionswerber eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer (während der Anhaltung in Haft begangenen) Körperverletzung auf.

3 Mit Erkenntnis vom 9. April 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl - mit hier nicht weiter maßgeblichen Aufhebungen von Spruchteilen und Modifikationen des Spruches - ab.

4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 27. Juni 2018, E 2048/2018-7, die Behandlung der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde ab. Der Verwaltungsgerichtshof wies die an ihn erhobene Revision mit Beschluss vom 4. September 2018, Ra 2018/01/0388, zurück. 5 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtigte, den Revisionswerber nach seiner für Dezember 2018 in Aussicht genommenen Entlassung aus der Strafhaft in sein Heimatland abzuschieben.

6 Mit Schreiben vom 5. November 2018 stellte der Revisionswerber schriftlich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am 8. November 2018 stellte der Revisionswerber, der zu dieser Zeit noch in Strafhaft angehalten wurde und dem die Gelegenheit zur persönlichen Antragstellung eingeräumt wurde, persönlich gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

7 Nachdem dem Revisionswerber vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Kenntnis gebracht worden war, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag im Rahmen des Zulassungsverfahrens wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, und nachdem er von dieser Behörde vernommen worden war, hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem mündlich verkündeten Bescheid vom 3. Dezember 2018 den faktischen Abschiebeschutz des Revisionswerbers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf. 8 Mit dem in Revision gezogenen Beschluss sprach das Bundesverwaltungsgericht gestützt auf § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und § 22 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) aus, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig sei. Unter einem erklärte das Verwaltungsgericht die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

9 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 12. März 2019, E 254/2019-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 13 Die gegenständliche Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann einem Folgeantrag faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 abzuerkennen sei, ab. Die behauptete Sachverhaltsänderung weise nämlich einen "glaubhaften Kern" auf. Auch habe es die Annahme, dass im Fall der Abschiebung des Revisionswerbers keine Gefahr der Verletzung der Art. 23 und 8 EMRK vorliege, nicht ausreichend begründet. Es sei keine gründliche Refoulement-Prüfung und Interessenabwägung vorgenommen worden. Auch sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Einbeziehung von Straftaten im Rahmen der Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK nicht einheitlich. 14 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2019/14/0119; 18.2.2019, Ra 2019/14/0032, jeweils mwN).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinen Erkenntnissen vom 19. Dezember 2017, Ra 2017/18/0451, 0452, und vom 12. Dezember 2018, Ra 2018/19/0010, ausführlich mit den Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes auseinandergesetzt. Die Revision, die zudem teilweise - etwa wenn behauptet wird, das bisherige Vorbringen habe einen "glaubhaften Kern" aufgewiesen - von ihren eigenen Prämissen ausgeht, ohne die Unrichtigkeit der anderslautenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts darzutun, legt nicht dar, weshalb das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung von den dort angeführten Leitlinien abgewichen wäre. 16 Sofern die Revision Begründungsmängel geltend macht, ist darauf zu verweisen, dass, wenn Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der abgesonderten Zulassungsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel - weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können - dargetan werden. Dies setzt in Bezug auf Feststellungsmängel auch voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 4.3.2019, Ro 2018/14/0003; 11.2.2019, Ra 2019/20/0009, mwN). Dem kommt die Revision aber nicht nach.

17 Soweit der Revisionswerber die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung beanstandet, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt ist und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 18.2.2019, Ra 2019/14/0032, mwN). Der Revisionswerber vermag nicht aufzuzeigen, dass die fallbezogen vorgenommene Beurteilung betreffend eine allfällig drohende Verletzung des Art. 8 EMRK in unvertretbarer Weise erfolgt wäre. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht trifft es aber auch nicht zu, dass sich die zu diesem Thema ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich darstellen würde. 18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 9. Mai 2019

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