Normen
AlVG 1977 §16 Abs1 lita
AlVG 1977 §17
AlVG 1977 §38
AlVG 1977 §46 Abs5
MRK Art6
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080113.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 30. Jänner 2015 stellte das Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (AMS) fest, dass der Revisionswerber gemäß § 38 iVm §§ 16 Abs. 1 lit. a, 17 und 46 Abs. 5 AlVG im Zeitraum vom 19. Oktober 2013 bis 2. Jänner 2014 keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 17. April 2015 ab.
2 Begründend führte das AMS im Wesentlichen aus, hinsichtlich des Anspruches des Revisionswerbers auf Notstandshilfe sei aufgrund einer Meldung des Revisionswerbers am 19. Oktober 2013 ein Ruhen des Notstandshilfebezuges nach § 16 Abs. 1 lit. a AlVG (Anspruch auf Krankengeld) eingetreten. Das Ende des Ruhenszeitraumes sei dem AMS im Vorhinein nicht bekannt gewesen. Erst am 3. Jänner 2014, habe der Revisionswerber wieder beim AMS vorgesprochen und somit eine Wiedermeldung vorgenommen. 3 Der Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag. Er beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte vor, er habe sich lediglich im Zuge des Besuches einer Schulungsmaßnahme krank gemeldet. Bereits am 6. November 2013 habe er persönlich beim AMS vorgesprochen und sich wegen der Einstellung seiner Leistung erkundigt. Darauf sei ihm lediglich mitgeteilt worden, dass die Leistung "gesperrt" sei, wobei er aber keine Information über den Grund der Sperre erhalten habe und davon ausgegangen sei, dass ihm die Vereitelung der Schulungsmaßnahme vorgeworfen werde. Seine Vorsprache sei als Wiedermeldung im Sinn des § 46 Abs. 5 AlVG anzusehen.
4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Anspruch des Revisionswerbers auf Notstandshilfe habe in Folge des vom Revisionswerber für eine unbekannte Dauer gemeldeten Krankenstandes geruht. Der Revisionswerber habe sich erst am 3. Jänner 2014 beim AMS erneut gemeldet. Das Vorbringen des Revisionswerbers, dass er bereits am 6. November 2013 beim AMS vorgesprochen habe, sei dagegen nicht glaubwürdig. Da die Wiedermeldung nicht binnen einer Woche nach dem Ende des Ruhenszeitraums erfolgt sei, stehe das Krankengeld gemäß § 46 Abs. 5 AlVG erst wieder ab der Vorsprache des Revisionswerbers am 3. Jänner 2014 zu. Die Durchführung einer Verhandlung habe im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben können, weil der Sachverhalt aufgrund des Ermittlungsverfahrens des AMS geklärt sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
7 Zur Zulässigkeit und Begründung der außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der (näher genannten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 24 Abs. 1 VwGVG abgewichen. 8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
9 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört es im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem auch in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer - bei der Geltendmachung von "civil rights" (zu denen auch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zählen) in der Regel auch von Amts wegen durchzuführenden - mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. etwa VwGH 11.2.2019, Ra 2018/08/0221, mwN).
11 Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren ein Tatsachenvorbringen erstattet, dem nicht von vorherein die Relevanz abgesprochen werden kann. Da die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung somit auf einer Verkennung der Vorgaben des § 24 VwGVG beruhte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
12 Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 27. September 2019
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