VwGH Ra 2019/06/0247

VwGHRa 2019/06/02476.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des B S in A, vertreten durch Mag. Gerhard Franz Köstner, Rechtsanwalt in 5541 Altenmarkt im Pongau, Oberndorferstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 28. August 2019, 405- 3/499/1/6-2019, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Marktgemeinde Altenmarkt im Pongau; weitere Partei: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: K GmbH in S), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8
BauPolG Slbg 1997 §7 Abs1
BauPolG Slbg 1997 §7 Abs1 Z1
BauPolG Slbg 1997 §7a
BauPolG Slbg 1997 §7a Z1
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6
BauRallg
BauTG Slbg 2015 §1 Abs1
BauTG Slbg 2015 §3 Abs1 Z1
BauTG Slbg 2015 §3 Abs3
BauTG Slbg 2015 §7 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019060247.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Altenmarkt im Pongau vom 13. August 2018 wurde der mitbeteiligten Partei die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung einer Zweitwohnsitzanlage mit neun Wohneinheiten und Parkgarage auf einem näher genannten Grundstück der KG P. erteilt. 2 Die vom Revisionswerber als Eigentümer eines benachbarten Grundstücks gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Altenmarkt im Pongau vom 28. Dezember 2018 als unbegründet abgewiesen.

3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, die mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (LVwG) vom 28. August 2019 als unbegründet abgewiesen wurde. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

4 In seinen Erwägungen hielt das LVwG - soweit für die gegenständliche Entscheidung von Bedeutung - zum Beschwerdevorbringen, dass die Baumaßnahme nachteilige "geologische - statische" Auswirkungen auf die Liegenschaft des Revisionswerbers verursachen könnte, unter Verweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fest, § 7a Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl. Nr. 40/1997 in der geltenden Fassung (LGBl. Nr. 19/2018; BauPolG), räume Nachbarn bezüglich der Standsicherheit benachbarter Bauten und der Tragfähigkeit von benachbarten Grundstücken ausdrücklich keine subjektivöffentlichen Abwehrrechte ein. Mögliche Hangrutschungen könnten nicht als Belästigung im Sinn des § 7a Z 1 BauPolG qualifiziert werden. Gefahren für die Standfestigkeit des Nachbarhauses aus der Änderung von Grundwasserströmen stellten ebenfalls keine Belästigung im Sinn des § 7a Z 1 BauPolG dar. Belästigungen oder Gefährdungen von Nachbargrundstücken, welche im Zuge der Bauführung entstünden, seien nicht Gegenstand des § 3 Abs. 3 Salzburger Bautechnikgesetz 2015, LGBl. Nr. 1/2016 in der geltenden Fassung (LGBl. Nr. 19/2018; BauTG).

5 Ferner führte das LVwG aus, der Revisionswerber habe im behördlichen Verfahren ein näher genanntes geologisches Gutachten aus dem Jahr 1994 vorgelegt. Im weiteren Verfahren habe er lediglich behauptet, dass sämtliche von der Behörde aufgrund seiner Einwände eingeholten fachlichen Stellungnahmen und Gutachten unrichtig seien. Der Revisionswerber sei somit den Gutachten und Stellungnahmen nicht auf fachlich gleicher Ebene entgegengetreten.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Mit dem in der Zulässigkeitsbegründung mit dem Verweis auf § 7a Z 1 BauPolG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 BauTG, dessen Formulierung Spielraum für Interpretationen lasse, erstatteten Vorbringen, es stelle sich die Frage, "ob die aufgrund der geologischen Gegebenheiten vor Ort fragwürdige Standsicherheit des geplanten Bauprojekts und die damit verbundene unmittelbare Gefährdung des Objekts des Revisionswerbers, sei es durch Hangrutschungen oder Beeinträchtigungen der Statik sowie des Untergrundes, als subjektiv öffentliches Recht geltend gemacht werden kann", wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. 11 § 7a BauPolG normiert jene bautechnischen Bestimmungen, die für Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte im Baubewilligungsverfahren darstellen. Diese Aufzählung ist taxativ (vgl. bereits zur früheren Bestimmung des § 62 Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 75/1976, aufgehoben durch LGBl. Nr. 1/2016, VwGH 13.6.2012, 2012/06/0046; 27.2.2015, Ra 2014/06/0049, jeweils mwN).

12 In dieser abschließenden Aufzählung des § 7a BauPolG ist etwa § 3 Abs. 3 BauTG hinsichtlich der Vermeidung unzumutbarer Belästigungen angeführt (wobei nach dieser Bestimmung bauliche Anlagen so zu planen und auszuführen sind, dass ihre Verwendung keine unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn erwarten lässt), nicht jedoch Bestimmungen, die auf die Standsicherheit von baulichen Anlagen oder die Tragfähigkeit von benachbarten Grundstücken Bezug nehmen (vgl. § 3 Abs. 1 Z 1 sowie § 7 Abs. 2 BauTG).

13 Eine mögliche Hangrutschung, die der Revisionswerber geltend macht, stellt auch keine "Belästigung" im Sinn des § 7a Z 1 BauPolG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 BauTG (der - wie ausgeführt - auf die Verwendung von baulichen Anlagen abstellt) dar (vgl. dazu VwGH 23.6.2015, 2012/05/0197, zur Wiener Bauordnung).

14 § 7a Z 1 BauPolG in Verbindung mit § 3 Abs. 3 BauTG räumt Nachbarn somit hinsichtlich der Standsicherheit benachbarter Bauten und der Tragfähigkeit von benachbarten Grundstücken keine subjektiv-öffentlichen Rechte ein (vgl. bereits zur Rechtslage nach dem Salzburger Baupolizeigesetz, LGBl. Nr. 117/1973, und dem Salzburger Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 75/1976 in den jeweils anzuwenden Fassungen VwGH 23.2.1995, 95/06/0005; 16.3.1995, 94/06/0040; 12.10.1995, 95/06/0100; vgl. ferner zur Rechtslage nach dem Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl. Nr. 39 bzw. LGBl. Nr. 40 in den jeweils anzuwenden Fassungen VwGH 21.2.2007, 2006/06/0043; 6.10.2011, 2009/06/0204; 13.6.2012, 2012/06/0046).

15 Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nicht vor, wenn diese durch zu früheren Rechtslagen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde (VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0105, mwN). Ein solcher Fall liegt hier vor (vgl. zur geltenden Rechtslage auch Giese, Salzburger Baurecht2 (2018), § 7a BauPolG, insb. Rn. 3 und 6). 16 Auch das Vorbringen, es wäre denkbar, den Schutz des Nachbarn "bezüglich der Standfestigkeit/Fundierung des Baus" dem § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG zu subsumieren, zeigt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

17 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die bauliche Maßnahme ein subjektivöffentliches Recht einer Partei verletzt wird. Solche Rechte werden durch jene baurechtlichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des BauTG in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht der Nachbarn auf die in § 7a BauPolG - wie dargelegt - taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt (vgl. bereits VwGH 12.10.1995, 95/06/0100; 6.10.2011, 2009/06/0204, jeweils zu § 62 BauTG alt).

18 Die in der Zulässigkeitsbegründung erwähnte "Fundierung des Baus" und die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Standsicherheit von anderen Bauten zählen zu den im BauTG geregelten bautechnischen Anforderungen für die Planung und Ausführung von baulichen Anlagen (vgl. zum Geltungsbereich dieses Gesetzes § 1 Abs. 1 BauTG). § 7a BauPolG erlaubt insoweit aber keine Anwendung der Generalklausel des § 9 Abs. 1 Z 6 BauPolG hinsichtlich der im BauTG geregelten Fragen.

19 Auch der Verweis auf Bauordnungen anderer Bundesländer zeigt nicht auf, dass das LVwG im angefochtenen Erkenntnis von der zur Salzburger Rechtslage ergangenen hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

20 Im Übrigen wäre die Revision auch deshalb nicht als zulässig zu beurteilen, weil die - hier allein maßgebliche - Zulässigkeitsbegründung den (weiteren) Erwägungen des LVwG, der Revisionswerber sei den eingeholten Gutachten und Stellungnahmen nicht auf fachlich gleicher Ebene entgegengetreten, nicht widerspricht, womit die vom Revisionswerber aufgeworfene Rechtsfrage im Ergebnis für das Schicksal der Revision nicht entscheidend ist.

21 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Dezember 2019

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