VwGH Ra 2019/03/0111

VwGHRa 2019/03/01117.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. A S in B, vertreten durch Keller Kranebitter Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Rathausstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 11. Juli 2019, Zl. LVwG- 460-1/2018-R9, betreffend eine Angelegenheit nach der Rechtsanwaltsordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gesamtausschuss der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer), den Beschluss gefasst:

Normen

RAO 1868 §8 Abs1
RAO 1868 §8 Abs2
Satzung Versorgungseinrichtung TeilA ÖRAK §30 Abs1
Satzung Versorgungseinrichtung TeilA RAK Vlbg §6 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030111.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) in teilweiser Abänderung eines Bescheides des Gesamtausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 17. Jänner 2018 fest, dass der Bezug einer Altersrente des Revisionswerbers aus der Versorgungseinrichtung der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer in den Kalendermonaten von August 2014 bis einschließlich September 2017 ruhte. Gleichzeitig verpflichtete es den Revisionswerber zur Rückzahlung der in diesem Zeitraum ausbezahlten Rentenbeträge in Höhe von insgesamt EUR 97.826,34. Die Revision erklärte das LVwG für nicht zulässig. 2 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe zu näher festgestellten Zeitpunkten entgeltliche Tätigkeiten aus dem beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten ausgeübt. Dies bewirke nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften (§ 30 Abs. 1 Satzung Teil A 2018; § 6 Abs. 5 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer) das Ruhen des Anspruchs auf Altersrente im oben angeführten Zeitraum. Die ausbezahlten Rentenbeträge seien vom Revisionswerber zurückzuzahlen. Dem Einwand des Revisionswerbers, er habe seine Tätigkeiten in der Funktion eines Vorstandsvorsitzenden einer näher bezeichneten Privatstiftung für die mit dieser Stiftung verbundenen Unternehmen erbracht, hielt das LVwG entgegen, dass es nach der Stiftungserklärung nicht zu den Aufgaben des Stiftungsvorstands gehöre, andere (juristische) Personen als die Privatstiftung selbst rechtlich zu beraten und zu vertreten. Der Revisionswerber habe somit Tätigkeiten verrichtet, die über seine Funktion als Stiftungsvorstand hinausgegangen seien. Er habe umfangreiche - näher umschriebene - Beratungs- und Vertretungstätigkeiten für andere (auch juristische) Personen als die Privatstiftung ausgeübt, u.a. auch in Angelegenheiten betreffend die Vorarlberger Gebietskrankenkasse und das Finanzamt. Es habe sich dabei um Tätigkeiten gehandelt, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den Aufgabenkreis von Rechtsanwälten gehören (Hinweis insbesondere auf VwGH 28.3.2006, 2005/06/0274, und 20.3.2018, Ra 2018/03/0001). 3 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Sie macht in der Zulassungsbegründung geltend, der Revisionswerber habe die strittigen Tätigkeiten in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender einer Privatstiftung und damit als Eigentümervertreter für Unternehmen erbracht, die mit dieser Stiftung verbunden seien.

4 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes umfasse die berufsmäßige Parteienvertretung von Rechtsanwälten u.a. auch die Vertretung von Klienten in Rechtsangelegenheiten gegenüber Dritten. Es fehle aber höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu, wie der Begriff "Klienten" rechtlich zu qualifizieren sei. Insbesondere sei ungeklärt, ob bei "gruppeninternen Leistungen zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft, letztere als Klient anzusehen" sei, und bejahendenfalls, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit diese Leistungen als berufsmäßige Parteienvertretung anzusehen wäre.

5 Es sei unstrittig, dass sich jedermann in eigenen Angelegenheiten selbst vertreten könne. Es fehle aber an höchstgerichtlicher Rechtsprechung, ob "gruppeninterne Leistungen", die der Revisionswerber als Mitglied des Vorstandes der Stiftung (als "Mutter") gegenüber verbundenen Unternehmen erbracht habe, als eigene Angelegenheiten anzusehen seien; bejahendenfalls, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit diese Leistungen als berufsmäßige Parteienvertretung anzusehen wären.

6 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes lasse sich aus § 8 Abs. 3 RAO kein umfassendes Monopol der Rechtsanwälte zur berufsmäßigen Parteienvertretung ableiten. "Spezielle Regelungen" hätten Vorrang vor dem "Rechtsanwaltsvorbehalt" des § 8 Abs. 2 RAO. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob etwa § 17 Privatstiftungsgesetz (wonach der Stiftungsvorstand die Privatstiftung verwalte und vertrete und für die Erfüllung des Stiftungszwecks sorge) als solche "spezielle Regelung" anzusehen sei und damit Vorrang vor § 8 RAO genieße.

7 Hinzu komme, dass das LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen bzw. diese widersprüchlich sei, weil nach einem Teil der höchstgerichtlichen Judikatur ein Bezug auf eine den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit immer zu fordern sei (Hinweis auf VwGH 23.10.2007, 2006/06/0125, und 13.10.2010, 2009/06/0189). Wenn im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 2006, 2005/06/0274, auch Leistungen angeführt würden, die an und für sich nicht Rechtsanwälten vorbehalten seien, so könnten diese nach Auffassung des Revisionswerbers nur dann relevant sein, wenn sie "rechtsanwaltsnahe" (etwa im Rahmen eines Kanzleibetriebs) erbracht, verrechnet und gerichtlich betrieben worden seien. 8 Überdies habe das LVwG tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt, indem es näher genannte Ermittlungsergebnisse dem Revisionswerber nicht zur Stellungnahme übermittelt habe bzw. Beweisergebnisse missachtet habe, die klar belegten, dass der Revisionswerber bei seinen Tätigkeiten ausdrücklich auf seine Eigenschaft als Eigentümervertreter hingewiesen habe.

9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10 Gemäß § 30 Abs. 1 der am 1. Jänner 2018 in Kraft getretenen Verordnung der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages über die Versorgungseinrichtungen Teil A der österreichischen Rechtsanwaltskammern (Satzung Teil A 2018) ruht der Anspruch auf Altersrente, wenn die Bezieherin oder der Bezieher der Altersrente eine entgeltliche Tätigkeit ausübt, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtanwältinnen und Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt. Nach § 30 Abs. 2 leg. cit. tritt das Ruhen ab dem der Ausübung folgenden Kalendermonat ein und gilt für die Dauer der Tätigkeit, mindestens aber für die Dauer von drei Kalendermonaten.

11 Gleichlautende Regelungen enthielt § 6 Abs. 5 der Satzung der Versorgungseinrichtung Teil A der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer in den Fassungen, die für den strittigen Zeitraum von August 2014 bis einschließlich September 2017 maßgeblich waren.

12 Zu dieser Norm führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. März 2018, Ra 2018/03/0001, u.a. Folgendes aus:

"Gemäß § 6 Abs. 5 der Satzung ruht der Anspruch auf Altersrente bei Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit, die in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten (§ 8 RAO) fällt.

Nach § 8 Abs. 1 RAO erstreckt sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich und umfasst unter anderem die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten. § 8 Abs. 1 RAO stellt auf das typische Berufsbild des Rechtsanwaltes und die traditionellerweise von Rechtsanwälten

ausgeübten Tätigkeiten ab .... Zur umfassenden Parteienvertretung

im Sinne des § 8 Abs. 1 und 2 RAO gehört neben dem Beratungsrecht auch das berufsmäßige Verfassen von Rechtsurkunden oder gerichtlichen Eingaben für Parteien bzw. das gewerbsmäßige Verfassen schriftlicher Anträge oder Urkunden sowie das Erteilen einschlägiger Auskünfte für den Gebrauch vor inländischen oder ausländischen Behörden .... Der Begriff der ‚Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten' in § 8 Abs. 1 RAO umfasst nicht bloß die Vertretung vor Behörden und Gerichten, sondern u.a. auch die Vertretung eines Klienten in Rechtsangelegenheiten gegenüber Dritten im Zuge einer vor und/oder nachprozessualen Korrespondenz .... Für den Rechtsanwaltsberuf ist typisch, dass er die rechtliche Beratung und Vertretung von Klienten vor Gerichten in dem weitesten Ausmaß und Umfang umfasst, der denkbar ist ...

§ 6 Abs. 5 der Satzung verlangt für die Rechtsfolge des Ruhens des Rechtsanspruches auf Bezug einer Altersrente lediglich die Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit aus dem beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten. Ein nach außen in Erscheinung tretendes (etwa auch das Auftreten vor Gericht oder Behörden einschließendes) Vertretungsverhalten ist derart nicht gefordert. Vielmehr reicht es aus, wenn eine jedenfalls zum beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten zählende Tätigkeit entgeltlich erbracht wird. In Betracht kommt diesbezüglich insbesondere das Verfassen von zur Parteienvertretung bestimmten Eingaben, stellt dies doch einen zentralen Bestandteil der anwaltlichen Tätigkeit dar, die zum typischen Berufsbild des Rechtsanwaltes zählt."

13 Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung tritt somit Ruhen der Altersrente ein, wenn der Bezieher der Rente Tätigkeiten ausübt, die typischerweise dem Rechtsanwaltsberuf unterfallen. Dazu gehören Beratungs- und Vertretungsleistungen von Klienten im weitesten Sinne, ohne dass diese Vertretung nach außen in Erscheinung treten müsste.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass die Tätigkeiten im gegebenen Zusammenhang keineswegs solche sein müssen, die ausschließlich Rechtsanwälten vorbehalten sind (vgl. VwGH 28.3.2006, 2005/06/0274); sie müssen lediglich zum Aufgabenkreis von Rechtsanwälten im zuvor beschriebenen Sinne gehören.

15 Wenn die Revision insofern einen Widerspruch in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ortet, ist ihr zu erwidern, dass ein solcher Widerspruch tatsächlich nicht gegeben ist. Die von der Revision zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 2007, 2006/06/0125, und vom

13. Oktober 2010, 2009/06/0189, betrafen jeweils Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretungen gemäß § 57 Abs. 2 RAO, bei denen es tatbestandsmäßig darauf ankam, ob die betroffenen Personen unbefugt Tätigkeiten gewerbsmäßig angeboten oder ausgeübt hatten, die den Rechtsanwälten vorbehalten sind. Es ist daher konsequent, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesen Fällen einen Bezug zur gewerbsmäßigen Ausübung einzelner oder auch nur einer einzigen den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeit als erforderlich erachtete.

16 Im gegenständlichen Fall (wie auch im zitierten Erkenntnis 2005/06/0274) geht es hingegen darum, ob ein Rentenanspruch wegen Ausübung einer Erwerbstätigkeit, welche in den beruflichen Aufgabenkreis von Rechtsanwälten fällt, ruhte (bzw. - im Falle des angeführten Erkenntnisses - endete). Dabei spielt es wie erwähnt keine Rolle, ob diese Tätigkeit den Rechtsanwälten vorbehalten ist. Aus diesem Grund sind die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu den Übertretungen nach § 57 Abs. 2 RAO und die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum Verhältnis des "Rechtsanwaltsvorbehalts" zu anderen "speziellen Regeln" hier nicht einschlägig.

17 Soweit die Revision geltend macht, dass jedermann das Recht habe, sich selbst zu vertreten, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Revisionswerber sich nicht selbst vertreten hat, sondern Beratungs- und Vertretungsleistungen, die dem Berufsbild des Rechtsanwalts zugerechnet werden können, für andere erbracht hat. Dass der Revisionswerber dabei in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender einer Stiftung agiert haben will, führt schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis, weil er die rechtsfreundlichen Leistungen (unstrittig) nicht für die von ihm gesetzlich vertretene Stiftung, sondern für juristische Personen erbracht hat, in denen der Revisionswerber jedenfalls keine Organstellung innehatte. 18 Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision auch nicht auf, dass bei Vermeidung der geltend gemachten Verfahrensverstöße, deren Zutreffen hier nicht näher beurteilt werden muss, ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis erzielt werden hätte können.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, die anhand der (einheitlichen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gelöst werden könnten. Die Revision legt aus den dargestellten Gründen auch nicht dar, dass das LVwG im angefochtenen Erkenntnis von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen wäre. 20 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Oktober 2019

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