VwGH Ra 2019/01/0248

VwGHRa 2019/01/024822.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, über die Revision des M R A in W, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wie n vom 24. April 2019, Zl. VGW-152/058/779/2019-25, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §10
StbG 1985 §10 Abs1 Z6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010248.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Sache nach der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Afghanistan, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe in den letzten sechs Jahren immer wieder Verhaltensweisen gezeigt, die eine Gefährdung für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellten. So habe der Revisionswerber durch Geschwindigkeitsüberschreitungen im Ausmaß von 24 km/h bzw. 19 km/h (näher bezeichnete Übertretungen der StVO) und durch das Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung (näher bezeichnete Übertretung des KFG) wiederholt Verhaltensweisen im Straßenverkehr gesetzt, die geeignet gewesen seien, seine eigene Sicherheit und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Darüber hinaus habe der Revisionswerber durch das Außerachtlassen der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit grob fahrlässig einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem eine Person leicht am Körper verletzt worden sei (diversionelle Erledigung eines Verfahrens wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 3 erster Fall StGB). Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber seit Jahren als Berufskraftfahrer (Zusteller) arbeite und gerade von einem Berufskraftfahrer zu verlangen sei, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es stelle eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar, "welcher Anzahl an (gleichwertigen) Bestrafungen innerhalb welchen Zeitraumes es bedarf, um dem Einbürgerungswerber eine negative Einstellung gegenüber der Rechtsordnung anlasten zu können". Nach der aktuellen Statistik gebe es täglich mehr als 14.500 Anzeigen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen und mehr als 300 Anzeigen "wegen Telefonierens". Das "belangte Gericht" habe einem Einbürgerungswerber "gerade einmal 2 Monate vor dem angefochtenen

Erkenntnis genau wegen derartiger Übertretungen ... mit

politischer Hilfe die Staatsbürgerschaft verliehen". Vorliegend habe das Verwaltungsgericht "mit einem unübersehbaren Ausmaß an Oberflächlichkeit die Persönlichkeitsprüfung beseitige geschoben". 8 Mit dieser Zulässigkeitsbegründung wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt:

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist gerade von einem Berufskraftfahrer zu verlangen, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften besondere Sorgfalt an den Tag zu legen (VwGH 30.4.2018, Ra 2017/01/0417, mwN).

10 Dabei ist zu beachten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen soll (vgl. VwGH 28.1.2019, Ro 2018/01/0018, mwN).

11 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017, mwN).

12 Ausgehend von dieser Rechtsprechung kann in der vorliegenden Rechtssache keine krasse bzw. unvertretbare Beurteilung des Einzelfalles durch das Verwaltungsgericht im Rahmen der oben dargestellten Grundsätze bzw. Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes erkannt werden.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Juli 2019

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