VwGH Ra 2018/19/0213

VwGHRa 2018/19/021328.11.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache 1. der N F, 2. des M G F, und 3. des S A F, alle vertreten durch Mag. Elisabeth Müller-Ozlberger, Rechtsanwältin in 3830 Waidhofen/Thaya, Rosensteinstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2018, 1) W225 2160524- 1/17E, 2) W225 2160521-1/17E, und 3) W225 2160526-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190213.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind miteinander verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittrevisionswerbers. Sie sind Staatsangehörige von Afghanistan. 2 Die Revisionswerber stellten am 21. Juni 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Begründend brachten sie vor, sie seien aufgrund eines Konfliktes zwischen zwei Volksgruppen bzw. wegen einer Blutfehde geflohen.

3 Mit Bescheiden jeweils vom 27. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Mit Erkenntnis vom 13. März 2019, E 1480-1482/2019-15, hob der Verfassungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, der Nichterteilung von Aufenthaltstiteln, der Erlassung von Rückkehrentscheidungen und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf. Im Übrigen (Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten) lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision, die sich nur gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe den Verfahrensakt des Bruders der Erstrevisionswerberin, dem auf Grund derselben Blutfehde in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, nicht beigeschafft, obwohl dies von den Revisionswerbern beantragt worden sei.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0069, mwN). Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0141, mwN). 11 Das BVwG hat sich mit dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheid, mit welchem dem Bruder der Erstrevisionswerberin der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, im Rahmen der Beweiswürdigung befasst und dazu ausgeführt, dass dieser ungeachtet einer ähnlichen Fluchtgeschichte, die jedoch nicht Gegenstand des vom BVwG zu entscheidenden Verfahrens sei, den Ausführungen der Erstrevisionswerberin keine Glaubwürdigkeit verleihen könne. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision fallbezogen eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit nicht auf.

12 Ebenso wenig zeigt die Revision mit dem Vorbringen, das BVwG hätte von Amts wegen den Bruder der Erstrevisionswerberin als Zeugen einvernehmen und ein Sachverständigengutachten zur Plausibilität des Fluchtvorbringens einholen müssen, auf, warum das BVwG - ohne entsprechenden formellen Beweisantrag unter Bekanntgabe des Beweisthemas - fallbezogen von der Erforderlichkeit dieser Beweisaufnahmen ausgehen hätte sollen (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0557, mwN).

13 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit auch damit, dass das BVwG gegen seine Begründungspflicht verstoßen habe. So sei dem Erkenntnis nicht eindeutig zu entnehmen, ob das BVwG das Fluchtvorbringen zur Gänze als unglaubwürdig beurteile. Das BVwG habe sich für die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens zu Unrecht auf die Angaben in der Erstbefragung gestützt, Vorbringen des Zweitrevisionswerbers übergangen, seine Beweiswürdigung auf aktenwidrige Annahmen gestützt und eine unschlüssige Beweiswürdigung vorgenommen.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN).

15 Das BVwG hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der es die Erstrevisionswerberin und den Zweitrevisionswerber ausführlich zu ihrem Fluchtvorbringen befragt hat, und ist mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, das Fluchtvorbringen der Revisionswerber sei widersprüchlich und unglaubwürdig. Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

16 Insoweit die Revision vorbringt, das BVwG habe sich für die Annahme der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens zu Unrecht auf das Vorbringen der Revisionswerber in der Erstbefragung gestützt, wird damit schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, weil das BVwG seine Annahme, das Fluchtvorbringen der Revisionswerber sei unglaubwürdig, auch auf andere, für sich tragende Gründe gestützt hat.

17 Wenn die Revision die Aktenwidrigkeit von Feststellungen behauptet, ist ihr zu entgegnen, dass eine solche nur vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0534, mwN). Eine solche Aktenwidrigkeit legt die Revision, die sich der Sache nach vielmehr gegen die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung des BVwG wendet, nicht dar.

18 Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe die westliche Orientierung der Erstrevisionswerberin zu Unrecht wegen mangelnder Deutschkenntnisse, auf Grund von "Teilangaben" der Erstrevisionswerberin zum Tragen des Kopftuches und wegen des Abstellens auf die Lebensweise der Erstrevisionswerberin vor deren Ausreise aus Afghanistan verneint und dadurch gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen. Das BVwG habe sich nicht ausreichend mit dem Lebensstil der Erstrevisionswerberin in Österreich und damit auseinandergesetzt, wie es ihr mit dem angenommenen Lebensstil in Afghanistan erginge.

19 Das BVwG hat sich mit einer möglichen "westlichen Orientierung" der Erstrevisionswerberin auseinandergesetzt, ist jedoch - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit näherer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein westlicher Lebensstil kein wesentlicher Teil der Identität der Erstrevisionswerberin geworden sei. Dabei berücksichtigte das BVwG insbesondere den Mangel an Eigeninitiative und Bemühen, sich zumindest rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache anzueignen, die Lebensumstände der Erstrevisionswerberin in Österreich, ihre Kleidung, ihre sozialen Kontakte, ihre bisherige Berufstätigkeit in Afghanistan, ihre Arbeit in einem Pflegeheim in Österreich und das Fehlen einer konkreten Berufsplanung. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision nicht auf, dass die Annahme des BVwG, die Erstrevisionswerberin habe keine westliche Lebensführung angenommen, fallbezogen unvertretbar wäre.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. November 2019

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