VwGH Ro 2018/15/0012

VwGHRo 2018/15/00123.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Juni 2018, Zl. RV/5101672/2014, betreffend Umsatzsteuer 10-12/2013 und 1- 4/2014 (mitbeteiligte Partei: O GmbH in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstraße 41), zu Recht erkannt:

Normen

AktG 1965 §225a
GmbHG §96 Abs1 Z1
MRG §12a Abs2
MRG §12a Abs3
UStG 1994 §28 Abs38

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150012.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung und dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 1. Juli 2014 wurde u. a. ausgeführt, die R GmbH (Vermieterin), habe im Jahr 2011 einen Mietvertrag mit der G GmbH (Mieterin) abgeschlossen. Für diesen Mietvertrag sei zur Umsatzsteuer optiert worden.

Mit Verschmelzungsvertrag vom 3. September 2013 sei die G GmbH auf die W GmbH verschmolzen worden. Die Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch sei am 18. Oktober 2013 erfolgt. Die W GmbH sei Mitglied im umsatzsteuerlichen Organkreis der mitbeteiligten gemeinnützigen GmbH.

Zivil- und abgabenrechtliche Gesamtrechtsnachfolgerin der G GmbH sei aufgrund der Verschmelzung die W GmbH. Durch die Verschmelzung gehe die G GmbH unter. Ein neues (umsatzsteuerliches) Mietverhältnis zwischen der R GmbH und der W GmbH entstehe. Gemäß § 28 Abs. 38 UStG 1994 sei § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz UStG 1994 idF des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 auf Mietverhältnisse anzuwenden, die nach dem 31. August 2012 beginnen würden (sofern nicht - hier nicht gegebene - Ausnahmen vorlägen). Da sowohl die W GmbH als auch die Mitbeteiligte zu weniger als 95% umsatzsteuerpflichtige Umsätze tätigten, sei der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei der Vermieterin nicht mehr möglich. Die Vermietung sei daher gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 unecht steuerbefreit. Daher sei der mitbeteiligten Partei der Vorsteuerabzug aus den Mietaufwendungen zu versagen.

2 Mit Bescheiden vom 9. Juli 2014 setzte das Finanzamt Umsatzsteuer gegenüber der mitbeteiligten Partei für den Zeitraum 10-12/2013 sowie 1-4/2014 fest. In der Begründung wurde auf die Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht verwiesen.

3 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. Sie machte insbesondere geltend, durch die umgründungsbedingte Gesamtrechtsnachfolge komme es nicht zu einem fiktiven "Mieterwechsel". Das Bestandverhältnis unterliege damit nach wie vor dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 UStG 1994 in der Fassung vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Bescheide ab indem es den Vorsteuerabzug aus den Mietaufwendungen zuerkannte. Es sprach aus, dass gegen das Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges und Schilderung einer Vielzahl an Literaturmeinungen aus, bei einer Verschmelzung trete die aufnehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin der verschmolzenen Gesellschaft in deren Rechte und Pflichten ein. Aufgrund dieser Gesamtrechtsnachfolge werde das ursprüngliche Mietverhältnis nahtlos fortgesetzt. Da es dazu keiner neuen Willenseinigung bedürfe, werde auch kein neues Mietverhältnis begründet. Da sohin nach dem Stichtag des 1. Stabilitätsgesetzes 20 12 ein neues Mietverhältnis nicht begründet worden sei, bestehe für die Vermieterin weiterhin die Möglichkeit, die Vermietungsumsätze steuerpflichtig zu behandeln. Soweit diese Umsätze im Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen der Mitbeteiligten stünden, stehe anteilig weiterhin der Vorsteuerabzug zu.

6 Da es zu der hier zu lösenden Rechtsfrage noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe, sei die Revision für zulässig zu erklären gewesen.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die (ordentliche) Revision des Finanzamtes.

8 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken - von bestimmten Ausnahmen abgesehen -

steuerfrei.

11 Gemäß § 6 Abs. 2 UStG 1994 kann der Unternehmer u.a. einen Umsatz, der nach § 6 Abs. 1 Z 16 steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln.

12 Nach dem mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22, eingefügten letzten Unterabsatz des § 6 Abs. 2 UStG 1994 ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat diese Voraussetzung nachzuweisen.

13 Gemäß § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 ist § 6 Abs. 2 letzter Unterabsatz in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 hinsichtlich § 6 Abs. 1 Z 16 auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem 31. August 2012 beginnen, sofern mit der Errichtung des Gebäudes durch den Unternehmer nicht bereits vor dem 1. September 2012 begonnen wurde.

14 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 1. Stabilitätsgesetz 2012, 1680 BlgNR 24. GP  3 und 23 f, wird u. a. ausgeführt:

"Die Option zur Steuerpflicht bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken wird insoweit eingeschränkt, als dieses Recht nur mehr zusteht, wenn der Leistungsempfänger hinsichtlich dieser Leistungen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Diese Regelung soll unerwünschte Gestaltungen vermeiden. (...)

Errichtet ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ein Betriebsgebäude, steht ihm für die Errichtungskosten kein Vorsteuerabzug zu. Bisher konnte durch die Vorschaltung einer Errichtungsgesellschaft, die das Gebäude zehn Jahre steuerpflichtig an diesen Unternehmer vermietete, für die gesamten Errichtungskosten der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. Durch die Möglichkeit der Rückoption zur Steuerbefreiung konnte die Errichtungsgesellschaft nach zehn Jahren das Gebäude unecht steuerbefreit vermieten oder verkaufen, ohne dass es einer Berichtigung des zunächst geltend gemachten Vorsteuerabzugs bedurfte. Dadurch wurde regelmäßig nur ein Teil des Vorsteuerabzugs aus den Errichtungskosten durch die zehnjährige steuerpflichtige Vermietung ausgeglichen. Diese Fälle widersprechen im Ergebnis dem unionsrechtlich vorgegebenen Grundsatz, dass weder Privatpersonen noch unecht befreiten Unternehmern ein Vorsteuerabzug zusteht. (...)

Zur Vermeidung von Härten wird in § 28 Abs. 38 vorgesehen, dass bereits begonnene Miet- und Pachtverhältnisse (maßgeblich ist die tatsächliche Innutzungnahme) nicht unter die Neuregelung fallen. (...)"

15 Mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 wurde die Option zur Steuerpflicht bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken somit insoweit eingeschränkt, als der Verzicht auf die Steuerbefreiung nur mehr zulässig ist, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Nach § 28 Abs. 38 Z 1 UStG 1994 ist diese Einschränkung auf Miet- und Pachtverhältnisse anzuwenden, die nach dem 31. August 2012 beginnen es sei denn, die Errichtung des Gebäudes durch den Unternehmer hat vor dem 1.9.2012 begonnen. Eine solche Errichtung liegt hier nicht vor.

16 Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist sohin entscheidend, wann das Miet- und Pachtverhältnis begonnen hat.

17 Eine Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung kann insbesondere erfolgen durch Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft (übertragende Gesellschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme; § 96 Abs. 1 Z 1 GmbHG). Durch die Verschmelzung tritt die übernehmende Gesellschaft in die die übertragende Gesellschaft treffenden Vertragspflichten auf Grund Gesamtrechtsnachfolge ohne inhaltliche Änderung ein (vgl. RIS-Justiz RS0109661).

18 Insbesondere gehen auch Bestandverträge der übertragenden Gesellschaft auf den übernehmenden Rechtsträger über. Diese Änderung der Vertragspartei führt allenfalls dazu, dass der Vermieter den Hauptmietzins anheben kann (vgl. § 12a Abs. 2 und 3 MRG im Falle einer Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten bei einer juristischen Person oder einer unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft; vgl. etwa 5 Ob 198/09t; vgl. auch Kalss, Verschmelzung - Spaltung -

Umwandlung2, § 225a AktG Rz 45 ff; Warto in Gruber/Harrer, GmbHG2, § 96 Rz 100). Die Änderung der Parteien ändert aber nichts am weiterhin aufrechten Bestand des Mietverhältnisses.

19 Wenn sohin § 28 Abs. 38 UStG 1994 auf "Miet- und Pachtverhältnisse" verweist und dazu keine Einschränkungen im Hinblick auf die Vertragsparteien vorsieht, ist davon auszugehen, dass es bei Verschmelzungen ausschließlich auf das Weiterbestehen des Vertragsverhältnisses ankommt.

20 Insbesondere ist auch nicht überzeugend, dass es - wie es der Ansicht der Revision entspräche - darauf ankomme, ob der Mietvertrag ursprünglich mit der aufnehmenden oder der übertragenden Gesellschaft (einer Verschmelzung) geschlossen wurde. Gerade die Richtung der Verschmelzung ist im Allgemeinen gestaltbar (vgl. Bruckner in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, 1. Lfg, § 4 Tz 7), sodass eine daran anknüpfende Differenzierung der Regelung, die Gestaltungen vermeiden will, wenig überzeugend wäre.

21 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 3. April 2019

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