Normen
StbG 1985 §10 Abs2 Z7
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018010422.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (VwG) wurde der Sache nach der Antrag des Revisionswerbers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 und 8 sowie § 10 Abs. 2 Z 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 19 85 (StbG) abgewiesen.
2 Begründend führte das VwG zusammengefasst aus, dem Anfang 2003 nach Österreich gereisten Revisionswerber, einem türkischen Staatsangehörigen der Volksgruppe der Kurden, sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 9. März 2009 der Status eines Asylberechtigten verliehen worden, weil er zumindest im April 2001 die PKK unterstützt habe, er in Österreich exilpolitisch für die Organisation A) tätig gewesen sei und gegen ihn in der Türkei ein landesweiter Such- und Haftbefehl bestanden habe. Der unbescholtene Revisionswerber engagiere sich seit seiner Einreise nach Österreich bis heute für die Organisation A, sei dort aktives Mitglied und von 2008 bis 2016 im Vereinsvorstand tätig gewesen. Beim Verein A mit Sitz in W handle es sich um eine Auslandsorganisation der T, der in der Türkei verbotenen T. Die T sei eine marxistisch-leninistisch-maoistische Partei, die 1972 in der Türkei gegründet und seit 1974 auch in Deutschland vertreten sei. Ziel der T und ihrer Splittergruppen sei ein bewaffneter revolutionärer Umsturz in der Türkei und die Schaffung eines demokratischen Volksstaats unter Führung des Proletariats. Um ihre Ziele umzusetzen, unterhalte sie bewaffnete Guerilla-Gruppen in der Türkei. Dort werde die T als illegale kommunistische Partei geführt. Die deutsche Bundesregierung schätze die T als linksextremistische terroristische Vereinigung ein. Die T scheine jedoch nicht auf der EU-Terrorismusliste auf.
Im Jahr 2001 sei der Revisionswerber bei der PKK als Hilfskoch tätig und aktives Mitglied der T gewesen. Nun pflege er von Österreich aus jedenfalls Kontakt zu der Auslandsorganisation der T in Deutschland. Zuletzt habe er 2016 mit dem Verein A in Frankfurt eine Veranstaltung dieser Auslandsorganisation besucht. Er nehme regelmäßig im In- und Ausland an Kundgebungen und Demonstrationen teil und sei derzeit zumindest noch Sympathisant der T.
Der Revisionswerber habe demnach ein Naheverhältnis zu der extremistischen und terroristischen Gruppierung der T. Das VwG könne nicht ausschließen, dass der Revisionswerber als Sympathisant der T und aktives Mitglied der A in Zukunft keine Gefahr iSd § 10 Abs. 1 Z 6 bzw. Abs. 2 Z 7 StbG darstellen werde. Ebenso könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber im Falle des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft eine noch aktivere Rolle durch die Wiedereinreisemöglichkeit in die Türkei einnehmen werde, welche schließlich auch die Beziehungen Österreichs zur Türkei iSd § 10 Abs. 1 Z 8 StbG beeinträchtigen könnte. Dem Verleihungsantrag könne wegen Vorliegens eines Verleihungshindernisses nicht Folge gegeben werden. 3 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Beschwerdebehandlung mit Beschluss vom 12. Juni 2018, E 666/2018-5, ablehnte und mit Beschluss vom 10. Juli 2018, E 666/2018-7, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. 4 In der Folge erhob der Revisionswerber die gegenständliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung in Bezug auf die Feststellung richtet, der Revisionswerber sei zumindest noch Sympathisant der T und jedenfalls aktives Mitglied der A, weshalb nicht mit Sicherheit auszuschließen sei, dass der Revisionswerber keine Gefahr iSd § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 StbG darstellen werde, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt ausschließlich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 3.9.2019, Ra 2018/01/0187, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des VwG legt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht dar.
9 In Bezug auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, dass dessen Voraussetzungen auf den Revisionswerber nicht zuträfen. Die Mitgliedschaft im Verein A sei nicht mit einem Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung verbunden, weil es sich dabei um keine extremistische oder terroristische Gruppierung handle. Der Revisionswerber sei auch nicht Sympathisant, Geldgeber oder anderer Unterstützer wie etwa Verteiler von Propagandamaterial in einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung. Allein daraus, dass es sich beim Verein A um einen Ableger-Verein der in der Türkei verbotenen Partei T handle und die deutsche Bundesregierung die T als linksextremistische terroristische Vereinigung einschätze, gleichzeitig die T jedoch nicht auf der EU-Terrorismusliste aufscheine, sei zu schließen, dass es sich bei der T nicht um eine extremistische oder terroristische Gruppierung handle, andernfalls sie auf der EU-Terrorismusliste aufscheinen würde. Selbst wenn man davon ausgehe, bei der T handle es um eine extremistische oder terroristische Gruppierung, liege kein Naheverhältnis des Revisionswerbers zu ihr vor. Er sei weder Geldgeber, noch sonstiger Unterstützer der T und arbeite mit dieser auch nicht zusammen. Ein loses Aufeinandertreffen bei Veranstaltungen reiche nicht aus. Daraus erkläre sich auch, dass weder der "Verfassungsschutz" des Bundes noch "des Landes Wien" Bedenken gegen die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Revisionswerber hätten. Das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG liege daher nicht vor.
10 § 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Es kommt nicht darauf an, ob ein Naheverhältnis ausgeschlossen werden kann, sondern alleine darauf, ob der Verleihungswerber ein Naheverhältnis hat. Ein derartiges Naheverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Personen vor, die - neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen - (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind (vgl. zuletzt VwGH 4.4.2019, Ra 2019/01/0083, mwN). 11 Ausgehend von dem vom VwG festgestellten Sachverhalt, wonach das Ziel der T und ihrer Splittergruppen ein bewaffneter revolutionärer Umsturz in der Türkei sei, wozu die T in der Türkei bewaffnete Guerilla-Gruppen unterhalte, und der Revisionswerber zumindest noch Sympathisant der T sei, ist unter Bedachtnahme auf die dargelegte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das VwG zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der T um eine terroristische bzw. extremistische Gruppierung handelt, in deren Umfeld terroristische oder extremistische Aktivitäten nicht ausgeschlossen werden können, und der Revisionswerber als Sympathisant der T ein Naheverhältnis zu einer terroristischen bzw. extremistischen Gruppierung hat, das gemäß § 10 Abs. 2 Z 7 StbG der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft entgegensteht. Die Qualifikation einer Organisation bzw. Vereinigung oder eines Vereins als extremistische oder terroristische Gruppierung iSd § 10 Abs. 2 Z 7 StbG setzt nicht voraus, dass diese auf der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, aufscheint (vgl. idS bereits VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035). 12 Die Revision vermag somit hinsichtlich des Vorliegens des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 2 Z 7 StbG keine Rechtsfragen aufzuzeigen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
13 Im Hinblick auf die tragenden Erwägungen des VwG zu § 10 Abs. 2 Z 7 StbG muss auf die im übrigen Zulässigkeitsvorbringen aufgeworfene Frage, ob die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 und 8 StbG vorliegen, nicht näher eingegangen werden. 14 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2019
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