VwGH Ra 2018/21/0178

VwGHRa 2018/21/017825.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des G, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2018, Zl. I417 1439062- 2/25E, betreffend Rückkehrentscheidung und Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32004L0038 Unionsbürger-RL;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §46;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
MRK Art3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210178.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er stellte nach seiner illegalen Einreise nach Österreich am 12. Oktober 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. November 2013 vollumfänglich abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis vom 21. September 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hinsichtlich der Gewährung von Asyl und subsidiärem Schutz ab; zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das BFA zurückverwiesen.

2 Das BFA sprach sodann mit Bescheid vom 29. Oktober 2015 aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erließ es eine Rückkehrentscheidung und es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe ab, dass die spruchgemäße Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen auf jenen nach § 57 AsylG 2005 eingeschränkt wurde.

4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber seit dem 24. April 2017 mit einer kroatischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Diese habe vom 23. August 2017 bis zum 13. Oktober 2017 in Österreich gearbeitet. Die Ehepartner führten keinen gemeinsamen Haushalt, die in Kroatien lebende Ehefrau besuche den Revisionswerber aber regelmäßig. Der Revisionswerber sei Vater einer am 20. November 2015 geborenen Tochter, die kroatische Staatsangehörige sei. Sie lebe mit ihrer Mutter (nicht die Ehefrau des Revisionswerbers) in Kroatien und habe den Revisionswerber bisher zwei Mal gesehen. Der Revisionswerber habe in Nigeria für vier Jahre die Grundschule besucht. Er absolviere in Österreich einen Deutschkurs.

5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Ehefrau des Revisionswerbers ihr unionsrechtliches Freizügigkeitsrecht nicht ausgeübt habe, weil sie weniger als drei Monate in Österreich Arbeitnehmerin gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie andere der in § 51 Abs. 1 NAG genannten Voraussetzungen erfülle. Der Revisionswerber sei daher kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

6 Bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich bisher vier Jahre und acht Monate gedauert habe und zur Gänze auf seinem nach illegaler Einreise gestellten Asylantrag fuße. Hinsichtlich seines Familienlebens sei auszuführen, dass die Beziehung zu seiner Ehefrau zu einem Zeitpunkt entstanden sei, als sein Aufenthaltsstatus als unsicher anzusehen gewesen sei. Die Eheschließung sei erst nach dem negativen Bescheid des BFA vom 29. Oktober 2015 erfolgt. Es bestünden auch keine Gründe, warum die Ehe nicht in Nigeria fortgeführt werden könne, und der Kontakt könne auch mittels modernen Kommunikationsmitteln und durch Besuche aufrechterhalten werden. Es werde nicht verkannt, dass der Revisionswerber Vater eines in Kroatien lebenden Kindes sei. Mit diesem lebe er jedoch in keinem gemeinsamen Haushalt. Es handle sich um ein Kleinkind, das seinen Vater bisher erst zwei Mal gesehen habe, sodass von einer ausgeprägten Bindung nicht ausgegangen werden könne.

7 Von einem maßgeblichen und überdurchschnittlichen Grad an Integration des Revisionswerbers könne nicht gesprochen werden. Er habe zwar einen Deutschkurs besucht, aber keine Prüfung abgelegt, und in der Verhandlung habe sich der erkennende Richter von den fehlenden Deutschkenntnissen des Revisionswerbers überzeugen können. Demgegenüber könne nach wie vor von Bindungen zum Herkunftsstaat ausgegangen werden, in dem der Revisionswerber den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe.

8 Die Interessenabwägung schlage somit insgesamt zugunsten der Außerlandesbringung des Revisionswerbers aus.

9 Dafür, dass dem Revisionswerber im Fall einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre und so die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten würde, gebe es keinen Anhaltspunkt. Der Revisionswerber sei volljährig, gesund und arbeitsfähig. Im Fall der Rückkehr sollte er durch Aufnahme einer Beschäftigung zum Verdienst seines Lebensunterhalts imstande sein. Es bestehe in Nigeria ganz allgemein keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung im Sinn des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre.

10 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

11 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

13 Der Revisionswerber macht unter diesem Gesichtspunkt zunächst geltend, dass "bezüglich der drohenden Notlage" in Nigeria zu verhandeln gewesen wäre. Er wäre, so sein Vorbringen, im Fall einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat einer existentiellen Notlage ausgesetzt, da er auf Grund der dort gegebenen wirtschaftlichen Situation keinerlei Verdienst- und Überlebensmöglichkeit hätte, zumal er schon fünf Jahre außer Landes sei. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, in der auch die Lage in Nigeria erörtert wurde. Der Revisionswerber tritt der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei seiner Rückkehr (nach wie vor) keine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe, nicht konkret entgegen. Dass er aber Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland begegnen wird, vermag in einem Fall wie dem hier vorliegenden das Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern ist vielmehr - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens seines Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. etwa VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0076, Rn. 9, mwN).

14 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird außerdem vorgebracht, dass die Rückkehrentscheidung gegen die Richtlinie 2004/38/EG verstoße, "zumal der Beschwerdeführer europarechtlich legal in Österreich aufhältig ist, da er mit einer kroatischen Staatsbürgerin verheiratet ist". Allein aus der Ehe mit einer kroatischen Staatsangehörigen ist aber weder aus unionsrechtlichen noch aus innerstaatlichen Regelungen ein Aufenthaltsrecht in Österreich abzuleiten. Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass es sich beim Revisionswerber um keinen begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG handelt, ist im Ergebnis schon deswegen zutreffend, weil seine kroatische Ehefrau nach den unbestrittenen Feststellungen nicht in Österreich, sondern in Kroatien lebt, es also am Erfordernis des "Begleitens" oder "Nachziehens" durch den Drittstaatsangehörigen fehlt (wobei es allerdings keine Rolle spielen würde, wann und wo die Ehe geschlossen wurde oder wie der Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist - vgl. dazu etwa VwGH 27.1.2010, 2009/21/0379, mwN).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2018

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