VwGH Ra 2018/21/0079

VwGHRa 2018/21/007929.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des F U O, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. März 2018, Zl. I414 2188487- 1/5E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210079.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Gegen den Revisionswerber, einen seit 21. Mai 2015 mit einer griechischen Staatsbürgerin verheirateten Staatsangehörigen Nigerias, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 6. Februar 2018 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein mit vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Ihm wurde in Anwendung des letzten Halbsatzes des § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt, einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Dieser Entscheidung lagen zwei rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen des Revisionswerbers zugrunde:

Mit Urteil vom 11. August 2014 hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien über ihn wegen gewerbsmäßiger (im letzten Fall versuchter) Weitergabe von Kokain (Straßenverkauf mehrerer Kugeln dieses Suchtgifts im Juni und Juli 2014) eine neunmonatige Freiheitsstrafe (davon sechs Monate bedingt nachgesehen) verhängt.

Am 12. Jänner 2018 erfolgte durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen öffentlichen Verkaufs von Kokain (in einem U-Bahnwaggon vor zumindest 15 Personen am 28. November 2017) eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten (davon 8 Monate bedingt nachgesehen). Der unbedingt verhängte Teil dieser Freiheitsstrafe wurde bis zum 28. März 2018 vollzogen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine gegen den eingangs erwähnten Bescheid des BFA erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Das BVwG bejahte auf Grund der vom Revisionswerber begangenen Straftaten die Gefährdungsprognose nach § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG und erklärte, dass die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG trotz des vor der Inhaftierung in Österreich mit seiner Ehefrau und zwei gemeinsamen Kindern geführten Familienlebens kein Überwiegen seiner privaten und familiären Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung ergeben habe. Auch eine Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes sei nicht in Betracht gekommen.

3 Nach der in Rn. 2 genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

5 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber eine inhaltliche Unrichtigkeit bzw. Unvertretbarkeit sowohl der Gefährdungsprognose als auch der Interessenabwägung des BVwG geltend.

6 Dazu ist vorauszuschicken, dass die einzelfallbezogene Beurteilung betreffend die Gefährdungsprognose und die Interessenabwägung bei einem Aufenthaltsverbot dann nicht revisibel ist, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0219, Rn. 6, und VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0014, Rn. 7, jeweils mwN). Das ist hier der Fall.

7 Soweit der Revisionswerber auf - seiner Meinung nach - gravierendere Fälle verweist, in denen in der von ihm zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bislang Aufenthaltsverbote gebilligt worden seien, schließt das, zumal bei wiederholter Tatbegehung, schon grundsätzlich nicht aus, dass auch in weniger schwerwiegenden Fällen ein Aufenthaltsverbot - nach Maßgabe des hier unstrittig heranzuziehenden Gefährdungsmaßstabes - gerechtfertigt sein kann (vgl. etwa VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0370, Rn. 10). Dass Feststellungen zu den begangenen Straftaten nicht getroffen worden seien, wie die Revision behauptet, trifft nicht zu.

8 Im Übrigen bezieht sich der Revisionswerber vor allem auf die Unterlassung der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung und behauptet einen günstigen persönlichen Eindruck, den seine Einvernahme hinterlassen hätte.

9 Bei seinen Ausführungen zur Verhandlungspflicht lässt der Revisionswerber im Ergebnis jedoch die Regelung des § 21 Abs. 7 BFA-VG außer Acht. Diese Bestimmung erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt - wie hier - bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist.

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch wiederholt darauf hingewiesen, bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Allerdings kann in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0233, Rn. 6 bis 8, mwN).

10 Von einem solchen sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eindeutigen Fall durfte das BVwG aber hier angesichts der wiederholten Suchtgiftdelinquenz des - schon bislang immer wieder (etwa nach einer Abschiebung in den Heimatstaat am 2. März 2017 oder während des erwähnten Strafvollzuges) getrennt von seiner griechischen Ehefrau und den gemeinsamen Kindern lebenden - Revisionswerbers ausgehen. Das gilt umso mehr, weil er in Österreich unbestritten weder sprachlich noch beruflich oder sozial eine nennenswerte Integration erlangt hat.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2018

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