VwGH Ra 2018/20/0397

VwGHRa 2018/20/039717.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache der Revision des S K H in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Juni 2018, Zl. W263 2176913-1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200397.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 18. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 15. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2018 - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. Juni 2018 ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das BVwG habe seinem Erkenntnis veraltete Länderberichte zu Grunde gelegt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das BVwG nicht das im Entscheidungszeitpunkt aktuellste Länderinformationsblatt verwendet habe. Die Situation in Kabul bzw. die Sicherheitslage in Afghanistan sei eine gänzlich andere und sei es zu - näher dargestellten - maßgeblichen Änderungen gekommen.

9 Überdies sei die Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im vorliegenden Fall nicht gemäß den hg. aufgestellten Kriterien erfolgt (Hinweis auf VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0118, mwN). Das BVwG habe in diesem Zusammenhang zur Gänze außer Acht gelassen, dass der Revisionswerber selbst in Afghanistan noch keine Erfahrungen gemacht habe, weil er im Iran geboren und aufgewachsen sei. Das BVwG habe es verabsäumt, eine entsprechende - höchstgerichtlich geforderte - Prüfung in Bezug auf eine Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative durchzuführen und weiche dies von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

10 Dem Vorbringen, es hätten sich gegenüber dem vom BVwG festgestellten Sachverhalt maßgebliche Änderungen ergeben, ist entgegen zu halten, dass der Revisionswerber ein solches Vorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2018 nicht erstattet hat, obwohl ihm die der Entscheidung zugrunde gelegten Berichte mit der Ladung zur Kenntnis gebracht worden waren und dem Revisionsvorbringen zufolge das neue Länderinformationsblatt bereits im März 2018 erschienen sei. Der Berücksichtigung dieses sachverhaltsbezogenen Vorbringens steht daher das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegen, weshalb es schon deshalb nicht geeignet ist, eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (vgl. VwGH 13.4.2018, Ra 2018/20/0165; 5.4.2018, Ra 2018/19/0077).

11 Überdies hat das BVwG in seinem Erkenntnis die für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative relevanten Feststellungen getroffen und in weiterer Folge eine auf den Einzelfall Bedacht nehmende Zumutbarkeitsprüfung der Inanspruchnahme derselben in Kabul durchgeführt. Das BVwG hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 30.5.2018, Ra 2018/18/0228; 20.4.2018, Ra 2018/18/0194; 23.1.2018, Ra 2018/18/0001) die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul bejaht. Die Revision vermag mit ihrem nicht näher ausgeführten Vorbringen, der Revisionswerber habe selbst keine Erfahrungen mit Afghanistan gemacht, weil er im Iran geboren und aufgewachsen sei, nicht aufzuzeigen, dass das BVwG, das seiner Entscheidung die unbestrittenen Feststellungen zugrunde legte, dass der Revisionswerber im Iran geboren und aufgewachsen ist, dort acht Jahre (mit Unterbrechungen) eine afghanische Schule besucht und mehrere Jahre gearbeitet hat, von dieser Rechtsprechung (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt jüngst VwGH 2.8.2018, Ra 2017/19/0229) abgewichen wäre.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. September 2018

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